auf der CeBit wurde ich gefragt, wieso eigentlich viel mehr Unternehmen facebooken und twittern denn bloggen. Die Erklärung ist im Grunde genommen sehr einfach.
Facebook und Twitter versprechen eine Art von „instant gratification“. Übersetzt? Eine „sofortige Belohnung“. Wie drückt sich das denn aus?
1. Wichtig ist zunächst dabei, dass der Raum in Facebook und Twitter als jeweils ein Raum wahrgenommen werden, in dem sich Millionen von Menschen ganz dicht tummeln. Es hört sich toll an, wenn man hört, dass Facebook 600 Mio Mitglieder hat und Twitter 200 Mio Accounts. Wo viele Menschen sind, kann man doch als Unternehmen ein Schild über die Duchgangsstraßen hängen, einige werden sicherlich aufmerksam werden. Das mutet recht simpel an, oder?
Beim Bloggen gibt es diesen großen, gemeinsamen Raum nicht. Man bewegt sich mit seinem gedachten Firmenblog in einer Art Galaxis mit abermillionen von Planetensystemen, die wenig bis gar nicht miteinander verbunden sind. Ein Plakat mitten im Weltraum aufzustellen, mutet dann etwas sinnlos an, oder?
2. Instant Gratification: Das Betreiben einer Facebook-Seite und eines Twitter-Accounts führt recht schnell zu vermeintlichen Erfolgserlebnissen. Im Gegensatz zu einem Blog und den kaum fassbaren Lesern bekommt man auf FB und Twitter ein anderes Gefühl vermittelt: Die Liker und Follower sind greifbarer, fühlen sich echter an. Man muss sich nicht wundern, wenn man ein Blog mittels Google Analytics Zahlen vergleicht und X namentliche Liker/Follower inklusive Profilfotos gegenüberstellt. Wer sind die Leser des Blogs, wo kommen die her? Eine doch sehr anonyme Geschichte. Hinzu kommt, dass die wenigsten Blog-Leser kommentieren, vielleicht 1%-2% der Leserschaft. Der Aktivitätsgrad auf FB und Twitter ist sozusagen 100%. Da erscheint der Akt des Folgens und Likens ungleich stärker. Es ist wenig erstaunlich, dass Unternehmen gerne mit ihren Follower/Like-Zahlen hausieren gehen. Sie können es intern besser verkaufen als anonyme Blog-Leser, die man nicht zu fassen bekommt.
3. Instant Gratification: Nicht nur die Greifbarkeit und gefühlte Aktivitätsrate der Leser auf FB und Twitter erscheint gegenüber Blogs größer. Wer auf Facebook 10.000 Liker eingesammelt hat, wird ein größeres Gefühl der Zufriedenheit erlangen denn im Vergleich dazu mit 10.000 Lesern pro Monat auf seinem Blog. Und es ist zugleich eine Frage des Potentials (siehe ersten Punkt): Würden Firmen wie Starbucks mit 20.000.000 Likern auch 20 Mio Blog-Leser erreichen können? So wird sich jede Firma die Frage nach dem Aufwand stellen. Wo ist es leichter Anhänger zu finden? In einem vermeintlich sehr dichten Raum oder in einer losen Galaxis?
4. Instant Gratification: Beim Bloggen muss man den gesamten, narrativen Raum alleine gestalten. Angefangen beim Layout über die Inhalte bis hin zur Trommelei, so dass Leser irgendwo im Weltraum auf diesen winzigen Planeten aufmerksam werden. Diese zu erbringende Leistung ist nicht zu unterschätzen. Sie erscheint aufwändig und auch kaum kalkulierbar, was den Nutzen angeht, der sich erst sehr viel später einstellt. Bei Facebook und Twitter wird den Firmen ein großer Teil dieser narrativen Gestaltung und Denkleistung im Vorfeld abgenommen. Layout, Kommunikationsmöglichkeiten und Aufmerksamkeitsmechaniken sind vorgegeben. Alles, was man als Firma tun muss? Sein Türschild anbringen.
Instant Gratification Mechaniken kennen wir vor allen Dingen im Bereich Gaming. Kaum ein Spieleanbieter, der nicht darauf achtet, den Spieler schnell und spontan zu belohnen. Stichwort Mensch. Menschen arbeiten in Unternehmen, keine Maschinen. So ist und bleibt die Attraktion eines Kanals im Internet stets damit verbunden, wie schnell es Belohnungen verspricht. Auch wenn sich Unternehmen und selbst Wirtschaftswissenschaftler gerne mit rationalen Werkzeugen umgeben, Wirtschaft bleibt am Ende des Tages Psychologie pur. Völlig unabhängig dessen, wie rational der Entscheidungsbaum aufgestellt wird, wenn es um die Frage geht, ob man bloggen, facebooken und/oder twittern soll. Instant Gratification verändert den Entscheidungsbaum nur allzu menschlich verständlich. So gesehen agieren zahlreiche Unternehmen in meinen Augen irrational aber menschlich, wenn sie auf den „Social Media“-Zug = Facebook/Twitter-Zug aufspringen. Man möge es ihnen nachsehen.
Update: Meine persönliche Meinung ist? Ich halte nicht viel von dem Sprung ins einfach anmutende Gewässer, das sofortige Erfrischung verspricht. Zudem bin ich als Blogger etwas voreingenommen, da nichts einfach ist, was zunächst einfach anmutet, so meine Erfahrung, egal wo man sich tummelt. Von Instant Gratification würde ich mich daher nicht blenden lassen. Es ist nur zu leicht, seiner menschlichen Irrationalität nachzugeben und zugleich schwer, stets kritisch zu hinterfragen, bis die Kollegen genervt sind.
09.03.2011 um 11:53 Uhr
Hi Rob,
so nachvollziehbar Instant Gratfication in den großen sozialen Netzwerken auch sein mag. Für die meisten Unternehmen ist ein Blog sinnvoller und effizienter, weil steuerbar. Sowohl was Feedback als auch was die besprochenen Themen angeht.
09.03.2011 um 11:47 Uhr
Guter Punkt mit der sofortigen Belohnung. Allerdings haben wir ja auch bei „Wir wollen Guttenberg zurück“ gesehen, was das Engagement so manchen Likers ist. Auf lange Sicht (insbesondere SEO) ist ein Blog für ne Firma mehr wert, als eine Facebook Fansite. Und warum nicht beides haben ….
09.03.2011 um 12:04 Uhr
um sinnvoller im rationalen Sinne geht es meistens nicht, solange die Sachlage und Wirkzusammenhänge unklar sind :)
09.03.2011 um 13:06 Uhr
Hallo Robert, es stimmt: Ein Corporate Blog macht sauviel Arbeit und man muss (scheinbar) viel mehr trommeln, um damit gehört zu werden. Wir haben drei Jahre gebraucht, um so gut unterwegs damit zu sein, wie wir es jetzt sind. Das Tolle ist: das Blog ist unser eigener Raum, in dem Platz ist für Themen, die sich vielleicht nicht so gut eignen für andere Medien/Kanäle, die aber auch ihre Berechtigung haben. Und wie könnten wir Twitter eigentlich nutzen, wenn wir nicht die notwendigen (Blog)Inhalte hätten, die wir dort posten? Auf einer klassischen Website tut sich nicht so besonders viel und auch Pressemitteilungen versenden wir auch nicht im Stundentakt. Viceversa bekommen wir schöne thematische Anregungen für das Cirquent Blog aus der Twitterwelt. Eine perfekte Symbiose! Und Facebook? Mag sein, dass es im B2C-Bereich eine „instant gratification“ vorgaukelt. Im B2B-Bereich ist der Aufbau einer Fangemeinde dagegen ebenfalls mit einigen Mühen verbunden. Und inhaltlich gefüllt werden muss FB am Ende auch. Fazit: Für mich ist bloggen immer noch die Königsdisziplin – aber vielleicht bin ich auch hoffnungslos altmodisch! ;)
09.03.2011 um 14:36 Uhr
Na, das trifft sich ja gut dass ich demnächst einen artikel zu diesem Themenkomplex schreibe (also umgelkehrt. Areum ein Blog als ‚Zentrium‘ immer noch wichtig ist.
Spannend ist ja aimmer dei Lücke zwischen derrealität wie ise ist und dem, wie (man will dass es) es sein SOLL ;)
09.03.2011 um 16:21 Uhr
Instant Gratification finde ich gut getroffen. Dieser durchdachte Beitrag gefällt mir. Beim Bloggen für Unternehmen, was die wenigsten tun, und bei unseren Kunden im Maschinenbau fast keine Firma, gibt es auch eine Belohnung, wenn auch nicht sofort und, zumindest in Deutschland, sehr selten als Kommentar im Blog. Deutsche Unternehmer, vor allem süddeutsche Mittelständler, scheinen eine Irrsinns-Angst haben, ihre Meinung online kund zu tun. Vielleicht ändert es sich ja langsam.
Wir betreuen für einen Kunden einen Corporate Blog ( http://www.schleifblog.de ), auf dem mittlerweile auch die Fachpresse aufmerksam wurde. Die fragt uns dann jetzt, wie so was geht. Nett ist auch, dass Schleifblog-Leser unserem Kunden beim Besuch ausgedruckte Blogbeiträge (wusste nicht, dass jemand so was macht) mit Begeisterung unter die Nase halten. Zuletzt passiert bei einem Beitrag über die „Schwäbische Hausfrau“, der die Japaner wohl sehr amüsiert hat. Im Übrigen hat man ja bei Guttenberg gesehen, was die Liker wert sind, wenn es gilt leibhaftig bei einer Demo Flagge zu zeigen, oder waren die alle geturft?
Schöne Grüße aus Tübingen
Norbert Kraas
09.03.2011 um 17:10 Uhr
Das hört sich alles erst einmal plausibel an. Jetzt sagt aber eine Studie aus den USA, dass es davon abhängt, wen man erreichen will. Im B2B ist Facebook bei der Kundengewinnung nur dritte Wahl, da stehen LinkedIn und die Corporate Blogs eindeutig vor Facebook (61% 55% 41%). Bei B2C sieht es nicht ganz so eindeutig aus, da hat Facebook knapp die Nase vorn, vor Blog und Twitter, LinkedIn abgeschlagen(67 % 63% 53%), Also: ganz so griffig, wie Du es formuliert hast, ist es nicht. Link: http://bit.ly/ewIlPr
09.03.2011 um 17:14 Uhr
Nun ja, also wie das Layout von Blogs soll es Spezialisten geben!
In jeden Fall ein sehr lesenswerter Artikel, den ich gern an manchen meiner Kunden durchreiche. Bloggen wollen viele, zu Facebook wollen sie alle, Twitter ist ein Muss.
Nur das mit der “sofortigen Belohnung” lässt auf sich warten. Nicht, das man dafür noch jemanden einstellen müsste oder jemanden fragen, der sich damit auskennt …!
Wie den Autor hier.
09.03.2011 um 17:26 Uhr
Als Kunde nehme ich ein Firmenblog – so es denn interessant geführt wird, also nicht als unpersönliches Pressemitteilungsgrab verschleudert wird – bewusster und wohlwollender war, als Facebook-Seiten. Twitter nutze ich gerne als Signalgeber für neue Blogeinträge. Tatsächlich blende ich Werbeaktionen auf FB eher aus, weil informativ zu dünnwandig.
09.03.2011 um 17:35 Uhr
Ich stell mal ne dumme Frage:
wenn ihr was googelt (von mir aus ne Marke oder eher ein Produkt)
a) kommen da Facebookpages?
b) Klickt ihr dort oder auf Reviews etc.?
09.03.2011 um 18:25 Uhr
@Herbert guter Hinweis, ich finde jedoch für D (und auch Europa) diese Angaben für unseren Markt interessanter denn eine US Studie: http://bit.ly/hdq8A1. Spannend ist eine Studie der am schnellsten wachsenden Unternehmen, in dem Fall eine US Studie http://bit.ly/eSJ3BN leider keine für D gefunden. Die Zahlen deuten darauf hin, dass in D Unternehmen eindeutig FB/Twitter vor Blogs bevorzugen. Aber, ich glaube, eines Tages ist auch das vorbei, dass bestimmte Kanäle einen hohen Überhang aufzeigen
09.03.2011 um 20:04 Uhr
@Robert, ja die Zahlen kenne ich auch. Wird in D so ähnlich sein. Habe mich da auch missverständlich ausgedrückt. *Wollen* wollen alle [na ja viele ;) ] auf Facebook und Twitter. Die Gründe, warum das so reizvoll ist, hast Du ja wirklich vortrefflich beschrieben. (Alle Berater wollen das auch.) Das ist der *emotionale* Aspekt, der ja auch bei *Social Media als Belohnungssystem* prima bedient wird. Ohne, dass wir uns jetzt Studien um die Ohren hauen, nur soviel: »Harvard Business Review Analytics Services« hat 2010 weltweit befragt (2.100 Unternehmen). Danach waren die wichtigsten Gründe der Unternehmen für Social Media
1. Das Unternehmen bekannt machen.
2. Das Corporate Blog bekannt machen bzw. dort mehr Traffic generieren.
Und weiter:
Dreiviertel (75 Prozent) der Unternehmen geben an, nicht zu wissen, wo ihre wichtigsten Kunden Informationen über das Unternehmen austauschen.
Fast ein Drittel (31 Prozent) messen nicht die Wirksamkeit der sozialen Medien.
Weniger als ein Viertel (23 Prozent) setzen überhaupt Analysetools für soziale Medien ein.
Nur ein kleiner Teil (7 Prozent) der befragten Unternehmen ist in der Lage, die sozialen Medien in die Marketingaktivitäten zu integrieren.
Pepper kommt in einer Befragung für D (allerdings mit sehr kleiner Stichprobe) zu ähnlichen Ergebnissen.
Und jetzt bin ich bei dem, was ich eigentlich ausdrücken möchte. Nicht das *Wollen* oder auch das *Tun* liegt der Aussage im vorhergehenden Kommentar zu Grunde, sondern die Frage: Wo mache ich Umsatz bzw. wo gewinne ich neue Kunden. Puh, lang geworden. [edit] … Die Studie ist hier verlinkt http://bit.ly/gxDqKd
10.03.2011 um 05:47 Uhr
Das Problem für Firmen besteht darin, dass sie Kommentare zulassen müssen. Ein Blog ohne Kommentarfunktion (siehe BILDblog) ist hirnrissig zum Quadrat und wirft ein schlechtes Licht auf den Veranstalter. Im Falle Vodafone wurde deren Blog zum GAU, als Frau Schnutinger ohne Sinn und Verstand versuchte, ihr fragwürdiges Verhalten schön zu reden. Aber da kannste ja aus dem Nähkästchen plaudern, Robert. Warum durftest du eigentlich nichts sagen im Clip? Gepasst hätte „dobar i lud, dva brata“ = „der Gutmütige* und der Dumme**, zwei Brüder.“ :-D
*du; **Lobo