Wir beobachten seit Jahren die deutsche Unternehmenslandschaft und wie schwer sie es sich mit der publizistischen Formatidee eines Blogs tut. Obgleich links und rechts der Druck aus dem Internet kontinuierlich anschwillt, mehr als nur eine bloße Homepage abzuliefern. Homepages sind mittlerweile Standard, sie gehören ebenso zum Repertoire wie Fax, Telefon und Mail, aber auch Visitenkarten und Prospekte jeglicher Art.

Angesichts der Zunahme der – ich nenne es so – Bedeutung der „sharing web economy“ stellt sich für immer mehr Unternehmen die Frage, wie sie denn vom Mit/Teilen von Inhalten profitieren können. Die Homepage alleine ist ein leidlich schlechter Aufhänger, um User in Twitter, Blogs, Social Networks und anderen Webformaten zum Liken, Sharen, Linken zu bewegen.

Was ist die Antwort der Unternehmen auf den Wandel im Internet? Man geht zunehmend dahin, wo sich die User im Moment gerne aufhalten. Es kommen immer mehr Unternehmen hinzu, die einen oder gleich mehrere Twitter-Kanäle starten, mindestens eine Facebook Page lancieren, angefangen von reinen Präsenz- bis hin zu Abverkaufsfunktionen.

So stellt sich die Frage, wozu man überhaupt noch ein Blog benötigt, wenn es doch so schwer ist, überhaupt User zu fischen, die das Blog lesen wollen? Wozu ein Blog, wenn man doch gleich in ein Webformat mit einsteigen kann, wo sich Millionen von Usern tummeln und Inhalte teilen? Diese Gedanken habe ich bereits im Artikel „Einfache Erklärungen: Warum facebooken und twittern“ präzisiert, worin der Charme der Seiten Twitter und Facebook liegt. Und es schließt sich der Gedanke an, warum man eine Blog-Präsenz aufbauen soll, wenn man doch schon eine Präsenz auf Twitter und Facebook allein aufgebaut hat? Ist es nicht egal, wo die Kontaktfläche aufgebaut wird? Dann doch lieber den einfachen Weg gehen. Schließen wir vorläufig die Fortführung dieser Gedanken inklusive der aktuellen Kommunikationstrends ab und kommen zur eigentlich Frage, warum sich Unternehmen mit Blogs schwer tun.

Unternehmen werden gerne als ein homogenes Gebilde wahrgenommen. Von außen. Das mag sein, doch ist das ein Trugschluss. Und zugleich der wesentlichste Faktor, warum Neues wie Blogs innerbetrieblich nur mit größten Anstrengungen voranzubringen sind. Stellen wir uns lieber ein Unternehmen als ein Gemenge aus agierenden Personen mit unterschiedlichen Aufgabengebieten, Entscheidungsverantwortlichkeiten, Organisatoriken und Kulturen vor. Das Personal wird in Geschäftsbereiche aufgeteilt und in Abteilungen untergebracht. Temporäre Aufgaben werden oftmals in Projektgebilden realisiert. Merken wir uns nur eins: Es ist komplex. Komplextität zieht Probleme nach sich. Erzeugt langwierige Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse.

Schmeißen wir in das bestehende Unternehmensgefüge eine Blog-Bombe hinein und infizieren einen Mitarbeiter aus der IT mit der Idee, unbedingt ein Blog für das Unternehmen starten zu wollen. Der Mitarbeiter geht zu seinem Chef, der für die innerbetriebliche Abteilung „EDV Support“ zuständig ist. 80 Mitarbeiter, Budget 8 Mio Euro pro Jahr. Der Chef hört sich die krude Idee an, will aber nicht gleich abwinken, da er seinen Mitarbeiter nicht demotivieren will. Also sagt er ihm, dass er die Idee ausarbeiten möge. Der Mitarbeiter macht sich dran und versucht so gut es geht, seinem Drang nachzukommen, die Firma mit einem Blog zu beglücken. Er präsentiert nach vier Wochen dem Chef das Ergebnis. Der Boss geht mit dem Mitarbeiter die Punkte einzeln durch. Nach einer Stunde kommen beide zu folgenden Ergebnis: Die Idee klingt irgendwie charmant, doch muss man im nächsten Schritt weitere Abteilungen aufgrund ihrer Zuständigkeiten informieren. Die da wären?

Die PR-Abteilung des Geschäftsbereichs Software. Einem von drei Bereichen (+Hardware, +Consulting), die jeweils in Privat- und Geschäftskunden unterteilt sind. Dazu Human Ressources, Rechtsabteilung und Betriebsrat, um personalrechtliche Fragen zu klären. Ebenso muss man mit Compliance sprechen. Zusätzlich mit dem Produktmanagement, jeweils Geschäftskunden und Privatkunden. Der Geschäftsbereich Consulting ist leider auch ins Boot zu holen, da nur diese neue Konzepte einleiten können. Es kommen noch sechs weitere Abteilungen hinzu. Am Ende hat man rund 40 Personen zu informieren. Die Geschäftsleitung ist da noch außen vor, bevor man an sie herantritt. Was passiert nun, wenn Personaler, Juristen, Betriebsräte, Marketiers, Consulter, ITler, Controller, Entscheider und Non-Entscheider zusammenkommen? Wir wissen, dass viele Köche den Brei verderben. Jeder hat einzelne Interessen im Sinne der Abteilung und der Person selbst. Jeder hat andere Vorstellungen, unterschiedliche Risikogefüge, Entscheidungsbefugnisse. Und nichts ist heiliger als Zuständigkeiten und Budgets. Wer ist für was zuständig? Hinzu kommt, dass eine Arbeitsstunde im Schnitt sagen wir mal 50 Euro kostet. Summiert man diese auf, hält man das einem ungewissen Ergebnis durch die Bloggerei entgegen, bekommt man schnell graue Haare. Zudem, wer einmal etablierte Pfade verlässt, wird viel Spaß innerbetrieblich haben, Neues in die Orga dranzuflanschen.

So kann die bloße Idee „lasst uns Bloggen“ in einer Mammutaufgabe münden, auf dem Weg dahin werden Entscheidungsgrundlagen je nach Befugnislage förmlich atomatisiert und müssen dennoch zu einem ein Gesamtergebnis führen. Nun nochmals die Frage: Wir schmeißen eine Blog-Bombe in den Laden und ein kleiner Mitarbeiter möchte. Möchte etwas machen. Das Möchte mutiert ganz schnell in „lieber nicht“. Ist klar, oder?

Es ist ein Wunder, dass Unternehmen überhaupt bloggen. Es ist ein Wunder, dass Unternehmen aufgrund der Komplexität ihrer gesamten Organisatorik und Arbeitsteilung überhaupt etwas Neues auf den Weg bringen können. Doch sie tun es. Es geht. Nur ist es mühsam und langwierig. Wer in diesem Gefüge kein Gespür für Politik und Befindlichkeiten hat, geht mit der banal anmutenden Idee „lasst uns bloggen“ grandios unter. Und wenn doch mal ein Blog herauskommt, so muss man sich als Außenstehender nicht wundern, wenn es sich merkwürdig „lahm“ anfühlt. Auch das ist kein Wunder. Das Blogprojekt ist ein einziger Kompromiss aus hunderten von Entscheidungen und Sitzungen auf dem Weg zur Realisierung.

Blogger da draußen mögen sich wundern, warum Firmenblogs so schwierig sein sollen. Wenn aber Blogger versuchen, mit anderen etwas zusammen aufzuziehen, scheitern sie nicht selten. Wo sie scheitern, an so „einfachen“ Gruppenblog-Ideen, wie sollen dann Firmen mit weitaus starreren und komplexeren Strukturen „einfach so“ bloggen?