Ford hat seine jüngsten Quartalsdaten bekanntgegeben und einen drastischen Schritt für den nordamerikanischen Markt verkündet. Sämtliche Modelle unterhalb der Light Trucks und Van-Linien werden in Zukunft aus dem Verkaufsprogramm genommen. Was heißt das konkret? Mit zwei Ausnahmen (Mustang und ein weiteres, kommendes Kompaktauto) werden die PKW-Linien nicht mehr weiter entwickelt. Für den US-Markt wohlgemerkt. Es handelt sich spezifisch um die Modelle Fiesta, Fusion und Taurus. Ford begründet das mit zwei Fakten: Erstens verkaufen sie zu 77% Modelle aus den Segmenten Light Truck (Ford 150 – siehe Titelbild – ist seit Jahrzehnten des meistverkaufte Modell vor allen anderen Modellen auf dem US Automarkt) und Vans. In Zahlen für den USA-Marktr allein: 1,98 Mio Light Trucks + Vans und 0,58 Mio PKWs. Zweitens verdienen sie mit den PKW-Modellen nicht genügend Geld, was das Kernproblem ist.

Insgesamt will Ford in den nächsten Jahren mit dieser und weiteren Maßnahmen 25,5 Mrd. USD einsparen! Um auf eine Nettomarge von 8% zu kommen. Der nicht unumstrittene Ford-Chef Jim Hackett betonte während einer Telefonkonferenz mit Investoren:

We’re going to feed the healthy parts of our business and deal decisively with the parts that destroy value.

Der Finanzchef Bod Shanks geht einen Schritt weiter laut Automotive News.com:

Shanks suggested that Ford could reduce investment in certain geographic regions or exit them completely if it did not see adequate returns on the horizon. That echoes the strategy General Motors has employed in selling its European business and abandoning several other countries, including Russia.

“Everything will be on the table,” Shanks said. “We can make different investments; we can partner; we can exit products, markets. And we will do that.“

Betrachtet man die Quartalsdaten Q1/2018, sieht man Fords Problem überdeutlich, was die anderen Märkte angeht: In USA wird das Geld verdient, auf allen anderen Märkten kommen nur negative Margen herum oder man verdient knapp über 0 in Europa. Was weit entfernt von der Zielvorgabe 8% ist (Ebit-Margin). 48% aller Einheiten werden zudem in Nordamerika verkauft.

Ford Finanzdaten Quartal 1 - 2018

 

Was heißt das für die Deutschland-Werke von Ford?

Ich habe keinen Schimmer! In Deutschland arbeiten über 50.000 Angestellte für Ford. Nicht nur am Band, sondern auch in den Entwicklungsbereichen und natürlich de Hauptverwaltung in Köln. Ob es dazu kommt, dass sich Ford wie auch GM von Europa löst, kann niemand sagen. Wie schaut es denn im Vergleich zu den Marktregionen aus? In Deutschland kam Ford auf 277.000 Einheiten ann0 2017. Im gleichen Jahr wurden 1,58 Mio Einheiten von Ford in ganz Europa abgesetzt. In Nordamerika waren es 2,57 Mio. In China 1,22 Mio. Insgesamt waren es 2017 rund um den Globus 6,67 Mio. Einheiten (Quelle Geschäftsbericht 2017).

Wenn man rein nach Volumina gehen würde, dann wird Ford mit Sicherheit China als den größten Automarkt der Welt nicht von der Angel lassen. Die zudem einen großen Bedarf an Pickups und Vans haben. Auch das Volumen in Europa spricht für sich. Doch die Marge will nicht passen. Zieht Ford in Europa wirklich den Stöpsel? Pickups und Vans sind in Europa weitab davon entfernt, Volumen zu generieren. Insgesamt kommt Ford auf 61 Werke. Die Hälfte in Nordamerika inkl. Mexico. In Europa kommen 16 Werke dazu. In Südamerika 8. In Asien stehen lediglich 4 Werke.

Was steht Ableitbares dazu im Geschäftsbericht 2017?
Vehicle Profitability. Our financial results depend on the profitability of the vehicles we sell, which may vary significantly by vehicle line. In general, larger vehicles tend to command higher prices and be more profitable than smaller vehicles, both across and within vehicle segments. For example, in North America, our larger, more profitable vehicles had an average contribution margin that was about 135% of our total average contribution margin across all vehicles, whereas our smaller vehicles had significantly lower contribution margins. In addition, government regulations aimed at reducing emissions and increasing fuel efficiency may increase the cost of vehicles by more than the perceived benefit to the consumer. Given the backdrop of excess capacity, these regulations could dampen contribution margins.

Excess Capacity. According to IHS Automotive, an automotive research firm, the estimated automotive industry global production capacity for light vehicles of about 130 million units exceeded global production by about 35 million units in 2017. In North America and Europe, two regions where a significant share of industry revenue is earned, excess capacity as a percent of production was an estimated 17% and 20%, respectively, in 2017. In China, the auto industry also witnessed excess capacity at 57% of production in 2017, as manufacturers compete to capitalize on China’s future market potential. According to production capacity data projected by IHS Automotive, global excess capacity conditions could continue for several years at an average of about 40 million units per year during the period from 2018 to 2023.

Pricing Pressure. Excess capacity, coupled with a proliferation of new products being introduced in key segments, will keep pressure on manufacturers’ ability to increase prices. In North America, the industry restructuring of the past few years has allowed manufacturers to better match production with demand, although Japanese and Korean manufacturers also have capacity located outside of the region directed to North America. In the future, Chinese and Indian manufacturers are expected to enter U.S. and European markets, further intensifying competition. Over the long term, intense competition and excess capacity will continue to put downward pressure on inflation-adjusted prices for similarlycontented vehicles in the United States and contribute to a challenging pricing environment for the automotive industry. In Europe, the excess capacity situation was exacerbated by weakening demand and the lack of reductions in existing capacity, such that negative pricing pressure is expected to continue for the foreseeable future.

Und nun?

Nimmt man diese drei Faktoren zusammen, könnte man daraus ableiten, dass Ford einen intensiven Preiskampf für PKW-Modelle sieht. Der deutlich zunehmen wird. Was bei extremer Auslegung das Aus für Ford Deutschland bedeuten würde. Ich würde es den Mitarbeiter nicht wünschen. Und bisher waren meine persönlichen Erfahrungen mit Ford immer sehr geerdet und sehr positiv. Vernünftige Menschen, die vernünftige und bezahlbare Autos zu fairen Preisen anbieten.

Was noch dazukommt und mögliche Entscheidungskriterien verändert? Die Elektrifizierung allein wird an dem Gefüge zunächst nichts ändern. Natürlich hat Ford E-Autos im Visier und versprochen, diese ab 2020 auf den Markt zu bringen. Auf dem US-Markt werden es Plugin-Hybride und evtl. vollelektrische Vans/Pickups sein. Wie sich die Stückzahlen und Preise verhalten, darf hinterfragt werden. Da Ford in einem sehr preissensitiven Gefüge unterwegs ist. Aber? Die Zukunft der Mobilitässervices verspricht deutlich höhere Margen. Genau dahin möchte Ford auch hinkommen. Selbstverständlich reden wir von autonomen Fahrzeugflotten. Ebenso spurtet die gesamte Autoindustrie mitsamt Giganten aus anderen Branchen in diese Richtung. Ein Spaß wird das nicht. Nur noch härter.

Ford hat eine lange Geschichte hinter sich. Angefangen mit Henry Ford und dem berühmten T-Modell. Die Beinahepleite in der Finanzkrise konnte nur durch das Geschick des exzellenten Ex-Chefs Alan Mulally abgewandt werden, der 2006 bei Ford das Steuer übernahm. Der zuvor bereits bei Boeing ordentlich aufgeräumt hatte. Nach seinem Ausscheiden bei Ford anno 2014 schrieb Bloomberg später über sein Wirkenone of the greatest comebacks in American business history„. Ich selbst hatte zweimal das Vergnügen mit ihm und war selten so sehr von einem CEO eines großen Konzern überzeugt. Kein Laberer, kein typisches Schischi-Machtgehabe, laserscharf auf den Punkt gebrachte Aussagen ohne Drumherum noch Ausweichen, plus er wirkte menschlich und kumpelhaft nahbar dabei. Der dir sogar das Gefühl vermitteln konnte, das nicht einfach irgendeine Nummer im Terminkalender für ihn bist. Doch auch diese Zeit ist vorbei. Der legendäre Chef ist im Ruhestand. Natürlich sind die Neuen keine Blödheinis. Klar gibt es noch Altgediente an Bord, so wie den damaligen Marketingboss Farley, den ich 2010 auf einer Messe zum neumodischen Social Media Umfeld interviewen konnte. Er war nicht auf den Kopf gefallen, die damaligen Wechselzeichen der Zeit im Kommunikationsumfeld zu erkennen. Es zeigt sich „lediglich“, wie unerbittlich der Wettbewerb im Automobilsektor ist, speziell dann, wenn sich Faktoren verändern.

Was soll ich jetzt sagen? Ich pflege ja immer das „dont panic“ zu benutzen. Fällt mir schwer hierbei. Und ich vermute, ich rede nur Unsinn. Schön wäre es.