Politiker mochte ich an sich seltenst, meistens gar nie. Das Grundproblem: Statt Miteinander Gegeneinander, bis zum Erbrechen. Das zwanghafte Suchen in der Öffentlichkeit nach einer Gegenposition. Das manische Herummäkeln an Konzepten der Anderen. Es liegt wohl weniger an meinem zunehmenden Alter – wo sich alles verfestigt – , denn an meiner Grundeinstellung, ein eher kooperativer Mensch zu sein. Und an meiner Haltung, sich von Schubladen und Farben fern zu halten. Wenn ich A bin, muss ich nicht B abgrenzen und kritisieren. Und das schon gar nicht laut. Zugleich kann ich ohne Weiteres auch B sein, A nicht mehr. So verstehe und empfinde ich Politik bis heute als Abgrenzung und Ausgrenzung, Mangel an Kooperation, Mäkelei und ziemlich assiger Laustärke in der Meinungsbekundung. Summa summarum? Mir waren seit jeher Ansammlungen von Menschen suspekt, die anderen ihre gesellschaftlichen Konzepte aufdrängen wollen.
Ähnliches finde ich im Netz wieder. Wer für Jugendschutz ist, der wird abgestempelt. Wer für Atomkraft ist, der muss ein Idiot sein. Wer für Netzkontrollen ist, der ist Stasi. Das kann man wunderbar auf Twitter, Facebook und in Blogs beobachten. Die Lautstärke und Art der Meinungsbekundung mutet doch sehr intensiv an. Das Schlimme dabei: Es erfolgt in Gruppen, als gäbe es ständig wechselnde Affengruppen, die sich bei neuen Themen zusammenrotten, um den anderen Affenhorden den Garaus zu machen. Man wird nicht mit einem Schreihals zu tun haben, man bekommt die ganze Horde ins Haus. Ich kann die Daniel Cohn-Bendits, Franz Josef Strausses und Joschka Fischers im Netz gar nicht mehr zählen. Als ob man in feindliche statt freundlich gesinnte Gefilde eintaucht, sobald man sich politisch im Netz umschaut und gar zu Wort meldet. Das ist keine Einladung zum Gespräch und Gedankenaustausch, sondern eine Schießbefehl-Party, was wir im Netz beobachten können.
User, die sich einfach nur ein Bild machen wollen, hinterfragen, sachlich bleiben, alle Seiten ausgewogen betrachten, um dann erst zu einem vagen Schluss zu kommen, werden von diesen Gorilla artigen Silberrücken-Gebahren abgeschreckt. So ist es auch kein Wunder, dass viele gar keinen Bock haben, sich aktiv zu Wort zu melden. Mit zu diskutieren, offen für alle Seiten mit denken, alle Seiten des Würfels betrachten. Oder gar eine Position zu beziehen, die anderen nicht passt? Ach du liebe Güte, das ist dann Schießbefehl pur. Eine politische Diskussion im Netz beginnt man einmal und beendet sie für immer. Das ist mein Eindruck aus zahlreichen, persönlichen Gesprächen. Sie haben keine Lust auf eine Konfrontation mit Meinungsnazis und Affengruppen. Man hält die Klappe.
Ist es dann ein Wunder, wenn sich auch auf der re:publica und an vielen anderen Stellen Gedanken gemacht wird, wie man denn digitale Themen in die Gesellschaft in der Breite transportieren kann? Das Grundproblem ist jedoch gar nicht so sehr der Transport, sondern die Fragestellung, ob denn die Internetnutzer Bock haben, überhaupt hinzuhören? Politisch motivierte Heilsbotschaften muten wie oben beschrieben in der Gesamtheit schlimmer als Popups an. Aufdringlicher und lauter als Werbung. Man ignoriert sie lieber. Sie nerven.
So lange herumkrakelt, gebasht, abgegrenzt und ausgegrenzt wird, statt offen mit den politisch relevanten Netzthemen auf zivile und ruhige Art umzugehen, Respekt vor der anderen Meinung zu zeigen, wird es nix mit dem politischen Transport in der Breite.
18.04.2011 um 14:23 Uhr
Das ist meiner Einschätzung nach weder ein Politik- noch ein Internet-Problem. Wenn wir es nicht menschlich nennen wollen, dann vielleicht ein gesellschaftliches Problem.
Die Bereitschaft, sich auf die Argumente anderer einzulassen und dabei die eigene Position für einen Moment zu hinterfragen, ist generell nicht weit ausgeprägt. Vielleicht liegt das auch daran, dass es nicht oft genug belohnt wird.
Eine breite Basis an Unterstützern sammelt man nicht durch schlaue Argumente, sondern auf der emotionalen Ebene.
18.04.2011 um 14:26 Uhr
Robert, Du sprichst mir mal wieder aus der Seele.
Wie oft überlege ich mir, etwas zu Politik zu schreiben, doch der Hass, der einem bei manchen gegenteiligen Meinungen aus dem Netz entgegenschlägt und sich hochschaukelt, hält mich meist davon ab. Es ist nicht die Angst, etwas zu sagen, es ist dann der zeitfressende Faktor, die Trolle zu besänftigen, der mich innehalten läßt.
Es fängt schon damit an, dass ich eine differenzierte Meinung zu „grün“ habe. Ich habe seit meinem Umzug nach Hamburg vor knapp 4 Jahren Ökostrom in meinem Haushalt, ich trenne Müll und achte auch sonst auf geringen Strom- und Wasserverbrauch, so zahle ich z.B. 9 Euro Wassergebühr pro Monat für 52 qm Wohnung.
Doch kommt es zu Themen wie Atomkraft, dann bin ich nicht absolut kontra – und das kreidet mir man an. Also halte ich lieber die Klappe.
Ich hab Chemie studiert. Hab ein Vordiplom in Physik sowie diplomierte und promovierte Physiker im Freundeskreis und keiner schiebt da solch eine Panik, die im Internet geschoben wird. Und warum? Weil wir Faktenwissen haben und uns nicht vom Medienhype anstecken lassen – und gleich kommt der Gegenwind. Kann ihn schon spüren. Ich sag nicht, dass ich pro Atomkraft bin. Tchernobyl und Japan sind Katastrophen, die absolut untragbar sind und ich bedauere die Schäden zutiefst.
Trotzdem wäre ohne Atomkraft in den letzten 30 Jahren die steigende Nachfrage nach Energie nicht gesichert werden können. Es wurden Fehler begangen, nicht schon vorher regenerative Energien zu fördern, etc. pp.
Egal, das ist meine Meinung und darauf habe ich ein Recht wie jeder andere auch. Respekt vor der Meinung anderer fehlt aber häufig im Web. Immer öfters schlägt eher eine Null-Toleranz-Welle durch alle Kanäle. Mit „social“ hat das leider nichts zu tun.
18.04.2011 um 14:39 Uhr
Hallo Robert,
ich kann mich Romy nur anschließen. Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Zumindest in der beschränkten Weltsicht der Menschen. Das ist nicht nur auf das Netz beschränkt. Hier darf nur jeder ein Blog betreiben, seinen Silberrücken bei Twitter reinhalten, oder sich via Facebook und Co im Peergroup-Internen Egofick sonnen.
Aber hey – dabei sind sie doch alle tolerant und kollaborativ. Sagen sie zumindest.
Atomkraft bei Romy ist ein gutes Stichwort. Klar, es darf jeder dagegen sein – aber dieser quasireligiöse Zug, der da die Runde macht nervt schon gewaltig. Manchmal fühlt man sich, als ein Mensch, der eine Gegenposition einnimmt, wie auf dem digitalen Scheiterhaufen, umgeben vom Facebook- und Twitter-Lynchmob.
Tja – ich hab mir dafür aber die passende Taktik angewöhnt: PopCorn schnappen, zurücklehnen und mich als Misanthrop wohlfühlen. Dabei bin ich eigentlich gar kein Menschnfein – ich mag nur keine unreflektierte, intelligenzbefreite Zone.
Ein Mensch, der sich seine Meinung gebildet hat, ohne dabei das Halbwissen aller anderen nachzuquatschen, der bereit ist, auch die Gegenposition in Betracht zu ziehen (und gerne zu verwerfen) ist mir da selten untergekommen. Aber solch einen Menschen (egal ob digital oder analog) kann ich ernst nehmen. Ein Mensch, der hart für seine (erlernte und durch Eigenbildung erworbene) Position streitet und mich für meine mit guten Argumenten angeht, der sei mir willkommen.
Doch leider gibt es solche Menschen in der digitalen Welt, in der Schein vor Sein steht viel zu selten. Hier gibt es eine tumbe Masse. Und es haben genug psychologische Experimente seit dem 19ten Jahrhundert bewiesen, dass der Mythos „Intelligenz der Masse“, zumindest auf die darin befindlichen Individuen bezogen, ein Mythos geblieben ist.
Auch wenn der Schwarm vielleicht statistisch zu guten Näherungswerten kommt, so ist das Individuum durch den Verbleib in der Masse (zumindest statistisch) weniger intelligent und reflektiert.
Ich freu mich auch jetzt schon auf diejenigen, die Dich, Romy oder Oliver mit virtuellen Knüppeln angehen.
Ich biete Popcorn, wer bringt Cola?
18.04.2011 um 14:40 Uhr
Danke, Robert, in großen Teilen kann ich das so unterschreiben.
Schade, dass Contra-Sein immer einfacher ist, als eigene Konzepte vorzulegen. Dass politische Meinungsäußerung in den meisten Fällen ein Ablehnen, nicht einen Konsens zum Ziel hat.
Und ebenso schade, dass die identischen Mechanismen off- und online ablaufen. Nur, weil wir uns in manchen Kanälen ach so nett Duzen, deklassieren wir uns dennoch parallel durch laienhaftetes Meinungs-, Wissens- und Diskursverkürzen. Ein Thema? Ich habe eine Meinung!
18.04.2011 um 14:44 Uhr
Das ist tatsächlich eher ein Problem der Gesellschaft als der Medien – wenn man auch nun über die neuen Kommunikationstechnologien verfügt, sind die gesellschaftliche Zusammenhänge, Vorstellungen und Handlungsweisen doch durch die alt gewährte Konventionen bedingt. Nur online kann man das besser verfolgen, da alles protokolliert wird.
Ich bin mir fast sicher – Gruppenzwang (oder nennt man das Gruppendynamik?) ist auch online ein immer aktuelles Thema – so entstehen diese Gruppierungen, die unter lauter Schwarz-Weiss keine Graustufen (geschweige denn Farben) unterscheiden können. Das rechthaberische Gehabe kann man aber leider niemandem abbringen, auch wenn das die Diskussionen nicht unbedingt konstruktiv vorantreibt… Und am lautesten plädieren die Leute für die Freiheit der eigenen Meinung, die selbstverliebt nichts ausser eigener Meinung akzeptieren können. Den bei solchen Meinungstyrannen geht es eigentlich nicht um ihre Meinung, sondern um ihre Egos.
18.04.2011 um 14:46 Uhr
Hach Robert, du sprichst mir aus dem Herzen… ;)
18.04.2011 um 14:46 Uhr
Ich stimme Romy zu, das Beschriebene ist kein Problem des Netzes sondern ein generell menschliches. Beispiele gibt es viele und es fängt auch schon im ganz kleinen an… Oder hast Du schon mal einen unter 10jährigen Jungen gesehen, der freiwillig erklären würde, dass ihm rosa schuhe gefallen? Oder: Wie viele Menschen kennst Du, die sich entgegen der Massenmode kleiden?
Was nun Deine Frage danach ob Internetnutzer überhaupt Bock haben hinzuhören angeht, so kann man das auch als Auftrag an den Sender verstehen, Inhalte relevant und interessant zu vermitteln und ganz allgemein die nötige Seriösität zu entwickeln, die zur Vertrauenswürdigkeit dazu gehört.
18.04.2011 um 14:54 Uhr
@Robert: sehr schön geschrieben. Ich stimme Oliver auch zu, dass es eher ein menschliches Problem ist, wenngleich es in Politik und Internet sehr markant zum Vorschein kommt.
Wenn man einmal davaon ausgeht, dass doch alle Parteien das Beste für uns als Bürger möchten und eigentlich unsere und nicht ihre Interessen vertreten, sollte doch eine gemeinsame Zusammenarbeit problemlos möglich sein. Aber nein, in jeder Talkshow, bei jedem Interview etc wird erstmal schon gegen den anderen gewettert. Viele der grossen und wichtigen Probleme sind doch bekannt – warum geht man diese nicht gemeinsam – unabhängig von Partei, Fraktion, Regierung oder Opposition – an und versucht einmal diesem Land und seinen Bewohnern etwas Gutes zu tun, statt sich gegenseitig an der Umsetzung von teilweise recht guten Ideen zu hindern?!
@Romy: Ich persönlich halte es für falsch, sich von „den Trollen“ an der Äussererung seiner Meinung hindern zu lassen. Sag was Du denkst bzw. schreib es. Es wird immer Leute geben denen man es nicht recht machen kann oder dies immer etwas drauf sagen müssen. Na und? Respektlose Kommentare musst Du ja nicht freischalten und erst recht nicht beantworten. Solche Leute disqualifizieren sich letztlich selbst. Du hast das Recht auf Deine Meinung und Sichtweise – und auch das Recht diese öffentlich zu schreiben! :)
Und andere Meinungen müssen per se nicht schlecht sein sondern können einen selbst auf ganz neue, andere Ansätze und Blickwinkel bringen.
18.04.2011 um 15:14 Uhr
Hi Robert,
prinzipiell bin ich bei Dir, allerdings glaube ich nicht, dass es sich um ein Internet-spezifisches Problem handelt. Sobald Du dich einmal heraus aus deinem eigenen politischen Umfeld bewegst, wird eine Diskussion zu eben jenen Themen eben leider oftmals ideologisch, parteibuchgetreu und undifferenziert geführt. Plus, gerade hierzulande ist Nörgeln & Meckern ja ohnehin viel populärer als konstruktives Zusammenarbeiten.
Aber ich glaube schon dass wir online die Diskussionskultur mit ein paar simplen Maßnahmen verbessern können. Erstens braucht es gerade an Orten mit politischer Diskussion eine sehr gute Moderation, die nachgerade nicht nur aufs Löschen von unliebsamen Kommentaren setzt, sondern auf aktives „Community Management“, das mit Hinweisen, Anregungen, Verwarnungen, etc. arbeitet. Ist natürlich aufwändiger als das Löschen / nicht Freischalten von Kommentaren, aber funktioniert im Ergebnis besser. Dazu sollte man mit klaren Guidelines arbeiten und diese mit seiner Community weiterentwickeln.
Klar kommen wir so den üblichen Trollen nicht bei, aber seit Saschas Vortrag wissen wir ja ohnehin, dass Trolle was gutes sind ^^
Was ebenfalls nicht schaden kann, ist der Zwang zum Klarnamen. Ich verstehe, dass hier viele Menschen skeptisch sind und eine politische Meinungsäußerung im Zweifel auch möglich sein muss, ohne seinen Namen zu nennen. Allerdings kann dies ja jeder Nutzer auf seinen eigenen Plattformen gerne machen. Doch wenn ich ein eigenes Blog / Forum / Network / Wiki oder was auch immer zum Thema aufbauen wollen würde, auf dem ich eine inhaltliche und evtl. sogar konstruktive Diskussion anzetteln wollte, würde ich auf jeden Fall den Zwang zum Klarnamen einführen. Ich hätte auch noch keinen Politiker oder NGO-Vertreter erlebt, der eine Maske anzieht beim Auftritt (in Deutschland; dank Meinungsfreiheit und so). Das kenne ich nur von Sido (früher).
Übrigens habe ich mich auf mit der ganzen Thematik in einem Beitrag (http://bit.ly/hmlUtn) befasst. Ich denke das nächste grundlegende Problem neben der Diskussionskultur ist auch die (mangelnde) Themenbreite ist, für die „das Internet“ in den Augen vieler Politiker & Journalisten steht.
Viele Grüße,
Thomas
18.04.2011 um 16:21 Uhr
Knackig formuliert und wohl bei einigen – wie auch bei mir selbst auch – ein diffusses und stärker werdendes Gefühl auf den Punkt gebracht. Ich habe vom #digiges Schlagabtausch gestern so einen richtigen „Social-Media-Kater“ davongetragen.
… und beim Verfolgen immer mehr gemerkt, wie sprach- und twitterloser ich selbst werde… und am Schluss nur noch gedacht, hm, von mir geschätzte Personen „kämpfen“ an verschiedenen Fronten. Gibt man seinen kleinen Obolus dann doch noch zum Besten, wird die Aussage sofort aus dem eigenen Kontext gerissen und in den (anderen) Kontext des Gegenübers so eingebaut… dass man dafür eine übergebraten bekommt für etwas, das man so gar nicht formuliert zu haben meinte.
Nur was ist ein gangbarer Ausweg aus der (wie o.g.) Dynamik? Andere Vorschläge als mich mit zum Popcorn niederzulassen (der ja gar nicht der schlechteste ist ;) ) gerne genommen… ich hab‘ nämlich Angst, auf Dauer davon richtig fett zu werden ;)
18.04.2011 um 17:58 Uhr
Politik ist die Kunst des Möglichen. Sie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse einzugehen bereit ist, will keine menschliche Politik. Aber wenn jede Menge von Möglichkeiten von vornherein ausgegrenzt werden mit: „Unsere Position ist alternativlos.“ Dann ist es wichtig, dass andere Positionen deutlich herausgestellt werden.
Woher kommt es, dass auch hier über Leute geklagt wird, die es nicht für sinnvoll halten, nach den Erfahrungen von Tschernobyl und Fukshima und dem jahrzehntelang vergeblichen Versuch, sichere Lagerstätten für über hundertausende Jahre strahlenden Müll zu finden, weiter den Sprüchen von „Das Restrisiko ist beherrschbar“ zuzuhören.
Als ob ein Restrisiko nicht dadurch definiert wäre, dass es das ist, was über den „größten anzunehmenden Unfall“, auf den die Anlage vorbereitet ist, hinaus geht?
Wenn gesagt wird „Mehr als hundert Flüchtlinge aus Malta können wir in Deutschland nicht aufnehmen. Die die nach Lampedusa kommen, müssen draußen bleiben“, dann kann ich nicht mehr ruhig das Für und Wider eines solchen Standpunktes abwägen. Ein armes Land wie Liberia kann Hundertausende aufnehmen. Für ein „krisengeschütteltes“ Deutschland aber sollen 101 Flüchtlinge schon einer zuviel sein?
Über 600 Flüchtlinge sind allein in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken, weil Italien sie draußen halten will.
Tut mir leid. Aber so ein „digitaler Quatschkopf“ wie ich würde gern nach Möglichkeiten suchen, wie erreicht werden kann, dass das nicht jahrzehntelang so weiter geht.
Was sollen wir denn tun, wenn Gadhafi die Flüchtlinge, die in sein Land kommen, nicht mehr in Lagern festhält, und sie wie die Tunesier neuerdings ihre Bürger einfach ausreisen lässt?
Mein Name ist Walter Böhme, aber auf meinem Blog stelle ich ihn nicht groß heraus, sondern schreibe ihn nur ins Impressum. Denn ich will weiter gut mit Leuten auskommen, die Atomkraft für sauber und den Tod von Tausenden Flüchtlingen für ein unvermeidbares Restrisiko halten.
In einer politischen Diskussion aber muss ich sagen dürfen, dass das eine Position ist, die ich nicht teile und zu der ich mich nicht bekehren will.
Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht mit Leuten zusammen arbeiten würde, die es anders sehen. Politik lebt vom Kompromiss, aber nicht davon, dass man seine Meinung nur hinter vorgehaltener Hand und in allerlei Wenn und Aber eingewickelt sagen darf.
18.04.2011 um 21:39 Uhr
Gut beobachtet und von Herzen geschrieben, wobei du natürlich mit deiner url-bezeichnung „politische nervnasen“ und deinem rant über rantende ranter im grunde genommen ins gleiche Horn wie „die“ stösst. ;)
Von daher gibt es scheinbar wirklich nur 2 Optionen: Labern oder Klappe halten.
Ach nee – moment – eine dritte gibts dann ja doch noch: Einfach mal machen. Denn es gibt auch noch einige Menschen, die sich still und unaufgeregt ehrenamtlich, unternehmerisch gesellschaftlich engagieren und echt was reissen, egal ob für Ärzte ohne Grenzen, dem THW, dem mittelständigen Familienbetrieb oder dem örtlichen Kindergarten. Ich wünschte es gäbe viel mehr stille Macher als laute(r) Schwätzer. Ach die gibt es ja schon, es hört sie nur selten jemand, weil die anderen immer so laut schreien. ;)
18.04.2011 um 22:14 Uhr
Das ist schon richtig. Trotzdem drängt sich dann irgendwann die Frage auf: Was sind wir denn? Eine Generation von Weicheiern? Wir lächeln mitleidig, wenn die alten 68er über ihre Debatten und Kämpfe schwadronieren. Und selbst ducken wir uns genervt weg, wenn eine Diskussion wie die über die #digiges jetzt gerade einmal eine knappe Woche tobt.
Wer politisch und gesellschaftlich irgendetwas bewegen will, der muss vor allem eines: aus- und durchhalten können. Austeilen. Einstecken. Und zwar ordentlich. Das gehört dazu, und wem das nicht bewusst ist, der ist blauäugig.
Natürlich kann man auch still sein. In seinem Kämmerchen vor sich hin denken. Abwinken. „Genervt sein“ ist ja so viel bequemer als sich einzumischen. Nur: wem hilft das? Wen bringt das voran? Aber bermutlich will har niemand „voran“. Es ist ja im Prinzip alles nett. Man hat sich eingerichtet. Lässt die Stellvertreter ihre Stellvertreter“kriege“ ausfechten und wartet ab, bis man weiß, auf welcher Seite man sich am besten einrichtet, um zu den „Gewinnern“ zu gehören.
Kann man machen. Macht das Leben aber nicht spannender.
19.04.2011 um 05:14 Uhr
Moin in die Runde
Robert das hast du natürlich wie gewohnt fein geschrieben… ABER ;o}
Diskussion lebt bekanntlich von konträrer Meinung, gerade in der Politik ist es eben ja nur möglich ein klares Profil zu zeigen, wenn man eine andere Meinung vertritt als der potenzielle politische „Gegner“. An den Begriffen die in diesem Zusammenhang unsere Sprache ausmachen sieht man doch schon, dass es um Kampf geht. Tatsächlich habe ich die letzten Monate versucht, hier in meiner politischen Arbeit einen anderen Ton hinein zu bekommen. Das Ergebnis, ich werde jetzt nicht nur vom politischen Mitbewerber angegriffen, sondern noch härter von den eigenen Leuten. Nachdem das dann im Zusammenbruch (Hörsturz) endete, habe ich mir angewöhnt, die Schreihälse einfach auszublenden (was auf Grund der Hörsturzfolgen ja auch ziemlich einfach ist im Gespräch ;o) aber auch beim Lesen hier im Netz. Sobald wer zu laut wird, ignoriere ich ihn und konzentriere mich auf diejenigen, die dabei fast übersehen werden. Eine andere Lösung ist mir auch noch nicht eingefallen. Es menschelt halt überall, ein bisschen mehr Gelassenheit und immer mal die berühmte Meile in den Mokassins des anderen gehen, ist zwar nicht immer die mehrheitsfähigste aber sicher die gesündeste Art.
@Romy ja, es ist so ärgerlich, wenn da wer mit Fachkompetenz argumentieren kann, denn sachlich korrekte Argumente sind doch auch zu und zu nervig, kann Schreihals da doch gar nicht gegen an argumentieren, mach gerade in ähnlichem Zusammenhang (Biogas) die gleiche Erfahrung.
19.04.2011 um 08:48 Uhr
mit dem meinungsding ist es so ne sache. gute meinungen entstehen meist im dialog. weil es aber als schwäche gewertet wird [zb zu bestimmten meinungspolitischen themen], keine ausformulierte meinung zu haben, pflegen viele halt meinungen dritter, und geben das für die eigene aus.
viel aufschlussreicher als meinungen, finde ich erfahrungen. -> der erfahrung gehört die zukunft <-
[facebook-kommentar]
19.04.2011 um 09:10 Uhr
Hm. Du weißt ja, dass ich wie du ein Freund des Hinlangens bin. Schade finde ich nur, wenn du im gleichen Atemzug behauptest, du fändest hinlangen doof, in dem zu massiv hinlangst :)
Aber das ist die Kunstfigur des Rants. Dass dafür in den ersten Kommentaren (später wurde es dann ja differenzierter) vor allem Applaus von Leuten kommt, die sich in der Opferrolle offenbar gefallen (fein, auch das ist jetzt mächtig hingelangt) oder an anderen Stellen teilweise (jaja, nicht alle von euch) Leute mit einer Meinung als „Wutbürger“ diffamieren oder gar fein rechtsaußen als „Gutmenschen“ beschimpfen, macht mich nachdenklich.
Das Problem, das ich sehe ich dies: Ohne apodiktische Äußerungen, die die Unterschiede überspitzen, können sich Positionen, die dann abgeschliffen irgendwann zur Wahl gestellt werden können, nicht rausbilden. Das war ja auch mal historisch die Funktion von „Flügeln“ in Parteien beispielsweise: dass sich Positionen miteinander (auch hart) diskutierend auf ihre Tragfähigkeit abklopfen lassen.
Politik muss keinem Spaß machen. Was ich aber wirklich (und das meine ich so hart) bedenklich und gefährlich finde, ist, diejenigen, die stellvertretend, weil sie beispielsweise Spaß an dieser Form von Meinungsbildung haben (und nichts anderes sind diese von dir so verachteten Diskussionen – ich bin noch nie aus einer Diskussion, in die ich mit einer massiven Meinung reingegangen bin, rausgekommen, ohne dass meine Meinung/Haltung sich nicht mindestens leicht geändert hätte), den Streit um den richtigen Weg in Sach- oder Grundsatzfragen führen, pauschal als Nervnasen zu beschimpfen.
Ich selbst bin politisch lange nicht so aktiv wie ich Lust hätte, weil meine Prioritäten (Familie, Job) zurzeit etwas anders liegen. Aber ich bin saufroh um die, die es mit mehr Zeit und Herzblut gerade tun und verfolge die Themen, die mich bewegen.
Gut leben kann ich damit, dass du diese Leute und sicher auch mich für einen bekloppten Nerver hältst. Nicht so gut leben kann ich damit, dass du die Arbeit, die diese für diese Gesellschaft leisten, verächtlich machst. (Und klar, die ewigen Nörgler meine ich jetzt damit nicht)
19.04.2011 um 10:00 Uhr
der Diskussionsverlauf – mit teils gegensätzlichen Aspekten und Meinungen – ist ein Paradebeispiel für einen zivilisierten Umgang miteinander, und wenn es allerorten so wäre, eine Einladung für diejenigen, die auf das politische Hauen und Stechen im Netz keine Lust haben. Dieser Umgang im Miteinander als Voraussetzung für das Weitertragen von politischen Netzthemen liegt – und das war meine Grundthese – so nicht hinreichend im Netz vor, ergo ist die politische Diskussionsbereitschaft in der Breite fragwürdig und wird damit eher verhindert denn gefördert.
19.04.2011 um 10:56 Uhr
Robert, ich denke, Deine Beschreibung trifft zu. Sehr sogar. Allerdings vermisse ich eine wichtige Frage, nämlich warum ist das so, dass manche mit rhetorischer Gewalt, ihre Positionen durchsetzen wollen?
Mit hat sehr gut gefallen, wie Du in Berlin einfach mal ins Blaue spekuliert hast, ohne bereits eine Agenda im Kopf zu haben. Einfach mal ungeordnet einem Gefühl Ausdruck zu geben, ohne gleich eins vor die Fresse zu bekommen, wäre auch meine Utopie eines freundlichen, zugewandten Diskurses im Netz. Was wir häufig finden, ist aber etwas anderes. Also, warum ist das so?
Meine Vermutung: Das Netz ändert uns nicht fundamental, es zeigt uns nur deutlicher, wie wir sind. Und das ist meine These zu dem Warum: Wir haben gelernt durch Kontroversen Macht zu organisieren. Gegen Netzsperren kannst Du ebenso Truppen hinter dich bringen (und Bücher verkaufen), wie UvdL mit den Sperrvorschlägen (und Wählerinnenstimmen einsammeln). Aber, und hier verändert sich vielleicht doch etwas, die Kontroversen verleiren an Wirksamkeit, weshalb sie durch Hysterie und Aggression aufgeblasen werden, bis zu einem Maße, dass viele die Lust verlieren. Und das wiederum ist ein Indiz, dass wir vor einer Krise stehen. Der finanziellen Kernschmelze bei Lehman, der technischen Kernschmelze in Fukoshima, der autoritären Kernschmelze in der arabischen Welt folgt die politische Kernschmelze in unseren Gesellschaften.
19.04.2011 um 12:33 Uhr
Was Sascha Stoltenow sagt: „Das Netz ändert uns nicht fundamental, es zeigt uns nur deutlicher, wie wir sind.“
Allgemein ist gegen einen guten Streit, der die Argumente schärft nichts einzuwenden, solange er nicht zum Selbstzweck wird, sondern Grundlage von Entscheidungen ist, die dann umgesetzt werden.
Ich diskutiere allerdings auch nicht mehr gerne mit Leuten, die sich augenscheinlich nicht die Mühe machen, wenigstens eine gewisse Konsistenz in ihr Weltbild zu bringen. Unüberlegtes „Ich bin mal so und dann mal so“ zeigt für mich, dass „eine Meinung haben“ bei vielen völlig getrennt läuft zu „eine Überzeugung/Werte/Menschenbild“ zu haben. Dabei sollte sich doch erstere von letzterem mit Ergänzung einer Bereitschaft zur ständigen Offenheit ableiten. Deswegen reagieren auch viele gleich mit „Nazi“, wenn man mal diese Illusion von Meinung hinterfragt.
Nervnasen sind also nicht diejenigen, die mit einer politischen Grundüberzeugung versuchen durch Diskurs praktische Lösungen zu finden, sondern diejenigen, die meinen Politik und Öffentlichkeit wäre schon dann existent, wenn man mal „Meinung haben“ spielt.
Gerade in einer kollaborativen und empathischen Lebensumgebung ist die Fähigkeit zum kritischen Diskurs eine Grundvoraussetzung.
19.04.2011 um 16:15 Uhr
Donnerwetter, daß muss man erst mal schaffen: Einerseits um Fairness und Sachlichkeit im Dialog miteinander bitten und dann gleich alle anderen als Meinungsnazis und Affengruppen bezeichnen. Im übrigen ist es in den letzten Wochen und Monaten gerade dem Netz und seinen Einwohnern gelungen, Politik bewegungsfähig zu machen. Von der Diskussion über den letzten Bundespräsidenten über die Aktivierungskampagnen rund um Stuttgart 21 bis hin zu den (übrigens durchaus auch sachlich geführten) Diskussionen über die Atomkraft-Frage – nicht immer hat das Netz bekommen, was das Netz gefordert hat (und oft hatte es sehr unterschiedliche und gleichlaut vorgetragenen Ideen und Forderungen). Aber es hat dafür gesorgt, daß sich wieder mehr Menschen mit politischen Fragen und Anliegen beschäftigen.
Das es dabei nicht immer um die offensichtlich von Ihnen schon gefundenen „politisch relevanten Netzthemen“ geht, sondern andere auch anderes für relevant erachten, damit sollte man in der Tat souveräner und gelassener umgehen, als die Diskutanten in ihrer Leidenschaft (auch wenn die manchmal übers Ziel hinausschießt) in dieser Art zu beschimpfen. Oder aber – wie man in den Wald hineinheult – man sollte sich nicht über eine Art der Auseinandersetzung echauvieren, die man sich selbst als Stilmittel zubilligt…..
20.04.2011 um 09:11 Uhr
es waere schon viel gewonnen, wenn es ueblich waere, sowohl als „austeiler“ als auch beim „einstecken“ zwischen aeusserungen „zur sache“ und „zur person“ zu unterscheiden. dann kann man immer schoen deutlich und auch mal heftig positionen abklaeren ohne zu verletzen oder verletzt zu sein.
20.04.2011 um 09:58 Uhr
@Lisa, das ist wohl der gewichtigste Punkt schlechthin. Full ack