Fröhliches EinSeifenUm ein Thema frisch aufzugreifen, da es erneut diskutiert und geshared wird: Wie ist das mit dem Bloggen, wenn die Firmen an die Türe anklopfen und dir Produktpröbchen zuschicken oder Dich sogar – wenn Du als Blogger von der Regionalliga in die Zweitliga aufgestiegen bist – zu einem sogenannten Event einladen? Wie ist es dann mit der unverbogenen und unverdorbenen Bloggerseele?

Vorab als Einstieg die Verteidigerinnen der freien, unverbogenen und unbeeinflussten Blogger-Meinung:
– „Sponsored Shit und meine 50 Cent zu diesem Thema“ auf Fashionpuppe (Anna Frost)
– „Marken-Hype und Co.: Sind Blogger reich? Gehirnamputierte? Oder woher kommt das Geld für all die teuren Sachen?“ auf This Is Jane Wayne (Nike Jane)
– „Do bloggers get paid for every article they post? A comment regarding sponsored posts“ auf Sue loves NYC (Susan Fengler)
– „Die – faszinierende ? – Welt der Hauler“ & „Verantwortungsloses Handeln in Social Media“ (auf meinem Blog)

Wie ist also das nun, wenn das werte Leserpublikum kritisch wird und sich wundert, wenn das süße Nachbarsmädel auf einmal teure Klamotten auf ihrem Blog zur Schau trägt, sich auf Events tummelt, die abseits der üblichen Pauschalreiseorte zu finden sind, wo sie doch bisher immer nur in Tuttlingen zur H&M Modeschau gegangen ist? Wie ist das nun, wenn man sich wundert, dass der nette Taxifahrer als unser Handyhobbyblogger statt im Media Markt die Fotos der neuesten Handys wie bisher zu schießen auf einmal nun von Tokyo über New York nach Barcelona jettet, nur um von dort die allerneuesten Handys auf seinem Blog vorzustellen, ohne auf die Hotels zu verweisen, die fünfmal so viel Sterne tragen wie sein Taxi? Unser süßes Nachbarsmädel und unser netter Taxifahrer sind beliebige Beispiele und Platzhalter für unsere Welt.

In unserer gemeinsamen Welt – der Welt des Bloggers und meiner Welt als Leser – können wir Brücken bauen. Wir verstehen die Welt des Bloggers. Seine ist wie meine. Ich kann mich identifizieren. Doch das ändert sich eines Tages. Warum? Weil der Blogger als Meinungsmacher, als wichtiger Medienkanal, als unverbrauchter Multiplikator entdeckt wurde. Es fängt mit einfachen Produktpröbchen an und endet bei soviel Einladungen zu allen möglichen Anlässen rund um den Globus, das man aussortieren muss. Wo ist das Problem?

Wir als Leser haben als Normalsterbliche keinen Zugang zu Luxushotel. Wir können nicht Business Class fliegen. Wir können auch nicht dutzendfach im Jahr zu irgendwelchen Orten auf dem Globus verteilt an den top Modeschauen und Technikmessen teilnehmen. Wir werden nicht zu Events eingeladen, wo sich VIPs aus Wirtschaft, Film und Politik die Hand reichen. Wir werden nicht gefragt, ob wir den Managern und den Politikern was erzählen wollen.

Wenn sich der Leser so komisch fühlt, wie soll sich der Blogger fühlen? Dessen Leben bis dato aus üblicher 9-to-5 Arbeit bestand. Einer 2 Zimmer Wohnung. Einem gebrauchten Auto. Gebrauchten Klamotten mal mit mal ohne Label. Üblichem Essen. Und wenn es hoch kommt, kann er am Wochenende ins Kino oder sonst was unternehmen, sich zum Beispiel an der Esso-Tanke mit Kumpels treffen. Im Sommer kommt dann noch der Jahresurlaub auf Malle hinzu. 365 Tage im Jahr geht das so. Mit Aussicht auf lebenslang.

Aber das Blog! Das schafft Aussichten, von denen man nichts ahnte. Nur lesen konnte, was die anderen Uber-Blogger so treiben und genießen. Heute in Facebook ein Foto über die Party in New York. Ein Bild vom Empire State Building. Morgen ein Foto auf der Konferenz vom Vorstandsvorsitzenden, der in die Kamera winkt. Dort ein Bild von einer schweineteure Klamotte, die üblicherweise lebenslang unbezahlbar bleibt oder als trauriges Schnäppchen mitleidig über die Gebrauchttheke geht. Und in der nächsten Sekunde erscheint schon das Bild vom Laufsteg in Paris. Karl Lagerfeld. Dazwischen das Jammern und Wehklagen über das stressige Reisen. Da ein Lifestyleblogger, der schon wieder ein Traumhotel unter größter Mühsal aufsuchen darf. Irgendwo im fernen Pazifik. Oder war es Karibik? Egal. Pool ist Pool, 300 qm Hotelzimmer, wie immer.

Unser Blogger, mit dem wir uns noch irgendwie identifizieren konnten, genießt das Leben eines Jet Setters, eines Promis, eines Multimillionärs. Licht an, dann wieder Licht aus, aber die Lichtmomente zählen in den Augen des Lesers. Der nichts von diesem Licht abbekommt. Das frustet. Verständlich. Aber um wie viel frustender muss es für den Blogger mit Aussicht auf lebenslanges Normalleben sein, wenn er das nicht mehr haben könnte?

Wird dieser Blogger immer und stets seine Meinung frei raus, frei Seele, unverbiegbar rausposaunen? Wird er nicht Angst haben, dass er nicht mehr mindestens einmal die Woche irgendwo hin jetten darf?

Natürlich wird er sich verbiegen. Wer was anderes denkt, ist entweder kindisch oder absolut naiv. Beides ist weder erwachsen noch rational erklärbar. Mal gibt es Blogger, die lassen sich weniger davon beeinflussen, mal gibt es Blogger, die kriechen mit Schleimspur dahin. Keiner bleibt untangiert und unverändert. Wer Euch was von „ich sage immer und stets bliblablub…“ ist.. genau, ein bliblablub-Blogger.

Was ist aber die Moral der Geschichte? Das Happy End? Die Forderung? Es gibt keine. Macht den Kram mit Euch selbst aus. Liest es oder lasst es, das Blog. Blog es oder verschweig es, wir wissen es, Blogger, wie Du tickst. Es spielt keine Rolle. Weil das Leben ist. Nicht unendlich schwarz. Nicht unendlich weiß. Sondern etwas dazwischen. Und wir müssen jetzt also alle Qualitätszeitungen lesen und TV schauen? Ach komm, anderes Spiel, ähnliches Spiel. Warum existiert ein Wirtschaftsbetrieb? Wegen den Lesern? Oder weil der Verleger geil auf ein besseres Leben inklusive Bundesverdienstkreuz ist? Dann ist mir der Blogger, der sich ein bisschen bückte lieber als der Verleger, der von Beginn an zutiefst buckelte, nur der langweiligen Scheine und einem noch langweiligeren Angeberleben wegen. Oder muss ich jetzt über den Leser lachen, der sich bei der Arbeit bückt? Oder über den Hartz IV Empfänger, der sich im Jobcenter bückt? Also lassen wir gleich lieber das auswuchernde Hinweisen auf „Du hast Dich aber gebückt“. Bückt’s Euch nicht tiefer als nötig und alles wird gut.

Wer sich noch nie gebückt hat, möge als Erster die Seife auf den Boden werfen!

Bild von soapylove, Lizentyp CC BY 2.0