Ich hatte letztens in der W+V geblättert und eine charmante Chart entdeckt. Auf der wurden 10 bekannte Publikumsmagazine gelistet (Spiegel, BamS, Stern, Focus, Brigitte, Freundin, Adac, Autobild, Bunte, Bild der Frau). Was daran charmant war? Die Bruttoanzeigenerlöse fielen von Oktober 2011 zu Oktober 2012 von 763.000.000 Euro auf 718.000.000 Euro. Das ist ein Rückgang von 46.000.000 Euro.

Was ist denn daran charmant, wenn Mitarbeiter um ihre Jobs zittern müssen, da die Verlegerfamilien um ihre exorbitanten Kapitalrenditen zittern und natürlich auf Cost Cutting zurückgreifen, um ihre Gelder nicht dann doch lieber auf dem Kapitalmarkt verzinsen? Aus der Perspektive nicht viel. Eigentlich nichts.

Was ist daran aber charmant? Wenn einer schwächelt und taumelt, wird er hibbelig, unruhig, probiert hektisch aus, macht viele Fehler, zwangsläufig. Im Wettbewerb betrachtet eröffnet das anderen Marktteilnehmern (bestehend aus Vollblutverlagen bis hin zu kleinsten Bloggern als One Men Shows) neue Chancen. Ihr glaubt das nicht? Ein winziges Beispiel: Die Verleger haben mit ihrem jahrelangen und immer wiederkehrenden Unsicherheitsgeschwätz von bösen neuen Welten, neuen komischen Digitalien, neuen Möglichkeiten, komischen neuen Eigenangeboten, dem Gelaber von alten aussterbenden Print-Welten sowie untergehenden Zeitungen die Werbekunden so richtig wunderbar hübsch verunsichert. Und den Umschichtungsprozess damit erst richtig beschleunigt. Wer Geister auf den Plan bringt, ruft diese nicht nur herbei, er wird sie auch nicht mehr los. Perfekt! Ist das charmant? Selbstverständlich ist das charmant und eine Ironie in sich selbst zugleich. Abseits der Kindergartenwelt gereicht die Schwäche der einen zum Vorteil der anderen.

Aber die Werbeanzeigen gehen doch flöten? Was soll daran toll sein? So schnell vergeht der Wirtschaft nicht ihre Werbelust, keine Bange. Das gewaltige Print-Minus da oben schafft auf der anderen Seite ein dickeres Plus im Werbe-Netz. Ob das Plus genauso fett wie das Minus ist, mag für die Großmufftis der abkassierenden Verleger relevant sein, nicht aber für Blogger.

Wir profitieren vom Taumeln der Verlage. Wir profitieren vom Abwandern und Verlagern der Werbebudgets. Die Wirtschaft sucht sich ihre Wege weiterhin, um ihre Werbebotschaften loszuwerden. Auch im Digitalen. Wenn Ihr nicht ganz auf die Nase gefallen seid, habt Geduld, redet mit den Verteilern des Geldes (sie nennen sich Mediaagenturen), immer wieder und immer wieder.

Mal einzeln, mal als Gruppe. Zeigt, was ihr anbietet, was ihr anzubieten habt. Die größte Nähe ever zu dem Leser überhaupt. Lasst Euch von einem Schirrmacher, verzweifelten Herausgeber der FAZ, oder anderen Nasen nix erzählen. Die sind bleich vor Angst innerlich, wie groß Eure Nähe ist. Und wenn sie keine Angst haben, umso besser, dann reagieren sie nicht mal auf den Wandel der Zeit. Kein Verlag hat das jemals auch nur annähernd geschafft, was ihr geschaffen habt. Wie auch, wie soll ein Verleger mit 5.000-Euro Brille, sauteuren Anzügen und unbezahlbaren Autos eine Nähe zum Leser aufbauen? Fatal ist auch, was sie sich selbst von Marke erzählen, weil sie glauben, dass sie eine sind. Ihr seid eine Marke, weil ihr es lebt. Niemand sonst als ihr seid näher am Leser dran. Ein Beispiel? Liest doch einfach das, was einer der wichtigsten IT Publisher Deutschlands schreibt. Seine Denke, seine Art, wie er sich vermarktet und warum nicht. Liest das Stück von Caschy und versteht das exemplarisch dafür, warum ausgerechnet diese kleinen, nervigen, authentischen Blogger von der Verlagerung der Werbeetats exponentiell profitieren werden. Alle? Nö. Aber das ist ein anderes Blatt jetzt.

Genau das ist es, was die Wirtschaft sucht, über die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Nähe zum Publikum. Mehr Nähe als auf dem Blog gibt es nicht. Und sie suchen immer händeringender, da die Produktionsprozesse immer ähnlichere Güter ausspucken, die sich in der Qualität für Normalmenschen kaum noch voneinander unterscheiden werden. Sie müssen auf Teufel komm heraus Produkte zu Marken machen, wenn sie nicht in den verteufelten Preiskampf gehen wollen.

Das ist auch schon alles, was ihr wissen müsst: Markenwerbung wird wichtiger. Das ist der allergrößte Batzen, nicht die blöde Abverkaufswerbung, die nur einen geringen Anteil an Werbung ausmacht. Dieser Kuchen wird im Netz ungleich größer werden. Die Etats verschieben sich heute schon in andere Kanäle, nicht aber so im Moment, dass der Kuchen wächst (das was im Print abfließt, schlägt nicht 1:1 im Netz auf). Macht nix, für Euch. Ihr habt bisher sowieso nix davon gesehen. Blogger waren Resterampen. Das Schrumpfen des Gesamtkuchens betrifft nur die dicken, fetten Werbeanbieter wie oben genannt, wenn der Kuchen halt kleiner wird. Und vergesst nicht, Ihr seid einer der besten Kanäle die es je gab. Andere Marktteilnehmer schwächeln. Nutzt die Chancen, die sich auftun, schlaft nicht. Bewegt Euch. Bleibt stehen und die Chancen gehen naürlich an Euch vorbei.

Verkauft Eure Seele nicht dabei. Wenn ihr es schlau anzuhören haben wollt: „Dosis sola venenum facit = Allein die Menge macht das Gift“