Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 81% der Bundesbürger mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten bei der Politik. Mit Sicherheit ist dies nicht nur den Erfahrungen von Stuttgart 21 geschuldet. Stichwort Verdruss und Vertrauen. In der Umfrage glauben nämlich lediglich 22%, dass Politiker dem Ansinnen positiv gegenüber gestimmt wären. Dies spricht nicht gerade für ein prinzipielles Vertrauen in die Politik. Auf der einen Seite der Bürger, der den Politikern nicht mehr über den Weg traut, auf der anderen Seite schwebt die Vorstellung von mehr Basisdemokratie im Raum. Kann die Annahme des Bürgers, dass die Politiker dem Ansinnen negativ gegenüberstehen, wirklich nachvollzogen werden?

Was tun die Bundesparteien wirklich, um den Bürgern mehr entgegenzukommen? Betrachten wir hierzu die modernen, nachvollziehbaren Möglichkeiten, die die Bundesparteien den Bürgern online anbieten. Um zu informieren und um sich miteinander zu engagieren. Genauer:
1. Wie gut, einfach und schnell kann sich der Bürger informieren, was die Bundespartei zu den aktuell wichtigsten Sachthemen denkt?

2. Wie gut, einfach und schnell, kann der Bürger sein Feedback dazu abgeben?

3. Informieren die Bundesparteien die Bürger und engagieren sie sich zusammen mit den Bürgern auf Twitter und Facebook? Und, gibt es überhaupt Anlaufstellen in Facebook und Twitter?

Warum diese drei Faktoren? Wer schnell, verständlich und zügig informiert, senkt die Hürden für mehr Bürgerengagement. Wer Informationen schwer zugänglich und schwer verdaulich gestaltet, bewirkt das Gegenteil davon. Und strahlt womöglich selbst als Partei aus, dass man es mit dem Bürgerengagement nicht so ernst nimmt wie man nach außen hin meint. Zusätzlich halte ich die Möglichkeiten des Bürgers, öffentliches Feedback zu Sachthemen und Meinungen der Bundespartei abgeben zu können, als ein weiteres Signal der Partei. Feedback können Fragen, eigene Meinungen, Hinweise sein. Und zu guter Letzt halte ich es für wichtig, dass die Bundesparteien dort auf den Bürger zugehen, wo er sich digital aufhält. Um erneut zu informieren, sich zu engagieren, gemeinsam in den Dialog zu treten. Letztlich stellen Webseiten-Angebote in meinen Augen die Erweiterung und Fortsetzung der bisherigen Möglichkeiten dar, die Parteien Bürgern vor Ort realphysisch anbieten. Die folgende Bewertung entspricht daher meinen persönlichen Grundvorstellungen, wie Parteien und Bürger im Web zusammenkommen könnten. Ebenso entspricht die Bewertung der Angebote meinen persönlichen Vorstellungen, wie gut die Angebote die Punkte Informieren, Engagieren und aufeinander Zugehen erfüllen.

Vergleichen wir hierzu die aktuell drei populärsten Bundesparteien Deutschlands: Die CDU, die Grünen und die SPD. Bedienen wir uns zunächst der Homepages von der CDU, den Grünen und der SPD.

1. Gut, einfach, schnell informiert?

CDU
CDU Homepage
Auf der Startseite findet sich kein prominenter Hinweis zu den Informationen rund um die wichtigsten Sachthemen. Erst unter dem Punkt „Service“ wird man fündig. Es nennt sich etwas steif „Beschlüsse der CDU“. Folgt man dem Link, landet man auf einer etwas andersartig gestalteten Webseite. Dort kann man erneut ein Thema anwählen. Wir entscheiden uns für „Parteitage und Bundesausschüsse“. Ergebnis? Der letzte Eintrag stammt vom 15.11.2010. Titel „23. Parteitag in Karlsruhe„.

Ergebnis: Die Startseite der CDU erschwert den Zugang zu Informationen rund um aktuell wichtige Sachthemen erheblich. Was die CDU denkt, meint und zu entscheiden gedenkt, wird nicht strukturiert abgebildet. Ein sehr großes Manko für den Bürger, der sich informieren möchte.

Die Grünen
die Grünen Homepage
Wie meinerseits erwartet kommen die Grünen etwas innovativer, mutiger daher. Die Seite erstrahlt im grünen Licht, was fast schon schmerzhaft anmuten kann. Und es sieht passend Wühltisch-artig aus. Heißt, man muss das Auge etwas auf der Seite wandern lassen, bis man auf die Themenhinweise stößt. In der Topnavigation aber auch im Seitenbereich „Themen A bis Z„. Folgen wir dem Link „Soziale Gerechtigkeit“ bleibt es bunt. Das Auge sucht verzweifelt nach den erklärenden Informationen. Stattdessen News, News, News. Aber grundlegende Informationen? Was verstehen die Grünen unter Soziale Gerechtigkeit, was bedeutet das konkret für den Bürger, welche Vorschläge hat die Partei dazu? Fehlanzeige! Doch, halt, ein Link verweist auf „Mehr zu Soziale Gerechtigkeit“. Ich lande auf einer Webseite der Grünen Bundestagsfraktion. Die mich leider ebenso wenig über Gründlegendes grünformiert. Aber die Grünen werden doch sicher zum Themengebiet Atomausstieg eine informative Paradeseite aufgeboten haben? In der Tat wird man auf diesem Wühltisch etwas, nicht sehr viel fündiger. Ein Video erklärt in rund 5 Minuten, was die Grünen darunter verstehen. Und in einem weiteren Artikel werden 20 Fragen rund um Atomkraft beantwortet. Immerhin, nicht das Grüne vom Ei, aber etwas besser als der Informationstresor der CDU.

Ergebnis: Die Seite mutet sympathisch chaotisch an, hin und wieder findet der Bürger strukturierte Informationsansätze vor. Doch eine echte Stelle, wo man sich in Ruhe und abseits der Wühltischatmosphäre strukturiert und zügig informieren kann, was die Anliegen der Grünen sind, fehlt. Lediglich Mittelmaß.

Die SPD
SPD Homepage
Die Seite wartet gleich zum Start mit wichtigen Schlagworten auf, die die Partei und womöglich die Bürger bewegen. Stichworte „Energiewende“, „Bürgerversicherung“, „Integration“, usw. Doch was verbirgt sich hinter den präsenten Stichworten? Dahinter verbergen sich News, die ansatzweise über das Thema informieren. Aber grundlegende Informationen, was die SPD dazu denkt, was wichtig ist, was man wissen sollte? Fehlanzeige! News ist das nicht zu eigen, dieses Informationsbedürfnis zu stillen. Diese findet man erst dann, wenn man in der oberen Navigation auf „Politik“ klickt. Dann endlich werden zu wichtigen Themen überschaubare Infos aus Sicht der SPD geliefert, ebenso zentrale Grundsatzprogramme. So liefert das Thema Bürgerversicherung Informationsmaterialien, Videos und Nachrichten.

Ergebnis: Gut, aber nicht sehr gut. Der Bürger wird auf der Startseite zu schnell von Nachrichten zugeballert, von der Stichwort-Wolke zusätzlich auf weitere Nachrichten irregeführt. Jedoch wird ein Informationsbedürfnis recht zügig gestillt, sollte der Nutzer verstehen, dass sich hinter dem Link „Politik“ sein Ziel befindet. Im Vergleich zu den beiden anderen Webseiten hat es die SPD am besten gelöst. Aber bei Weitem nicht ideal, auch das muss betont werden!

Aktuelle Tabelle (win – draw – loss)
SPD 1-0-0 = 3 Punkte
Die Grünen 0-1-0 = 1 Punkt
CDU 0-0-1 = 0 Punkte

2. Wie gut, einfach und schnell, kann der Bürger sein Feedback zu den Informationen abgeben? Fragen stellen?

Eine realisitische Nebenbedingung vorneweg: Ich gehe nicht davon aus, dass Feedback der Bürger bei den Obersten ankommt. Doch, ich gehe davon aus, dass Feedbackmöglichkeiten und ein Dialog mit der Partei zunehmend zur Aufweichung alter Parteisoldaten-Denke führen wird. Daher reicht es aus, wenn Feedback-Möglichkeiten gegeben sind und zusätzlich die Partei erkennbar auf Feedback eingeht. Ohne zu hinterfragen, was Merkel, Gabriel und Trittin davon jemals sehen.

CDU
Auch hier wartet die CDU mit keinem unmittelbaren Angebot auf der Startseite auf. Erneut muss man die Service-Seite aufrufen, dort findet sich ein Punkt „Team Bürgerservice“. Folgen wir dem Link, landen wir am Ende in einem Formular, das mehr an die 90er Jahre, denn an interaktive, moderne und offene Rückfragesysteme erinnert. Wie sieht es aber zu den Informationen auf Sachebene aus, die die CDU in den Untiefen ihrer Webseite versteckt? Hat der Bürger dort die Möglichkeit, nachzuhaken, Feedback abzugeben? Bittet die CDU um Feedback? Lädt sie dazu ein? Nein, Fehlanzeige!

Ergebnis: Die CDU lädt den Bürger nicht dazu ein, sich mit den Anliegen der Partei zu befassen. Kontaktmöglichkeiten, insofern überhaupt welche vorhanden sind, werden verschämt hinter mehreren Ebenen versteckt. Also auch hier ein ganz großes Minus.

Die Grünen
Die Grünen bieten zu allen Informationspapieren und News die Möglichkeit an, sein Feedback abzugeben. Sehr löblich, man zeigt das Feedback anderen Lesern online. Und der Ersteller muss lediglich seinen Vornamen eingeben. Zudem überrascht die Seite den Leser mit Aufforderungen bei bestimmten Themen selbst aktiv zu werden. Kampagnenmanagement eben. Natürlich im Sinne der Grünen. Beispiel? So kannst Du Botschafter für den Atomausstieg werden und wenn Du dazu keine Lust hast, informieren Dich die Grünen, wer angeblich grünen und nicht gelben Strom liefert.

Ergebnis: Die direkte Abgabe von Feedback, das öffentlich angezeigt wird, mutet modern und mutig an. Allerdings habe ich keine Dialoge zwischen den Grünen und den Feedback-Gebern entdecken können. Für ein Gut reicht es allemal aus! 1 Win = 3 Punkte.

Die SPD
Die SPD überholt die Grünen sowohl beim Feedback aber auch Engagement-Angebot von links. Das war nicht unbedingt zu erwarten! Die Fülle an Möglichkeiten wird über die Arbeitskreise und Foren strukturiert abgebildet und getragen. Zudem hat die SPD vor einiger Zeit bereits ein soziales Netzwerk unter meinespd.net geschaffen, das Interessierten und SPDlern reichlich Platz für einen gemeinsamen Austausch anbietet. Bis dato das modernste Engagement-Angebot der Bundesparteien schlechthin. Denn es imitiert kommunikative und soziale Standards sozialer Netzwerke. Die Bürger mittlerweile kennen und schätzen.

Ergebnis: Die SPD landet erneut einen überraschenden Treffer. 1 Win = 3 Punkte.

aktuelle Tabelle (win – draw – loss)
SPD 2-0-0 = 6 Punkte
Die Grünen 1-1-0 = 4 Punkte
CDU 0-0-2 = 0 Punkte

3. Informieren die Bundesparteien die Bürger und engagieren sie sich zusammen mit den Bürgern auf Twitter und Facebook?

CDU
Facebook – Liker: 13.870
Twitter – Follower: 13.335, Followings: 1.593, Tweets: 1.041

Auf beiden Kanälen wird erfreulich oft informiert. Leider Gottes findet so gut wie kein Dialog statt. Auf Twitter antwortet die CDU nicht. Auf Facebook hat der User keine Möglichkeit, neue Einträge in der Wall zu erstellen. Was verständlich wäre. Unverständlich ist jedoch, dass man auf Facebook-Kommentare nicht eingeht. Zumindest, ich habe kein Engagement feststellen können. Beide Kanäle dienen demnach als pure Informationskanäle ohne Dialogengagement. Für eine Volkspartei ein beschämendes Ergebnis. Aber aufgrund der Informationsbereitschaft vergeben wir fairerweise ein „Draw“ = 1 Punkt.

Bei den Grünen?
Facebook – Liker: 26.060
Twitter – Follower: 30.020, Followings: 3.840, Tweets: 2.748

Die Grünen informieren auf Facebook in einer positiv interagierenden Tonalität. Und tatsächlich findet sich hin und wieder auch eine Antwort auf entsprechende Kommentare. Das wäre zwar ausbaufähig, aber immerhin. Auf Facebook hat der User wie bei der CDU keine Möglichkeit, neue Einträge in der Wall zu erstellen. Die Grünen auf Twitter? Handelt es sich ebenfalls um einen Informationskanal mit noch weniger Dialoganteilen. Eigentlich würde ich den Grünen ein „Win“ geben. Es gibt aber nur ein „Draw“. Also 1 Punkt. Warum? Die Grünen versprechen auf der Facebook-Seite einen Dialog, dialogisieren jedoch in den Kommentaren sehr wenig, greifen zudem wenig Kommentare für neue Postings kuratierend auf. Wer nicht hält was er verspricht, enttäuscht. Daher unter dem Strich ein Draw.

Bei der SPD?
Facebook – Liker: 20.748
Twitter – Follower: 16.349, Followings: 1.593, Followings: 1.994, Tweets: 2.577

Die SPD verhält sich ähnlich wie die Grünen und die CDU auf Facebook und Twitter. Man informiert ordentlich, nicht zu selten, nicht zu oft. Am Schwachpunkt der Grünen setzt sich die SPD ab. Sie interagiert mit den Likern auf Facebook wesentlich häufiger, macht zudem kein mühseliges Versprechen und punktet damit. Sollte man noch die Krone aufsetzen und kuratierende Postings verfassen, zudem mutig Likern eigene Wallpostings ermöglichen, wäre die SPD im Facebook Olymp des Engagements angekommen. Im Vergleich mit den anderen beiden Parteien reicht es für ein Win = 3 Punkte.

Damit kommen wir zur Abschlusstabelle
1. SPD mit 9 Punkten
2. Die Grünen mit 5 Punkten
3. Die CDU mit 1 Punkt

So gesehen kann man für die CDU schwarz sehen, für die Grünen und die SPD gilt, dass sie erkennbar an den Möglichkeiten arbeiten, zu informieren, zu dialogisieren und zu engagieren. Wäre da nicht ein Punkt aus der o.g. Umfrage:

Bei allem Willen zur modernen Mitbestimmung: Online-Befragungen und Abstimmungen im Internet stehen die meisten Deutschen laut der Studie skeptisch gegenüber. Knapp die Hälfte der Teilnehmer lehnte diese Instrumente ab.

Wie sagte einst ein Wirtschafts- und Finanzminister verzweifelt: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber“ (Karl Schiller). Was, wenn? Dann nutzen die besten Webseiten nichts, die besten Informationen nichts, die besten Aktivierungsmechaniken nichts. Was aber, wenn es keine Tränken geben würde? Nun, das konnte ich nicht wirklich feststellen. Angebote sind auf alle Fälle geboten. Es hat sich etwas getan, wenn man es mit den Webseiten der Bundesparteien vor 5 Jahren vergleicht (wer erinnert sich daran? Die CDU-Seite gibt einen kleinen Geschmack auf diese Urzeiten). Nun ist es an der Sache der Bürger, nicht nur Umfragen sprechen zu lassen. Den Parteien kann man kaum einen Vorwurf machen, sie würden nicht genug Anstrengungen unternehmen. Allen voran die SPD und die Grünen. Die CDU wird mit Sicherheit online nachziehen. Und dann? Ist der Bürger lediglich ein Großmaul und schreckt vor den Mühen zurück, sich wirklich zu informieren, zu engagieren, um mehr Entscheidungsmöglichkeiten in die Hand zu bekommen? Ich bezweifle es sehr stark!