Kopftücher verbinde ich mit „alte Oma aus Jugodorf“. Was Liebes. Manch andere verbinden damit „Frau mit komischer Religion“. Ich denke, die Fantasie reicht da sehr weit. Ich möchte mich aber jetzt mehr mit der Vorstellung eines anderen Bildes befassen. Genauer mit dem Bild der politischen Kopftuchträger. Wenn das Sinnbild eines Kopftuches für Islam und religiöse Intoleranz negativ verstanden werden soll, sind dann besonders eifrige und sich ereifernde Islamkritiker dieses Sinnbilds nicht selbst quasi Kopftuchträger im missverstandensten Sinne des Wortes? Eine schöne Ironie wie ich finde. Politische Kopftuchträger.
Wo findet man solche Menschen? Einige davon tummeln sich auf dem Blog namens „Politically Incorrect“. Nicht selten als „PI-Blog“ abgekürzt, was der ollen Schreibweise geschuldet ist.
Laut Wikipedia handelt es sich um ein besonderes Blog:
Politically Incorrect (Abkürzung: PI) ist ein deutschsprachiges Blog zum Themenbereich Islam und richtet sich nach eigener Aussage gegen eine „Islamisierung Europas“. Die Beiträge sind bestimmt von Islamkritik und Antiislamismus. Der Politikwissenschaftler Bernd Sommer und der Politiker Sebastian Edathy sehen in dem Blog ein Agitationsmittel rechtspopulistischer Kreise. In dem Blog werden von meist anonymen Autoren Beiträge publiziert, die vor allem Themenfelder wie Integration, Islam und andere politische Themen aus ihrer Sicht behandeln.
Es ist schon lange her, dass ich mir das Blog näher angeschaut hatte. Muss irgendwann um 2005/2006/2007 gewesen sein. Inhaltlich fand ich sowohl den Stil wie auch die Denkstruktur zu uninteressant, um sich mit der dortigen politischen Kopftuchträgerschaft und deren Grundvorstellungen weiter befassen zu müssen. Der Eindruck wurde durch die teils grotesk anmutenden Kommentare verstärkt. So hakte ich das Blog als Tummelplatz von Individuen ab, die zu einer politisch-gestalterischen Kraftentfaltung nicht fähig sind. Sprich, ein Labertaschen-Blog ohne die Fähigkeit, Individuen außerhalb dieses Kreises meinungsbildend zu erreichen, sehr wohl aber weitere, politische Kopftuchträger einzusammeln. Zudem, viele Menschen haben Angst. Vor Etwas, das muss nicht rational sein. PI-User waren sichtlich sehr ängstliche Menschen. Warum sollte ich auf ängstlichen Menschen herumtrampeln? Tja, so verschwand dieses Blog von meinem Radar. Heute ergab es sich rein zufällig, dass PI wieder auf meinem Radar aufgetaucht ist.
Also kurz in Wikipedia nachgeschaut, was sich seitdem gerührt hat. Das Blog läuft nicht mehr über die deutsche Jurisdiktion, da ins Ausland zu einem Unbekannten übertragen. Der deutsche Gründer, ein Lehrer, habe Morddrohungen erhalten. Zudem will man laut Presseinterviews auf 60.000 Besucher am Tag kommen. Hinzu kommt ein neuer (?) Faktor. Der Wille zur organisierten Entfaltung der politischen Kopftuchträgerschaft. Indem man sich bspw. politisch über die Gründung von Parteien und Organisationen betätigt. Siehe Presseberichte wie diese:
– Passauer Neue Presse: Ehemaliger Hohlmeier-Sprecher steigt bei Rechts-Partei ein
– Neues Deutschland: »Die Freiheit« nun auch in Bayern (ehemals Organ der SED;)
– SZ: Rechtspopulist arbeitet bei Ausländerbehörde
– SZ: Der Feind steht fest
– Frankfurter Rundschau: Der Halbmond ist aufgegangen
– FAZ (etwas älter): Freier Hass für freie Bürger
– FAZ: Zur Mobilisierung des Ekels
Interessant zu sehen, dass sich aus einem Blog heraus eine Art von politischer Minimalkraft entfaltet. Angst ist ein großer Instinkt und starker Anrtieb. Die Klammer des PI-Blogs. Das ändert sich nicht. Tja, was soll es nun werden? Soll dieses Blog wieder vom Radar verschwinden? Soll man auf die Justiz vertrauen, die sich das bis zu einem gewissen Punkt anschaut, so dass die PI-Ängstlichen kein Unheil anrichten? Oder muss man sich keine Sorgen machen, da es eben Teile in der Gesellschaft gibt, die immer schon vor Veränderungen jeglicher Art, besonders kultureller richtiggehend Angst haben und hatten? Weil dieser Teil der Gesellschaft einen minderheitlichen Anteil ausmacht, ist er nicht relevant? Und die globale Entwicklung mobiler Individuen/Gesellschaften heute schon urzeitmenschliche Gruppen-, Stammes- und Territorialvorstellungen überkommen erscheinen lässt? Sozusagen Nicht-Migrierbare und Nicht-Anpassungsfähige? Was tun wir mit diesen Menschen? Keine Ahnung. Deutschtest geht ja nicht. Ich weiß es nicht.
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23.06.2011 um 18:43 Uhr
Menschen mit Hilfe von Angst zu manipulieren – den Vorwurf kann man nicht nur den PI-Bloggern und -Kommentatoren machen. Die größte deutsche Boulevardzeitung arbeitet nicht anders (wenn auch nicht ganz so offen: Aufrufe zur Lynchjustiz und Wiedereinführung der Todesstrafe finden sich da in der Regel – von der Justiz nur schwer zu packen – zwischen den Zeilen). Und leider hat die größte deutsche Boulevardzeitung eine vergleichsweise relevante Leserzahl, was einem mit Blick auf den Zustand unserer Gesellschaft wesentlich mehr Sorgen machen sollte.
Dass sich die PI-Anhänger nun organisieren, führt meiner Meinung nach nur in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Vergrößerung der Szene, real aber eher zu ihrer Fragmentierung: Islamophobiker fühlen sich vielleicht bei PI am wohlsten, aber den übrigen Anhängern der rechten Szene wird die pro-israelische Haltung ein Dorn im Auge sein, sowie das Fehlen eines radikalen Rassismus. Innerhalb des radikalen Spektrums gibt es damit eben ein weiteres Pseudo-Therapeutikum für ganz spezielle Ängste. Je fragmentierter, desto weniger gefährlich ist dieses Spektrum.
Damit will ich nicht die Gefahr kleinreden, die von gewaltbereiten Einzelnen ausgeht. Aber die gibt es mit und ohne PI, auch wenn dort durchaus Hetze betrieben wird. Morddrohungen haben sich in letzter Zeit auch Gurken- und Sprossenverkäufer anhören müssen – und da kam die Hetze wohl eher aus Richtung des anderen oben erwähnten Angstmachers.
24.06.2011 um 11:54 Uhr
Interessant ist, dass viele im PI-Umkreis ihre Artikel und Kommentare anonym veröffentlichen. Schon das ist ein Zeichen beachtlicher Feigheit. Aus Angst vor den Mächtigen kämpft man nicht mit offenem Visier. Nach ‚oben‘ kuschen diese Damen und Herren immer, auch wenn sie ‚die da oben‘ hassen. Unter anderem deswegen brauchen sie auch immer de facto möglichst macht- und wehrlose Sündenböcke, von denen sie natürlich behaupten, dass sie extrem mächtig sind oder dabei sind, es zu werden, am besten im Rahmen einer Verschwörung… Eklige Geschichte.
24.06.2011 um 18:06 Uhr
Robert Basic, sind Sie katholisch?
24.06.2011 um 21:50 Uhr
betrachte die Frage für mich als irrelevant
25.06.2011 um 10:29 Uhr
Es ist, wenn man hier mitliest, ziemlich offensichtlich, dass Robert zumindest mal katholisch war, oder? ;) Aber in der Tat: Für die Inhalte des Blogs scheint mir die Frage auch (meist) irrelevant.
26.06.2011 um 09:28 Uhr
PI wechselt ab und an auch die Partei. Lange unterstützte das Blog die extrem rechte Partei „Pro NRW“ um sich dann auf die Seite der „Freiheit“ von Stankewitz zu schlagen. Was bei Pro NRW zu entsetzen führte, war PI doch für die ein relevantes Szene-Medium. Das mit der Angst ist gut beobachtet – die Anhänger dieser Parteien sehen sich ja auch immerzu als Opfer von Ausländern, Linken, der Politik etc. . Wie es weitergeht? Für PI gar nicht. PI ist so einseitig, dass es nicht Anschlussfähig ist. Es wird – ausserhalb der eigenen Szene – als Diskurspartner nicht akzeptiert, kaum zitiert und kaum verlinkt. Den Schritt in die politische Realität, die ja automatisch das Ende der Anonymität bedeutet, werden viele fürchten. Sie stehen ja kaum offen für ihre Meinungen ein. Das Personal der meisten rechtspopulistischen Parteien und Listen (Es gibt ziemlich viele auf kommunaler Ebene) rekrutiert sich dann aus ehemaligen Neonazis – und die sind – zum Glück – auch für viele Konservative nicht wählbar. Noch nicht – und dieses noch ist ein ziemliches Problem. Schauen wir nach Frankreich, Skandinavien oder nach Ungarn´, dann sehen wir ein große Potential für solche Parteien. In Deutschland gab es bislang nur niemanden, der es nutzen konnte. Pro NRW wird es wegen der ehemaligen NPD-Leute in den Reihen nicht sein, Stankewitz traue ich es auch nicht zu – eine sich, das Ende vor Augen, nach Rechts wendende FDP ist noch die größte Gefahr.
27.07.2011 um 05:03 Uhr
Die taz hat (aus aktuellem Anlass) nochmal beim Verfassungsschutz nachgehakt: https://www.taz.de/!75174/