These: Warum klappt das nicht bei der Piratenpartei, dass deren Themen und Infos zu denen kommen, die sich nicht aktiv für die Piratenpartei interessieren?

Laut Wikipedia will die Piratenpartei was sein?

Die Piratenpartei Deutschland (PIRATEN) ist eine am 10. September 2006 in Berlin gegründete deutsche Partei. Sie versteht sich in Anlehnung an die schwedische Piratpartiet als Partei der Informationsgesellschaft… Die Piratenpartei ist nicht mit dem Vorsatz angetreten, wie die etablierten Volksparteien ein Vollprogramm zu bieten. Sie hat sich als sogenannte „weiche Themenpartei“ gegründet. Das Grundsatzprogramm proklamiert, dass aus Sicht der Piratenpartei Deutschland im Zuge der Digitalen Revolution aller Lebensbereiche durch eine allesdurchdringende Vernetzung der Gegenstände des Alltages, die Allgegenwärtigkeit rechnergestützter Informationsverarbeitung und die Entwicklung hin zur Verwertbarkeit von Informationen im Web durch Computer die Würde und die Freiheit des Menschen in erhöhtem Maße gefährdet würden

Themen én masse, klasse Basis?
Ok, Themenpartei, Digitale Revolution, Informationsgesellschaft. Irre viel Ansatzpunkte, um Themen im Netz zu setzen, Standpunkte zu diskutieren und klar zu machen. Gerade bei Netzaffiniados wie mir und vielen anderen müssten die doch einen nach dem anderen Themenschwerpunkt landen und populär verbreiten können. Komischerweise bekomme ich aber nichts mit. Nicht, weil ich mich aktiv informieren möchte, sondern weil ich im Falle der Piratenpartei gemütlich abwarte, was auf mich über mein Informationsnetzwerk zukommt. Nach dem Motto, „die gute und heiße Info wird schon zu mir kommen“.

Piratenpartei kann nicht mit dem Netz?
Anders gesagt, ist die Piratenpartei unfähig, Agenda-Setting via Netz zu spielen? Sie könnten locker die machthungrigen, opportunistischen Grünen an die Wand spielen, die verkrustete SPD und die um die Mitte bemühte CDU links und rechts überholen, die nach Liberalität schreiende FDP auskontern. Doch wenn ich was zufällig über netzpolitische Themen mitbekomme, dann handelt es sich um die FDP, mal um die Grünen, mal kommen Themen über Blogger hoch. Aber die Piratenpartei? Von der lese ich nix. Erst neuerdings habe ich was zum Thema „Telekom und Youtube“ gelesen. Thema Netzneutralität. Auf wen berufen sich Heise oder wars Spiegel Online? Auf den Miniverein „Digitale Gesellschaft“. Für mich als Blogger sind Blogs wie Lumma, Netzpolitik oder auch Carta die Vorantreiber, Zündfunken für neue netzpolitische Themen. Wo ist das Gravitationszentrum der Piratenpartei? Im sozialen Netz, in der Blogosphäre? Wenn ich draußen Netzaffiniados fragen würde, wüsste mir das keiner zu beantworten.

Wie kann ich mir das erklären? Ausgerechnet die Partei, die ich noch am ehesten mit Netzthemen gleichsetze, spielt in Blogs, auf Twitter, Facebook und in der Presse kaum eine Rolle. Bei mir keine Rolle, wo ich irgendwo in letzter Zeit wenigstens Irgendwas Prominentes von der Piratenpartei als Agendasetter mitbekommen hätte.

Wenn ich etwas lese, dann über einen quasi Einzug ins Parlament (Bremen), oder dass man sich die Köpfe heiß diskutiert, weil man sich untereinander völlig uneins ist.

Damals vor zwei Jahren
Am 06.08.2009 (vor knapp zwei Jahren!) schrieb ich:

Ich finde es überaus spannend, dass sich Menschen über das Internet zu einer politischen Kraft (wie groß auch immer diese sein wird) formieren. Etwas, was schon längst überfällig war, angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Bedeutung des Internets. Je mehr man das Netz als eigenen Lebensraum versteht, dieser eine eigenständige Bedeutung bekommt, umso mehr werden Fragen zu beantworten sein. Das nennt sich dann wohl Politik als Summe aller normierenden Kräfte. Auch die Piratenpartei wird dabei ihren Willen zur normativen Ausgestaltung der Gesellschaft hinterfragen müssen. Einfach nur “so frei wie nur möglich” wird nicht gehen, da jede Regelung eine Begrenzung darstellt.

Auf der einen Seite ein fantastisches Thema, dass sich eine Partei als demokratisches Willensgebilde der Informationsgesellschaft manifestiert, auf der anderen Seite ist es nach zwei Jahren eine große Enttäuschung, dass die Piraten netzmäßig in der Breite kaum eine Rolle spielen. Ich sehe diesen Widerspruch, verstehe ihn aber nicht, was die Ursache dessen ist. Nach zwei Jahren ist ein Startup mit mangelnden Ressourcen bereits präsenter, schärfer ausformuliert.

Ich bleibe also dabei: Warum klappt das nicht bei der Piratenpartei, dass deren Themen und Infos zu denen kommen, die sich nicht aktiv für die Piratenpartei interessieren? Ich denke, sie kanns noch nicht, warum auch immer. Das alleine ist aber eine Enttäuschung.

Update:
Rivoid Headquarter äußert sich wie folgt zu den Gründen
1. Es fehle der Partei an öffentlich wahrgenommenen Gesichtern, die der Partei nicht thematisches, sondern ein menschliches Gesicht verleihen würden.
2. Die Themenpalette sei zu fokussiert -zu Wenige interessieren sich für Netzthemen-, müsste breiter auf allgemeine, gesellschaftliche Themen ausgeweitet werden.

Update 2:
Das, was sich in den Kommentaren zeigt, scheint eine deutliche Sprache zu sprechen. Die Piratenpartei schafft es organisatorisch nicht, die Power von Individuen gemeinsam und geballt thematisch auf die Straße zu bringen. Der Artikel von Deutschlandfunk geht in die gleiche Richtung. Organisatorik ist bei der Piratenpartei anscheinend ein großer Schwachpunkt, der viele Ideen und Möglichkeiten zunichte macht. Schade und unnötig.

Update 3:
Ralph Hunderlach, Mitglied der Piratenpartei, äußerst sich auf seinem Piratenblog zu Problemzonen:
– die Presse ist an einer kleiner Partei nicht interessiert
– die Piratenpartei wird zu schnell monothematisch betrachtet („Internetpartei“)
– Mangel an schnellen Erfolgen (inkl. Presseignoranz) frustiert einige Mitglieder
– Aktive Mitglieder werden ausgebremst (Bürokratie, Behörden (verstehe ich nicht))
– offene Diskussionen irritieren Dritte

Mein Resümee
Soweit der vorläufige Einblick von außen in ein junges, kompliziertes Gebilde namens „Piratenpartei“. Ich denke abschließend, insofern mir das einigermaßen möglich ist, dass die Piratenpartei mit Zunahme der Kommunikationsfähigkeiten der User im Netz, aber auch der zunehmenden, punktuellen Beteiligung (die sich ebenfalls immer stärker beobachten lässt) der Netzbürger gute Potentiale hat – sobald die Anlaufjahre überwunden sind, Teamfähigkeit über etablierte Prozesse geschaffen wurde, inklusive einer fokussierten Willensbildung wie auch kraftvollen Informationsversorgung als Agenda-Setter – ein großes Potential hat. Die Basis ist über das Konstrukt der offenen Partizipation, Diskussionsaffinität und Themenorientierung geschaffen worden, aber auch den agierenden Personen, die das Netz atmen und nutzen. So sind frühe Ideen wie „Liquid Democray“ organisatorisch angegangen worden, ein sehr gutes und erstaunliches Experiment, neue Möglichkeiten zu versuchen und mit der Zeit zu gehen. Ich denke, es ist die zur Zeit modernste Form, Willensbildung zu manifestieren, die zur Zeit im Netz denkbar ist. Ein Indikator genug, was passiert, wenn sich eine junge Partei formt und erste Ideen umsetzt. Ideen sind stets dazu da, sie zu testen, sie zu justieren, wo auch immer man dann landet. Und kann einen unschätzbaren Vorteil schaffen, je früher man Ideen testet und daraus lernt. Keinen Vorteil schafft es, wenn man nicht mit der Zeit geht (was sich bei anderen Parteien in der radikalen Form von umgesetzten Ideen so nicht beobachten lässt, was zugleich eine Schwäche darstellt. Ideen per se liegt stets etwas Zerstörerisch von Etablierten an sich, umgekehrt erschaffen neue Ideen etwas völlig Neues, zeitgemäßeres, Altes aus vergangenen Generationen hinter sich lassend). Wenn es nach mir geht, ist die Piratenpartei noch nicht innovativ genug, neue Wege zu beschreiten. All die Elemente der jungen Partei sind jetzt schon hochspannend. Klar, es bedingt noch mehr Diskussionen, frustrierende Elemente, wenn man nicht an Innovation glaubt, die schmerzhaft sein kann, wenn man 100x testet und 99x verwirft. An das 1x muss man schon glauben, Frust vergessen können. Aber waren wir Menschen je anders gebaut, wenn es galt, mit der Zeit zu gehen? Niemand weiß, wie man Zukunft zuverlässig bauen und beantworten soll. Testen, klatschen, testen, klatschen, testen, dann nutzen.

Was zunächst hinderlich erscheint, wird womöglich ein großer Vorteil in Zukunft sein. Keiner anderen Partei traue ich potentiell zu, der neuen, politischen Mitmachkultur im Netz entgegenkommende Andockpunkte zu geben, eben weil das Konstrukt idealerweise dazu passt. So schwer der Weg auch ist, politische Willensbildung neuartig zu formen. Ohne Lernen und Versuchen geht es nicht. Das ist klar. Ich drücke Euch die Daumen auf dem steinigen Weg.