Frank Schmiechen schreibt in „Beschimpfungen aller Art“ auf seinem frisch eingerichteten Blog:
Man hat sich ja beinahe daran gewöhnt. Unterstellungen, Beleidigungen, Verdrehung von Tatsachen prasseln besonders nach der Scrolledition von WELT KOMPAKT auf mich, die Macher aus der Redaktion und die beteiligten Blogger ein. Aber auch jeden anderen Tag. Man muss damit leben, sagen die Kollegen. Will ich aber nicht. Deswegen habe ich mir dieses Plätzchen eingerichtet, um meinen Ärger los zu werden…
Je platter der Slogan, desto lauter der Jubel. Da spüre ich an vielen Tagen einen leichten Würgereiz und auch ein bisschen Angst.
Frank Schmiechen braucht kein Mitleid, keine Bemitleidung, weder sage ich ihm das nach noch ist das etwas, wonach er sucht. Er stellt lediglich fest, was viele feststellen, die irgendwas „machen“. Vor allen Dingen, wenn sie es so machen, dass es anders und neuartig anmutet. Und (!) für eine offene Informationspolitik sorgen, so gut es geht. In dem Fall ging es eben um die Scroll Edition, auf das ich bereits gestern eingegangen bin.
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Wer sich selbst ein Bild von der Welt Kompakt Scroll Edition machen möchte und dann nach der Durchsicht mitreden will: Kostenloser Download (via Massenpublikum)
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Dass man irgendwann die Nase so richtig gestrichen vor lauter Geblöke voll hat, ist nur zu verständlich. So auch Sachar, der Franks Artikel kommentiert und mit den Worten schließt:
Während wir noch bei Springer saßen, schrieb ich folgenden tweet „Wir sind uns übrigens darüber im Klaren, dass Ihr die @weltkompakt morgen zerreißen werdet. So oder so #wk107″. Warum das so klar war? Weil nicht einer – weder Blogger noch Journalist – hinterher auf die Idee kam, eine fundierte Blattkritik zu liefern und auch mal konstruktive Vorschläge zu liefern, wie eine „Welt Kompakt powered by Web“ besser aussehen könnte. Weil der Mensch destruktiv ist.
Ich bin es leid…
Der Mensch ist beides zugleich, destruktiv und konstruktiv. Je weiter wir von dem Objekt der Betrachtung entfernt sind umso weniger nehmen wir emotional beide Seiten wahr. Je näher wir uns in die Mitte der Betrachtung annähern, umso größer erscheinen die Ausschläge. Letztlich können wir beides. Wenn wir etwas Neues bauen müssen, hindern uns unsere Erfahrungen – exakt das, was uns als lernende Wesen zu der momentan dominierenden Spezies auf diesem Planeten erhoben hat – zu weit nach vorne zu denken. Wir sind so nicht geschaffen worden. Jeder weitere Meter nach vorne sprengt unseren Intellekt im exponentiellen Ausmaß scheinbar. Ob es ein Selbstschutz für lernende Wesen ist? Eine Art Sicherung? Womöglich. Logisch. Neues wird aufs Schärfste begutachtet, kritisiert, gelöchert und zerlöchert. Das müssen wir, sonst wären wir nicht Mensch.
Wenn man sich das Ergebnis des Neuen, wenn es denn einmal akzeptiert und angenommen ist, anschaut, muss man lachen. So banal und winzig erscheint der Fortschritt, wenn man den faktischen Unterschied zu früher betrachtet, dennoch ist die Lösung ein gefühlt großer Fortschritt. So deutlich lag die Lösung vor einem, dass man sie im Gestern nicht gesehen hat? Und darum haben sich Menschen förmlich bis aufs Blut geprügelt, gestritten und Millionen von Gedankenkilometern ausgetauscht?
Ja, es gehört eine Menge Frustbereitschaft dazu, sich durch diese Fortschrittsprozesse durchzuquälen, Nein-Sager, Geht-Nicht-Sager, Doof-Sager anzuhören. Manche Macher und Vordenker geben dabei auf, andere nehmen den Ball auf und spielen eben weiter. Ohne Biss und Durchhaltevermögen geht nichts. Wer probiert, wird sich diesem kritischen Prozess der Begutachtung unterwerfen müssen. Das ist nix für Zaghafte noch etwas für Halb-Optimisten. Fehler produzieren gehört dazu, auch das macht uns alle aus.
Im Netz mag das eine Ecke härter erscheinen, sich Kritiken ausgesetzt zu sehen, weil es eher lauter und knalliger denn im persönlichen Gespräch wird. An der Sache ändert es nichts. Wer von etwas wirklich überzeugt ist, wird sein Ding durchziehen. Bis er erkennt, dass es im Endergebnis gut war oder eben nicht. Das Endergebnis wird aber durch eine Unzahl von Zwischenergebnissen definiert. Ja, nach tausenden von Iterationen, das ist das Problem dabei. Dieses „Unterwegs“ bereitet Kopfzerbrechen. Wer sich beim „Unterwegs“ dem Kunden öffnet, der wird – sorry – auf die Fresse bekommen. Das ist das, was der Welt Kompakt passiert ist, unweigerlich.
Letztlich darf man nicht den Fehler machen zu glauben, die Menschen würden einen mit offenen Armen empfangen, egal was man Tolles vor hat, solange etwas nicht wirklich fertig im Sinne des wohlwollenden Kunden ist. Wer das glaubt, verliert. Wer das nicht glaubt, muss fähig sein, unentwegt Punches einzukassieren und ebenso diese vorab einzukalkulieren. Das spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn man mit unfertigen Produkten balanciert und in dieser Frühphase der Entwicklung das ungare Produkt dem öffetnlichen Augenschein des Kunden überlässt. Im Grunde genommen eine klasse Sache, der Kunde kann bereits früh Einblicke gewinnen, Feedback abgeben, um das Produkt besser zu machen, gemeinsam. Wenn da nicht unsere Neigung wäre, Dinge gerne zu zerreißen, sobald irgendein auch noch so kleiner Mist nicht passt.
Alternative? Schaffe ein in sich geschlossenes, vom Kunden in der Entwicklungsphase abgeschottetes System, das damit die Schläge auf ein Minimum reduziert, unfertige Produktszenarien gar nicht erst aufbaut. Das ist auch übrigens zugleich der Grund, warum sich viele Unternehmen eher das Herz rausreißen würden denn in Frühphasen unfertige Produkte zu präsentieren. Sie tun alles, damit ein Produkt dermaßen kontrolliert über alle Phasen hinweg an den Start geht, damit die Kunden yipieeh schreien. An sich spielen sie lediglich ein gigantisch inszeniertes Theater, etwas, das Apple grandios beherrscht. Über das Netz hat sich diese Problematik noch weitaus verschärft: Die kritische Masse im wahrsten Sinne des Wortes wartet nur darauf, sich zu überbieten. Wenn etwas nicht funzt wie erwartet. Ein unfertiges Produkt zur Diskussion stellen? Doofen Kunden, die nicht lesen können, ein vermeintlich fertiges Produkt zeigen? Panisch ist ein noch zu niedliches Wort für das Wagnis, dessen sich die Unternehmen aussetzen würden.
Tja, so bleibt das Leid der Macher der neuen Generation, die am offenen Herzen operieren, andere zum Mitdenken und Mitmachen einladen. Die daran glauben, dass man mit Hilfe des Internets Zusammenarbeit auf eine neue Stufe hieven kann. Ich finde diesen Weg irgendwie charmanter als den alten Weg, den Weg von Apple und anderen Unternehmungen. Spannender, aufregender und ungewisser zugleich. Wer sich für etablierte Wege interessiert, kann ja weiterhin das Schaffen von Apple bewundern. Produkt kaufen und gut ist. Cool.
06.07.2010 um 19:35 Uhr
Experiment, das war es.
Den wirklichen Sinn davon habe ich bis heute nicht verstanden, denn nach nach meiner Auffassung kann man Zwei grundverschiedene Systeme nicht so einfach mal grade eben mit einandere kombinieren und was neues draus machen und dann noch erwarten das es funktioniert.
Weder fühle Ich mich durch die dort beteiligten „Blogger“ vertreten, noch lese ich diese Zeitung/Zeitschrift. Von daher, nur irgendein „Projekt“ am Rande meines Sichtfelds…
06.07.2010 um 19:37 Uhr
Ich habe die Scroll Edition mit großem Spaß gelesen, fand das Format witzig, weil es an einen Bildschirm erinnert und fand es ein gelungenes Experiment.
06.07.2010 um 22:00 Uhr
Ich bin froh, endlich mal Texte wie diesen zu lesen. Danke.