Frank Schmiechen, seit 2010 stellvertretender Chefredakteur der WELT-Gruppe, hatte mich vor einigen Wochen angeschrieben und gefragt, ob ich nicht bei einem Experiment mitmachen möchte. Wie mittlerweile bekannt ist, handelt es sich um eine Sonderausgabe der Welt Kompakt, die am 01.07. erscheinen wird.
Dazu Jan-Eric Peters, Chefredakteur WELT-Gruppe: „Während wir als professionelle Journalisten jeden Tag in Print und Online berichten, einordnen und bewerten, stehen Blogger für subjektive Meinungsäußerung im Netz. Unser Experiment soll zeigen, wie auf das Internet zugeschnittene Inhalte als Zeitung funktionieren. Ich freue mich auf eine überraschende und ungewöhnliche Ausgabe.“
Ich selbst betrachte das Projekt als Blogger, der seit jeher einer gemischten Erfahrung ausgetzt ist. Die Presse hat Blogger nicht selten belustigt, ironisch, fahrlässig behandelt. Aber auch fair, ausgewogen, offen. Manchmal. Wenn ich nach sieben Jahren Bloggerei dieses Projekt betrachte, spricht in meinen Augen nichts dagegen. Grundsätzlich müssen Zeitungen mit der Zeit gehen, sich entgegenstellen ist sinnlos. Auch ich stehe dafür, dass es eine Presselandschaft gibt, die Menschen auch weiterhin so gut es geht informieren kann. Alles, was dazu beiträgt, das Verhältnis „Blogger – klassische“ Medien auf eine entspannte Basis zu stellen, begrüße ich. Alles, was dazu beiträgt, dass Zeitungen mit dem Netz lernen umzugehen, begrüße ich. Es wäre Unfug, sich die Chancen und Möglichkeiten, am Informationsfluss zu feilen, entgehen zu lassen. Dazu ist die kollaborative und informative Power des Internets zu gewaltig. Und ja, es ist eine Umbruchzeit, die noch lange andauern wird. Wie werden Medien den Übergang in das Informationszeitalter schaffen, wo sie doch selbst seit jeder Informationsträger waren?
Umgekehrt kann kein Blogger, der sein Blog ernst nimmt, an der Presse vorbeidenken. Ob er nun zum Schluss kommt, dass er die Presse nicht braucht, ist seine Sache. Er sollte aber nachdenken, was Presse für sein Blog bedeutet. Entweder es hat eine oder keine. Wir können lange über die Bedeutung der Bloggger faseln, heute gilt nach wie vor, die Presse sagt an, was Realität ist, wir bilden Subrealtitäten ab. Entweder denke ich als Blogger darüber nach, wie ich mit der Presse zusammen agieren kann oder nicht. Nur muss ich bei einem „nicht“ dann nicht mehr flennen, wenn keine Sau mein Blog liest noch Blogs überhaupt in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist auch Realtität.
Nun kam die Frage nach Kohle auf, die mir persönlich komplett unsinnig erscheint, aus o.g. persönlichen Gründen, sie ist aber dennoch berechtigt. Diese Frage wurde hier gestellt und diskutiert:
Das kompakte Honorarfrei-Experiment. Der Autor, Deef Pirmasens, hat mich heute angerufen und gefragt, ob ich Kohle dafür bekommen würde. Das habe ich verneint, die Welt hat mir weder Geld angeboten noch habe ich das Thema angesprochen. Es erschien mir sowieso unsinnig, da ich gar Kohle dafür gegeben hätte, daran teilzunehmen. PR für Welt und Kostenlos hin oder her.
Aber das hat mich nicht daran gehindert, doch einfach an der Quelle zu fragen, was viele Blogger blöderweise nicht tun. Labern über Dritte OK, aber fragt doch einfach vorher direkt beim Betroffenen nach (Update: Womit Deef nicht gemeint ist, sondern eben wir Blogger, die das gerne nicht tun, auch ich, Asche über mein Haupt). Gesagt getan, das ist O-Ton von Frank Schmiechen:
Ich finde es schade, dass Deef Pirmasens nicht dabei sein möchte. Wir hatten uns auf ihn gefreut. Das wird ein besonderer Tag für WELT KOMPAKT und hoffentlich eine interessante Ausgabe. Auch sehr schade finde ich, dass er mir vor der Veröffentlichung seines Artikels keine Chance gegeben hat, auf seine kritischen Anmerkungen zu reagieren. Auf Twitter und Facebook bin ich jederzeit ansprechbar, wie viele wissen. Dann hätte ich ihm sagen können, dass die Blogger, die an diesem Tag mit uns arbeiten, natürlich ein Honorar bekommen. Das wollten wir in der Kommunikation dieser Aktion aber nicht in den Mittelpunkt stellen, weil wir Leute gesucht haben, die in erster Linie am Experiment selber interessiert sind.
Beste Grüße
Frank
23.06.2010 um 15:48 Uhr
Ich habe – wie Rob – zugesagt und – wie Rob – die Frage nach dem Honorar nicht gestellt. Weil ich – wie Rob – diese Erfahrung machen möchte und vielleicht auch – wie Rob – sogar dafür gezahlt hätte. Wenn wir wirklich ein Honorar bekommen sollten, möchte ich das Geld an eine gemeinnützige Institution spenden. Ich habe damit ohnehin nicht gerechnet.
Caschys Kritik kann ich nachvollziehen, auch wenn ich die Reaktion für überzogen halte. Eine Pressemitteilung listet oft nicht alle Informationen auf, sondern teasert an. Das hat der Springer-Verlag getan, indem sie drei Namen nannten. Dass meiner dabei war – who cares? Keiner von uns sollte so eitel sein, allein deswegen abzusagen. Natürlich hätte Springer alle Namen auf den Tisch legen können. Das aber widerspricht – zumindest nach meinem Verständnis – dem Charakter einer Pressemitteilung.
23.06.2010 um 15:17 Uhr
Also Robert, ich habe heute abgesagt. Weil auf meine Mails zwar Antworten kamen – aber von drei verschiedenen Leuten. Weil Menschen wie du mir als prominent verkauft wurden und man mir so gleich das Gefühl gab, eben nicht zu dieser Prominenz zu gehören (worauf ich zwar keinen Wert lege, aber man sollte alle Teilnehmer gleich behandeln.)
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich wünsche dir viel Spaß und bis hoffentlich bald in Hannover.
23.06.2010 um 15:19 Uhr
„Während wir als professionelle Journalisten jeden Tag in Print und Online berichten, einordnen und bewerten, stehen Blogger für subjektive Meinungsäußerung im Netz. “
Ich denke genau deshalb wuerde ich den lustigen Welt-Machern sagen: Tschuessikowski!
Alleine, dass der Chef-Redakteur einer der subjektivsten Postillen in Deutschland so einen Kommentar ablaesst….
ach Schnickschnack… was haette ich denn erwarten sollen, mal ganz ehrlich?
23.06.2010 um 15:19 Uhr
@caschy / das finde ich traurig, was auch völlig unnötig war, und ich bedaure dieses „wichtiger-unwichtiger“ sehr. Ich emfpand es schon immer als sehr unangenehm, wenn Bloggern Promi-Status zugemutet wurde, weil es die anderen Blogger abwertet. Sorry! Aber, es ist Projekt, das wie immer Fehler macht. Wenn man das akzeptiert, kann man damit eher umgehen. Aber das ist meine Sicht.
23.06.2010 um 15:38 Uhr
Klasse Leistung von Deef. Hat er mit seinem Blogbeitrag immerhin geschafft, dass die Blogger jetzt doch Geld bekommen!
23.06.2010 um 16:06 Uhr
Nachfragen hilft aber auch nicht immer. Hatte bereits mal gefragt, welche 30 Personen das denn sind und keine Antwort erhalten. Auch in der WELT Kompakt habe ich nichts dazu gefunden.
23.06.2010 um 16:13 Uhr
@Sachar: ich habe genau 2 verschiedene Leute in meinen Mails nach einer Liste gefragt und diese wurde mir nicht gegeben. Nur 3 Namen wurden genannt. Siehe Jens.
Und ein einfaches Absagen halte ich für keine überzogene Reaktion.
23.06.2010 um 16:58 Uhr
also, mich hat man auch eingeladen. ich habe mehrere tage darüber nachgedacht und dann zugesagt. warum? geld war mir egal. wann komm ich denn sonst in meinem leben vielleicht nochmal ins olle axel springer haus? vielleicht sind die ja richtig nett und so weiter. also dachte ich mir, gebe ich denen einfach mal eine chance und stelle mich nicht verbohrter an, als ich eh schon bin.
ich sehe das einfach als chance zur lustigen erfahrung und fertig.
honorar? habe ich bis gerade nicht dran gedacht.
ich fand einen linenflug hin und zurück und ein vier sterne hotel und ein fettes abendessen schon „okay“ für „ein bisschen in berlin rumhängen“.
und das in der der PM nun „diese drei namen“ genannt wurden?
auch kein grund zum heulen.
ich mache da mit, weil ich wissen will, wie die sich dabei anstellen. und wenn die das blöde machen, schreibe ich HINTERE etwas darüber. bisher waren sie nett. und ja, die mail am anfang war okay – mir war klar das die nicht für jeden persönlichen eine netten brief mit schleife schicken.
meine güte.
ich glaube, das wird eine nette erfahrung. man muss auch mal so vereinen wie der welt einfach für einen tag eine chance geben.
hab ich mir überlegt, daher mache ich mit.
23.06.2010 um 17:02 Uhr
Wir von Czyslansky wurden auch zur Teilnahme an dem schönen Projekt eingeladen und wir sind gar nicht auf die Idee gekommen, nach einem Honorar zu fragen, weil wir das für eine gute und auch für uns spannende Aktion halten, mit der der Verlag kein Geld verdienen oder einsparen wird. Es ist eben NICHT der Versuch Redaktionskosten einzusparen. Wir sind es auch nicht gewohnt kostenlos zu arbeiten, aber wir beteiligen uns immer wieder an Aktionen oder Kampagnen, die uns interessieren.
Die ganze Sache wäre doch längst nicht so hoch gekocht, wenn der Name „Springer“ nicht immer noch heftige Emotionen freisetzen würde. Aber niemand beteiligt sich hier wegen Springer an dieser Aktion, sondern weil sich die WELTkompakt schon lange um eine Kommunikation mit Leuten aus dem Social Web bemüht und nicht zuletzt weil Frank Schmiechen eine gute Reputation bei uns hat.
23.06.2010 um 17:11 Uhr
Wenn ich eine solches „Experiment bis PR-Aktion“ geplant hätte, hätte ich dafür auch von Beginn ein Honorar eingeplant. Wenn sich Blogger (oder wer immer) aufgedrängt hätten dieses „Experiment“ zu machen, hätte ich was „draufgelegt“ …
Das Einladen von „Prominenten“ und/oder vermeintlichen „Antipoden“ für einen Tag ist auch nicht gerade taufrisch …
23.06.2010 um 18:46 Uhr
Mit Deef Primasens hätte man das Ding Hanswurst kompakt nennen können.
23.06.2010 um 21:14 Uhr
Alleine schon diese Aussage:
“Während wir als professionelle Journalisten jeden Tag in Print und Online berichten, einordnen und bewerten, stehen Blogger für subjektive Meinungsäußerung im Netz. “
zeigt mir mal wieder persönlich wie selbstüberschätzend die so genannten professionelle Journalisten doch sind. Zudem sind die Print-Medien nicht weniger subjektiv in ihrer Arbeit und Meinungsverbreitung.
Gehässig und total daneben, das ist diese Aussage von den ach so tollen etablierten Print-Medien, die nicht verstehen können oder wollen was sich grade verändert.
Dinosaurier, aussterbende Art!
24.06.2010 um 10:19 Uhr
Vor einiger Zeit habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich nur noch Dinge im Bloggingumfeld mitmache, die entweder lehrreich und sinnvoll für mich sind, Spaß machen oder Geld bringen.
Beim WELTkompakt Experiment sind sogar die ersten BEIDEN Prämissen erfüllt. Also habe ich ebenfalls zugesagt.
Die Frage nach dem Honorar hat sich demnach für mich nicht gestellt, so lange Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung übernommen werden. Aus o.g. Grund. Wenn es nun noch ein Honorar obendrauf gibt, werde ich mich nicht dagegen wehren.
Auf der anderen Seite kann ich Leute wie Deef verstehen, die so oder so in Redaktionen arbeiten und dementsprechend gewohnt sind für ihre journalistische Arbeit eine honoriert zu werden. Warum sollte er hier ausgerechnet für die WELT eine Ausahme machen und für Lulu arbeiten? Ich behaupte aber mal, das ist eine Frage der Interessenlage:
Deef ist (wenn ich das seinem Blog richtig entnehme), passionierter Computerspieler. Wenn er nun von einee Entwicklerbude für Spiele eingeladen wird, für einen Tag (möglicherweise sogar in Kalifornien?) an der Stroyline, den Charakteren, was auch immer des nächsten Actionkrachers mitzuarbeiten und die Ergebnisse der Arbeit garantiert in das Produkt einfließen – käme die Frage nach dem Honorar dann auch auf? Schließlich könnte Deef mit einer solchen Einladung Top-Content für sein Blog schaffen. Sein Netzwerk erweitern. Einblicke bekommen, die ihn interessieren und die sonst nicht so ohne weiteres möglich wären.
Und würde dann ein Spieleentwickler in seinem Blog möglicherweise genauso den virtuellen Kopf darüber schütteln, dass jemand SEINEN Job jetzt für EINEN Tag für lau macht? Wahrscheinlich – zumindest wenn es ein deutscher Spieleentwickler ist ;)
Das einzige, was man den WELT Leuten, bzw der Agentur, die die ganze Sache betreut vorwerfen _könnte_, wäre mangelndes Fingerspitzengefühl bei der Auswahl und Ansprache der angesprochenen Blogger.
Bei der Zeile, die Sascha_P oben zitiert hat, bin ich auch kurz zusammen gezuckt
“Während wir als professionelle Journalisten jeden Tag in Print und Online berichten, einordnen und bewerten, stehen Blogger für subjektive Meinungsäußerung im Netz.“
und habe mir gedacht „Hossa, hoffentlich ist nicht die ganze Redaktion voller Pferdeäppel des hohen Rosses“ – auf der anderen Seite zeigt doch aber das Experiment selber, dass man durchaus bereit ist, mal die Zügel aus der Hand zu geben und zu lernen.
Auf das Ergebnis dürfen wir selbstverständlich alle gespannt sein – und damit meine ich nicht die eine Scrolling Ausgabe, sondern ob sich dadurch nachhaltige Veränderungen einstellen.
Selbst die Einladung per „Massenmail“ ist doch kein Beinbruch. Da muss man sich jetzt auch nicht SO wichtig nehmen und eine auf die persönlichen Vorlieben und Blogthemen angepasste Mail als Erstkontakt erwarten. Ich für meinen Teil nehme mich da jedenfalls nicht so wichtig und habe sowohl per Telefon sofort die Antworten bekommen, die ich wollte, als auch per Mail vom leitenden Redakteur.
Ich freue mich jedenfalls auf das Projekt.
24.06.2010 um 21:11 Uhr
Ziemlich verbissen mal wieder, so einige. Ob ich als jemand, der einfach so (und sogar begeistert) zugesagt hat, ohne alles nörgelig zu hinterfragen, überhaupt zur deutschen Blogger-Szene gehöre? Zickenterror.
24.06.2010 um 23:01 Uhr
http://www.welt.de/welt-kompakt/scroll-edition/article8135859/Scroll-Edition-in-aller-Munde.html
ich zitiere mal
„WELT ONLINE hat den Kommentarbereich dieses Artikels geschlossen.“
druecke euch allen ganz feste die daumen bei der nummer und hoffe, dass ihr euch dabei nicht prostituiert.
26.06.2010 um 02:20 Uhr
Ich für meine Person hätte auf jeden Fall zugesagt.
Aber gut, unbekannter Blog, nicht volljährig, dass ich keine Mail bekommen habe, sollte nicht überraschen. :D
Aber die Aktion ist doch einfach eine tolle Sache und nicht nur, um hinterher darüber zu bloggen.
Es zeigt einfach Initiative, eine gute Idee und zumindest in meinen Augen steckt auch ein gewisses Zugeständnis an die Blogger dahinter, immerhin glauben die Redakteure wohl, dass ein Blogger fähig ist, deren Arbeit für einen Tag zu leisten.
“Während wir als professionelle Journalisten jeden Tag in Print und Online berichten, einordnen und bewerten, stehen Blogger für subjektive Meinungsäußerung im Netz. “
Kann es sein,, dass die Blogger bei dieser Aussage ein bisschen überempfindlich reagieren?
Was bedeutet professionell?
Ich glaube, in diesem Context ging es auf keinen Fall um irgendeine qualitative Wertung.
Schließlich beschreibt professionell doch vor allem die Leute, die eine Tätigkeit kommerziell ausüben.
Für mich klingt es eher so, als ob die Aussage heißen sollte, dass die Blogger eben von wirtschaftlichen Aspekten viel uneingenommener sind, sich nicht allzu sehr fragen „Was bringt mehr Leser?“ und auch vielleicht eine viel frischere Sicht auf manche Dinge haben…