Es soll in Deutschland eine Elite von Machern, zugleich Entscheidungsträgern in Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik geben. So können wir uns gerne über die hoch bezahlten Vorstände von Top-Unternehmen aufregen, dennoch handelt es sich bei diesen Personen um hervorragend ausgebildete Personen mit einem umfangreichen Sachverstand. Das Gleiche gilt für zahlreiche Figuren anderer, wichtiger Gesellschaftsbereiche, die eben nicht in der Wirtschaft arbeiten.
Jede dieser Personen hat einen vollen Terminkalender und trägt eine hohe Verantwortung gegenüber ihren Aufgaben. Und wie oft habe ich nun „Experten“ vernommen, die betonen, dass diese Personen keinen Grund haben, sich im Netz einem Diskurs zu stellen, geschweige denn überhaupt etwas dazu beitragen sollten. Meistens aus rationalen Gründen.
Stattdessen wird die Stimme dieser Personen über klassische Medien weiter getragen. Ob im Print, Radio oder TV. Das ist mir persönlich viel zu wenig.
Es ist mir ein Rätsel, warum die persönliche Verantwortung zum Wohle der Gesellschaft nicht betrachtet wird. All diese Personen – die ich oben Elite genannt habe – durften von der „Infrastruktur“ dieser Gesellschaft profitieren. Das ist auch gut so, denn dafür ist es schließlich auch gedacht, dass Individuen gefördert und befördert werden können. Mir reicht es aber nicht, dass sie im Rahmen ihrer Institution tätig werden, in der sie Verantwortung tragen.
Die oberste Aufgabe eines klugen Kopfes ist nicht die Mehrung der eigene sozialen und finanziellen Stellung, sondern das Vorankommen der Gesellschaft in der Breite mit zu tragen. Das umfasst nicht nur das eigene Tun im Rahmen ihrer institutionellen Aufgaben, sondern und vor allen Dingen die Diskursmöglichkeit über das hochtransportable Kommunikationsnetz Internet. Das Einbringen und Verteilen des eigenen Know Hows. Das Aufgreifen von Themen, die auch zukünftig wichtig sind und wichtiger werden. Institutions übergreifend.
An dieser Stelle sind meiner Meinung nach die Wissenslehrer der Gesellschaft ihre Aufgabe nicht nachgekommen, der Elite Verantwortung für die Gesellschaft auf den Weg mit zu geben. Weder an wirtschaftlichen Instituten (so ist z.B. Moral und Ethik ein nicht vorhandenes Fach der Wirtschaftswissenschaften), noch an künstlerischen Schulen, an literarischen Ausbildungsstätten oder auch naturwissenschaftlichen Stätten der Bildung eben sowenig. Diese Kaskade des Mangels an Schärfung gesellschaftlicher Verantwortung beginnt im Kindergarten und setzt sich später bis zur Ausübung des Berufes fort. Wir erziehen ein Volk von Egoisten und Mehrern persönlicher Vorteile. Die Ökonomisierung der Gesellschaft trägt einen großen Anteil an dieser Entwicklung, die in bizarren Rufen nach einer besseren Ausbildung von Kindern im Kindergarten ausartet, damit sie später dem Arbeitsmarkt nützlicher zur Verfügung stehen. Die Elite ist im Netz außen vor, was ihr Eigenengagement angeht.
Wie sonst soll man sich erklären, dass ausgerechnet das wichtigste Informationsmedium nach Erfindung des Buchdrucks derart von der Elite ignoriert wird? So haben wir geschichtlich gelernt, wie immens wichtig das effiziente Weitertragen von Informationen jeglicher Art ist. Das Internet potenziert diese Möglichkeit. Und die Elite steht außen vor und schweigt, per definitione über das Einbringen in den gesellschaftlichen Diskurs via Netz.
Verantwortung ist eine Frage der Prioritäten. Selbstverständlich werden meine Worte wohl kaum etwas ändern. Weder an der Priorisierung der eigenen Aufgaben noch an der Priorisierung der persönlichen Vorteile. Der Universitäts-Professor wird sich auf einen Mangel an Zeit berufen, der Entscheidungsträger eines Wirtschaftsunternehmens auf den Mangel an betrieblichen Nutzen, der Leiter eines großen Theaters wohl verachtend auf das minderwertige Netz-Brabbeln des Volkes.
Solange die Elite Deutschlands ihre Aufgabe und ihr Engagement nicht eigenveranwortlich über persönliche Präsenzen im Internet wahrnimmt, kann ich nicht von einer gesellschaftlichen Elite sprechen. Bringt Euch ein, stellt Euer Wissen und Eure Gedanken einer breiten Schicht zur Verfügung, tragt mit dazu bei, dass sich die Gesellschaft weiter entwickelt. Nicht zu Eurem Nutzen, sondern zu unserer aller Nutzen.
28.02.2011 um 11:31 Uhr
Romantischer Beitrag… wenn nur alle so denken würden…
28.02.2011 um 11:39 Uhr
Erstmals Gratulation zu dem gelungenen Artikel. Er erinnert mich ein wenig an die zuletzt auf ARTE gesehene Dokumentation über die Elite in Deutschland und deren Ab/Ausgrenzung in der Gesellschaft.
Jedoch lese ich aus deinem Beitrag auch anklagende Worte heraus, dass sie Verantwortung übernehmen sollen, dass sie sich gar einbringen müssen. Zum wohle der Gesellschaft, zum wohle aller.
Aber auch deiner guten Argumentationskette zum Trotz, wie kannst du behaupten, die Elite definiert sich nur durch Kommunikation? In deinem letzten Absatz klagst du diese eben sogar an, sie können nicht als solche verstanden werden wenn sie sich nicht aktiv einbringe im Netz. Es mag wohl stimmen, dass es sehr wichtig wäre, diese auch im Diskurs zu haben, jedoch ist es meiner Meinung nach nicht essentiell. Das Netz als eigenständige Kultur schafft das auch ohne dieser ominösen Elite.
Interessant ist auch die letzte Jugendstudie aus 2010 in der explizit eine „Individualisierungskultur“ beschrieben wird. Ich glaube, dass man viele Punkte aus der Studie (leider) auch auf den Rest der Gesellschaft überlegen kann.
Also zusammenfassend, ich glaube daran, dass es wichtig wäre, für das Netz noch mehr Awarness zu erzeugen, jedoch nicht unter dem Aspekt der Androhung eines „Gesichtsverlustes“. Wichtig wäre hier ein positiver Dialog und kein einseitiger wie „Du zählst nur wenn du im Internet bis“
28.02.2011 um 11:40 Uhr
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28.02.2011 um 12:12 Uhr
Geschichtlich gesehen ist das Phänomen ja nicht neu. In früheren Zeiten, als nur eine Minderheit alfabetisiert war, galt auch in Adelskreisen das Schreiben als eher niedere oder unwichtige Kompetenz. Man hielt sich seine Schreiber(linge), die für Chronik und das Verkünden der frohen Botschaften zuständig waren. Und heute? Halten sich Unternehmen entweder eine Kommunikationsabteilung oder eine (PR-)Agentur, womit wir eine in etwa vergleichbare Arbeitsteilung hätten. Der Macher macht, und sein Schreiber schreibt darüber – vielleicht ein „Naturgesetz“?
28.02.2011 um 12:15 Uhr
Dieses Phänomen existiert doch nicht erst in Zeiten des Internets. Der Begriff Elite kommt von eltär, richtig? Das impliziert von Haus schon die Abgrenzung zum gemeinen Volk. ganz egal welche Kommunikationskanäle der Menschheit bisher zur Verfügung stehen und standen.
Natürlich wäre es wünschenswert wenn die Elite sich mehr öffnen würde und die Kommunikation sucht, aber ich denke das wir so schnell nicht passieren. Oder nur vereinzelt, Ausnahmen bestätigen die Regel.
28.02.2011 um 12:21 Uhr
Schön nachgedacht und noch schöner geschrieben!
28.02.2011 um 12:36 Uhr
Andere Länder, andere Sitten: Barack Obama bloggt (ob selbst, ist noch die Frage^^) http://twitter.com/BarackObama
28.02.2011 um 12:50 Uhr
leider nicht, er lässt…
28.02.2011 um 13:05 Uhr
Vielleicht ist die Elite nicht so elitär wie man sie gerne hätte? Muss jeder der studiert hat oder weit gekommen ist, verpflichtend auch ein guter Mensch sein, unseren Moralvorstellungen entsprechen? Es gibt Profs mit elitärem Ruf, die sich allerdings wie kleine Kinder verhalten…
„Oben“ ist die Luft nicht anders als beim normalen Fußvolk. Dort wird ebenso gedacht „soll die Arbeit ruhig ein anderer machen, solange es mich nicht betrifft“. Der übliche Wunsch nach Vordenkern und -machern, die die ungeliebte Verantwortung übernehmen.
Dazu gibt es ebenso viele, die einfach keine Ahnung von Medien und Technik, geschweige denn Internet haben.
Die elitäre Welt ist auch nur ein Abbild des großen ganzen, in der es teilweise noch schlimmer zu geht – schließlich gibt es mehr zu verlieren oder zu gewinnen.
Der Fall Guttenberg hat doch prima gezeigt, dass man sich nicht auf Titel und Ränge allein verlassen sollte, dahinter steht immer noch ein Mensch.
Und die Elite von morgen, die sich äußert, sollte dabei auch nicht unter den Tisch fallen: http://www.scilogs.de/artikel/1064849
28.02.2011 um 13:09 Uhr
Einfach mal „Gestatten: Elite“ lesen… danach könnte man die Dinge anders sehen. Da bleibt nicht soviel übrig vom Bild des wirklich besser gebildeten…. Ahso, Link (Kein Ref!) zum Buch -> http://www.amazon.de/Gestatten-Elite-Spuren-M%C3%A4chtigen-morgen/dp/3453601122/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1298894175&sr=8-1
28.02.2011 um 13:55 Uhr
Für sowas hat man schließlich Personal.
28.02.2011 um 17:03 Uhr
Vielleicht hat die Elite einfach keine Zeit oder lässt andere ihre Nachrichten schreiben. Wer weiß das schon. Allerdings ein sehr schöner Artikel.
28.02.2011 um 18:36 Uhr
Ich weiß ja nicht, wie Elite definiert ist und wer das in Deutschland ist; überhaupt nach welcher Einheit bemisst man das denn?
Vielleicht ist es in elitären Kreisen einfach nicht schick zu bloggen oder die Elite hat einfach keine Lust.
01.03.2011 um 08:23 Uhr
Die Denkansätze sind genau richtig und ich bin total deiner Meinung, jedoch… Deutschland = ICH … Deutschland WIR! Es werden noch so einige Jahre vergehen denke ich, bis das alle verstanden haben. Schade eigentlich!
01.03.2011 um 10:19 Uhr
Oft scheitert es an der Zeit. Bloggen zum Beispiel braucht Zeit, nicht nur zum Tippen, sondern vorher zum Nachdenken. Die haben viele Führungskräfte oder die Eliten häufig nicht. (Ausnahme: Es gibt von Hermann Kucher jeden Monat eine ganz hervorragende Kolumne zu verschiedenen Management-Themen im manager magazin. Wenn er die online stellen würde, käme vielleicht eine interessante Debatte zustande.)
Zweiter Faktor: Relevanz. Als Elite halte ich lieber einen Vortrag vor 200 anderen „Influencern“ als in ein unwägbares Netz „hineinzuposten“. Deswegen braucht Bloggen ja auch soviel Idealismus. Die meisten Blogs fliegen, von der Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit unbemerkt, unter dem Radar.
Und jetzt mal ehrlich: Die meisten hier, so lese ich jedenfalls den „Sound“ einiger Beiträge, würden doch eher auf der Person dieser „Elite“ herumhacken als sich mit dessen intellektuellen Input auseinanderzusetzen.
01.03.2011 um 10:36 Uhr
Auf Facebook erhöht sich die Zahl der mitdiskutierenden Entscheidungsträger.
01.03.2011 um 14:46 Uhr
Was mir noch einfällt: Blogs haben in DE einfach nicht die Bedeutung wie in den USA. Bei uns werden die klassischen Medien als besser und unabhängiger empfunden. IMO ist das auch der Fall.
07.03.2011 um 11:32 Uhr
Schaut doch mal unter http://fraunhofercebit.wordpress.com/ dort hat das Fraunhofer gebloggt über die Cebit und unter http://twitter.com/Fraunhofer findet man sie auf Twitter.
Man hätte sie sogar auf der Cebit treffen können, die waren dort und ich habe es mal genutzt und muß sagen sehr nettes Gespräch geführt.
07.03.2011 um 13:54 Uhr
Wie Du am Anfang Deines Artikels schon geschrieben hast ist es so das Manager einfach mit Ihrer Arbeit meist mehr als 12h am Tag und das oft auch 7 Tage die Woche eingebunden sind und somit gar keine Lust mehr haben als Sender zu fungieren.
Ausserdem ist es doch jedem auch selbst überlassen ob er sich bzw. das was er tut mitteilen möchte oder nicht.
Also ich finde es eigentlich ganz normal das der Grossteil der Menschen und somit auch der sogenannten Eliten gerne (nach der eigentlichen Arbeit) nur noch konsumiert.
Ich selbst zähle mich bei weiten nicht zu einer Elite, möchte aber nach einem Arbeitstag nich auch noch aktiv in Blogs, Foren usw. tätig sein sondern lieber entspannen und leichte Kost konsumieren …
07.03.2011 um 16:54 Uhr
Es gibt hervorragende literatur-blogs von hochschulprofessoren, es gibt hochkomplexe naturwissenschaftliche blogs von ebensolchen und viele gute philosophische blogs von, ja, ebensolchen und bestimmt gibt es sogar wirtschaftsblogs von leuten aus führungsriegen. Aber das will keiner von euch lesen. Was ihr euch unter einem eliteblog vorstellt ist wahrscheinlich ein stinkreicher dax-vorstand, der flapsig über social media schreibt oder ein bildchefredakteur, der ‚lustigen‘ müll fabriziert, damit alle was zu lachen oder sich zu ärgern haben. der durchschnittliche blogger und der durchschnittliche leser haben keinerlei interesse an einem blog, das die obigen kriterien wirklich erfüllt, sonst hätten sie bemerkt, dass solche blogs bereits existieren.
13.03.2011 um 17:36 Uhr
Erstaunlich finde ich es, dass gerade (auch) dort die obersten Eliten bloggen, wo sich deren Herrschaft nicht unbedingt aus dem Volkswillen legitimiert. Mahmud Ahmadinedschad hat ein paar Jahre lang ein äußerst unterhaltsames Blog betrieben (eine Kategorie war „Antworten auf Briefe amerikanischer Soldatenmütter“) und Hugo Chavez hat ein wirklich schick aussehendes Blog mit prominentem Gastblogger. Dem Último Lider.
Medvedev betreibt immerhin ein Videoblog.
Das Ganze kann also auch ganz gut genutzt werden, um Transparenz vorzugaukeln.
Gleichzeitig gibt es aber auch einige Bundestagsabgeordnete, die bloggen oder zumindest twittern und auf diesem Weg auch viel direkter anzusprechen sind.
Ich vermute mal, dass sich viele Eliten der „ersten Reihe“ davor scheuen, Kanäle zur direkten Kommunikation zu öffnen, die sie dann im Endeffekt nicht richtig bedienen können (Wenn ich jemandem die Möglichkeit biete mich direkt anzusprechen muss ich ihm auch antworten. Sonst lasse ich es besser gleich…). Das bezieht sich natürlich hauptsächlich auf die politischen Eliten. Was die Wissenschaft angeht stimme ich dir zu. Da muss sich was tun. In den USA ist man da schon wesentlich weiter, aber ich bin zuversichtlich, dass das sich hier auch noch entwickelt…
31.03.2011 um 13:26 Uhr
Ja das weiss ich auch nicht warum die Macher und die Eliten nicht bloggen. Ich denke mal ein paar bloggen schon ;-)
09.06.2011 um 16:21 Uhr
Die »Macher«, die ich kenne, sind schlicht und einfach zu alt, um mit dem Begriff Blog etwas anfangen zu können. Für diese Menschen ist ein kurzes Zitat in einer Tageszeitung viel mehr Wert, als ein ordentliches Interview im Internet. Es ist also eher eine Frage der Zeit, bis die Macher auch schreiben. Spannende Literaten erwarte ich allerdings nicht.
31.07.2011 um 16:20 Uhr
Feine Idee. Kann Deiner Meinung einiges abgewinnen. Dann will ich einmal hoffen, das die Elite dich auch liest und sich die Gedanken einmal durch die eigenen Köpfe gehen lässt.
Solange sich die Eliten ausschließen stehen sie auch echtem Meinungstausch im Weg und verweigern letztlich moderne Demokratie.