Nehmen wir uns das crowdfinanzierte Rankseller als Beispiel. Was bietet dieser Service für Blogger, um an die ersehnte Kohle für die ach so mühsame Bloggerei heranzukommen?
Zitat:
„Sie verdienen auf rankseller dadurch Geld, in dem Sie im Auftrag von Dritten (Advertiser) Texte zu bestimmten Themen selbst schreiben oder von Dritten geschriebene Texte annehmen und veröffentlichen – sofern sie Ihnen inhaltlich zusagen. In den Texten sind meistens ein bis drei Links platziert, die auf einen Inhalt Dritter verlinken.“
Schöne Sache im Grunde genommen. Auf einem Marktplatz werden Werbende und Bloggeria zusammengebracht, man schüttelt Hände und schüttet Geld aus. Wo ist das Problem? Kein Problem. Es gibt nur eine Vermisstenanzeige. Auf was? Auf der Startseite und auf den anderen Unterseiten hat man nicht umsonst und verschämt DEUTLICHE Hinweise ausgelassen, was Deklarationspflichten angeht. Jeder Blogger unterliegt dem Telemediengesetz. Das ihn dazu verpflichtet, kommerzielle Kommunikation klar und deutlich als solche zu kennzeichnen. Punkt. Informiert man Blogger explizit über die rechtlichen Folgen ihres Tuns und was es dabei zu beachten gilt? Ich habe nichts gesehen davon. Vielleicht ist das auch Absicht? Um sich nicht das Geschäft mit einer ausgewogenenen Abwägung von Chancen und Risiken kaputtzumachen? Ist das verantwortlich? Nein. Rankseller bietet diese Option dem Blogger erst bei der Feinzisellierung seiner Ausschreibungsdaten als mögliches Anklick-Feld an, welche Form von Werbung er hinnehmen möchte. Warum Rankseller überhaupt versteckte Werbung zulässt, ist mir absolut schleierhaft und liest sich fast wie eine Anstiftung zur Aufnahme in den Verdummungsclub der Blogger. Rechtlich ganz davon abzusehen.
Was ist nämlich das Doofe dabei? Das Doofe ist nicht, dass es ungebildete Blogger gibt oder gierige Blogger, sogar dumm-gierige Blogger. Das ist nicht doof, sondern lediglich eine Realität. Das Doofe ist, dass eine informative Darstellung der publizistischen Pflichten geschäftsschädigend wirken kann. Auf die Blogger. Die sich mit Rankseller, Rankside und anderen Anbietern womöglich dann nicht mehr einlassen würden. Oder doch, wenn es ihnen völlig egal ist.
Wir BWLer sprechen dann immer vom Risikohandling. Ein dummer Vertragspartner wird sich ungebührlich viele Risiken aufbrummen lassen. Mangels Wissen, Expertise und einer Fettleibigkeit an Naivität. Die Gegenseite wird dem Vertragspartner bestimmte Risiken verschweigen. Denn, wer mehr Risiken trägt, der fährt unsicherere Renditen ein. Die Gegenseite sicherere Renditen. Üblicherweise sind beide Seiten bestrebt, ein Gleichgewicht herzustellen, indem man den Preis anpasst. Der mit dem höheren Risiko bekommt bessere Preise oder höhere Einnahmechancen angeboten. Was immer dann gut funktioniert, wenn beide Seiten gleich gut informiert sind. Oder sogar dann funktioniert, wenn eine Seite gerne hohe Risiken freiwillig trägt.
Angesichts der Art der Geschäfte von Rankseller liegt die Vermutung nahe, dass eine geschäftsmäßige Vorteilsnahme für alle Beteiligten kumulativ höher ausfällt, wenn dafür Sorge getragen wird, dass weder Google (Linkverkauf mag Google nicht) noch Leser etwas davon erfahren, dass es sich um Werbung handelt. Kann stimmen, muss nicht. Die Ökonomische Theorie zu „Moral Hazard“ bestätigt modellhaft solche Annahmen.
Soweit so schön. Alle schütteln schön die Hände und schütten Geld aus.
Worin liegt aber das übermäßige und unverhältnismäßige Risiko für den Blogger, wenn er Werbung ohne Deklaration verklöppelt, weil er entweder darüber nicht informiert wurde, angestiftet wurde oder gar wissentlich nichts davon wissen will?
Das Telemediengesetz besagt klipp und klar:
§ 6 Besondere Informationspflichten bei kommerziellen Kommunikationen
(1) Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten:
1.Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein.
2.Die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muss klar identifizierbar sein.
Wer demnach als Blogger Geschäfte mit Anbietern wie Rankseller macht und aus Versehen oder Absicht diese Verpflichtung vergisst, darf mal locker bis zu 50.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen.
§ 16 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer absichtlich entgegen § 6 Abs. 2 Satz 1 den Absender oder den kommerziellen Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht.
…
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
Die Rechnung für den Blogger lautet recht simpel:
[max -50.000 Risiko x Eintrittswahrscheinlichkeit der Entdeckung]
versus
[+X Einnahmen Euro x Eintrittswahrscheinlichkeit der Nichtentdeckung]
Die Formel ist natürlich etwas komplexer, da Einzelverstöße gerechnet werden, zusätzlich die individuelle Intelligenz und Risikoaversion des Bloggers eine Rolle spielt und der Ignoranzgrad der eigenen Vermögenssituation :)
Doch es fehlt noch etwas auf der Soll-Seite, was hinzukommt:
Ein weiterer Soll-Posten erschließt sich aus dem Wettbewerbsrecht. Jeder Wettbewerber kann gegen den Blogger oder aber sogar gegen den Werbetreibenden und auch Vermittler vorgehen. Die Abmahnfreudigkeit des Deutschen ist des liebsten Anwalts Kind. Welche rechtliche Handhabe hierbei vorliegt? Das ist wiederkauend diesem Artikel über Linkverkauf zu entnehmen, der jedoch auf die Ebene der Nichtdeklaration zu abstrahieren ist.
Der Blogger kann demnach sowohl vom Vermittler, Advertiser, Google, Landesmedienanstalt und Wettbewerbern geschröpft werden. Wenn er zu der Kategorie dumm-dämlich gehört. Da wir Blogger das in seltensten Fällen sind, haben wir aber ein Glück, puh…
Also, habts Spaß, schaltet den Kopf ein und lasst Euch Risiken nicht aufbrummen, die nur zu Euren Lasten gehen, aber nicht wirklich zu Lasten der Vermittler oder Advertiser. Die stecken das weg. Blogger als Laienwerber weniger. Seid keine doofe Schlampe und denkt wirklich nach, wie Ihr Euer Geld verdient. Seid schlau und schlauer als die Anbieter, die es „nur gut mit Euch meinen“. Und wenn Ihr schon die Risiken tragen wollt, handelt weitaus höhere Preise aus. Modellhafte Berechnung der Summen liegt oben anbei aus.
Bild von Jerry Reynolds, Lizenz CC BY-SA 2.0
25.08.2012 um 16:13 Uhr
dienste wie diese gibt es seit jahren, rankseller bruellt jetzt nur lauter. als blogger riskiert man sein ranking. Ich weiss von einem dienst bei dem teilnehmende blogs abgewertet worden sind. Im zuge dessen wurden z.B. dann nur noch nofollow gesetzt, anedert aber nicht viel am Gesamtrisiko. Zusaetzlich natuerlich inhaltlich bedenklich. Der werbetreibende sollte es auch nicht uebertreiben. Und die Preise fuer followlinks sind natuerlich ein Witz.
25.08.2012 um 17:23 Uhr
Wenn man aber mal so rum schaut, gibt es kaum einen Blogger der das nicht macht und viele Unternehmen fragen ständig Blogger an, ob diese nicht mal einen Artikel mit bestimmten Linktext zu deren Seite gegen Bares oder Sachleistung erstellen. Ich selbst bekomm die Anfragen fast täglich und keiner würde nen vermerk haben wollen, das der Artikel gekauft ist…
25.08.2012 um 20:45 Uhr
Interessanter und nicht ganz unwichtiger Einwurf von deiner Seite aus. Aber machst du hier einen Unterschied zwischen den Werbeposts und zum Beispiel einem Artikel über ein Produkt / eine Firma, der selbstverfasst und durchaus kritisch ist? (Oder besser gefragt: Macht das Telemediengesetz da einen Unterschied? :))
Gruß, Max
26.08.2012 um 12:24 Uhr
Hallo Robert,
du hast sicherlich recht, wenn du meinst, das den Letzten bzw. in diesem Fall den Dümmsten immer die Hunde beißen. Man sollte sich aber auch mal umschauen und die Realität da draußen wahrnehmen. Wieviele kleine liebevolle Blogs mit ihrem Taschengeld gibt es denn im Gegensatz zu den unzähligen Affiliate-Sites mit verdeckten Links? Dem einen kann man noch sagen, okay, da warst du einfach doof, aber bei den Profis herrscht einfach nur Vorsatz.
Gruß
AMUNO
26.08.2012 um 12:43 Uhr
das ist mir bewusst, denke ich. Die Pros interessieren mich auch nicht wirklich. Deren Problem, deren Risiko. Oft genug fliegen sie auf die Nase.
27.08.2012 um 09:45 Uhr
Ich meide solche Marktplätze, als Blogger sowie als Marketingverantwortlicher. Bin überrascht, dass die Firma in diesem Jahr so viel Umsatz machen konnte.
27.08.2012 um 23:21 Uhr
Schöner Beitrag zur ökonomischen Analyse des Rechtsbruchs beim Bloggen. Ich habe über das Thema promoviert (in einem anderen Bereich als dem Rechtsbruch beim Bloggen) und selten so anschauliche (und v.a. neue) Beispiele gefunden. Das merke ich mir!
27.08.2012 um 23:22 Uhr
Ps.: Die Kognitionswissenschaftler sagen aber, dass die Rechnung der Ökonomen nicht aufgeht, weil der Handelnde nicht rechnet.
29.08.2012 um 11:32 Uhr
Leider (oder glücklicherweise?) macht unsere Rechtsprechung keinen Unterschied zwischen „aus Dummheit und Unwissenheit reingedappt“ und „mit Vorsatz und in Kenntnis des Risiko die Regeln verletzt“. Und durch die allgemeine Zugänglichkeit des www (bleibe sie uns noch lange erhalten!) wird die „Fettleibigkeit an Naivität“ (genialer Ausdruck!) weiter kräftig zunehmen. Ohne Lizenz darfst du keinen Roller fahren und keinen Schnaps verkaufen, aber Müll im Internet.
29.08.2012 um 11:48 Uhr
das ist korrekt, nur das Bußgeld dürfte schwanken… bei der LMA / beim Wettbewerber schwankt das auch, allerdings richtet sich dann in der Tat nicht mehr nach Unwissen/Vorsatz…