Ja, ne, ist klar. Bei dem Slogan bekommen viele viele Pickel. Kein Wunder, stammt doch das Original aus dem kommunistischen Manifest (das Marx und Engels verfasst hatten). O-Ton: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!„. Die Zeiten waren damals schön einfach: Auf der einen Seite die „Klasse“ der „versklavten Arbeiter“, auf der anderen Seite die Kapitalisten. Einfach war es, Menschen mit derart neuen Ideen gegen etwas zu vereinen.
Und Blogger? Warum organisieren sich Blogger nicht unter einem Dach, wie auch immer das aussehen mag?
André Vatter (Ex-Chefredakteur Basic Thinking) hat einen spannenden Artikel zum Thema Blogger und Gemeinsamkeiten verfasst: Die deutschen Blogger: Was sie vereint und entzweit. Er resümiert, dass Blogger unter keinem Verband zu packen und einen sind, da sie schlichtweg zu unterschiedlich sind:
Die Szene besteht aus erfahrenen, Individualisten, brillanten Einzelkämpfern, flexiblen Kommunikationstalenten ebenso wie aus soziophoben Experten – dazu kommt die Themenvielfalt der Blogosphäre. Welcher Hut könnte jemals solche Dimensionen einnehmen, die nötig wären, um alle darunter zu bekommen? Am Ende hat tatsächlich das Chaos gesiegt – oder besser: die “Anarchie” – wie die Associated Press es damals nannte. Die deutsche Blogosphäre scheint ein kreativer Scherbenhaufen in einer Welt ohne Kleber. Warum? Ich weiß es nicht. Tatsache ist, dass es an gemeinsamen Identifikationspotentialen mangelt.
Was wir von Marxisten lernen können, aber nicht nur von denen? Es braucht einen gemeinsamen Feind. Das ist alt wie Bart und sicher nix Neues. Ich selbst mag es nicht, wenn man etwas gegen sein muss, um für etwas zu sein. André hats in seinem Artikel auch schön aufgeschlüsselt: Immer dann, wenn etwas gegen die Blogger läuft, kommen die Rufe nach einem Verband. Es wird palavert und damit hat es sich dann auch. Dieses Verhalten lässt sich wiederkehrend seit Beginn der deutschen Blogosphäre beobachten. Nur, das „gegen die Blogger“ war bisher nie so stark und breit genug, um in eine organisierte Reaktion zu münden.
Ich selbst sehe es jedoch nicht so negativ wie André, da die Vorteile eines organisierten, arbeitsteiligen, dauerhaften und zielgerichteten Zusammenschlusses auf der Hand liegen (und das sogar unter Ausschluss der „ich bin gegen etwas“-Argumente). Unsere Geschichte als Mensch besteht ja fast schon ausschließlich aus Zusammenschlüssen aller Arten, wie sollte es auch anders sein. „Blogger“ sind keine geschichtliche Ausnahme.
Ergo? Die Beschreibung von André ist zwar schlüssig in sich, etwas zu erklären, was nicht stattgefunden hat. Heißt aber nicht, dass es nicht stattfinden wird. Ich tippe, dass sich eher im professionellen Bereich etwas tun wird (ProBlogger, Corporate Blogger, …).
Warum soll es nicht von Amateur-Bloggern ausgehen? Der Herzschmerz von privaten Bloggern ob Einschränkungen ihrer Meinungsfreiheit scheint mir noch zu unausgeprägt zu sein, es gab „noch nicht genug“ Abmahnarien offensichtlich. Obwohl ich zahlreiche Blogger kenne, die aufgrund der Abmahn-Erfahrungen Dritter lieber die eigene Klappe halten. Mir ist das völlig unverständlich, freiheitliche Einschnitte hinzunehmen. Nein, nicht unerklärlich. Das liegt am Bewusstsein ob der bloggenden Aktivität, die sehr diffus erscheint. Man „bloggt halt so lala“, wozu Kopf machen, was so einfach geht? Da brauchts dann auch keine eigene Interessensvertretung, wenn das Eigeninteresse am Bloggen so low level ist. Ist klar.
24.11.2010 um 15:32 Uhr
Blog-Anarchie gefällt mir sehr gut als Beschreibung dessen warum es nicht „DIE BLOG-VEREINIGUNG“ gibt worunter eben jene Blogger unter „einem Dach“ fassbar sind.
24.11.2010 um 18:01 Uhr
Nö du, keinen Bock drauf.
24.11.2010 um 18:53 Uhr
Wenn er wirklich kommt, der neue JMSTV, mit der Klausel das Blogger ihre Blogs einschätzen müssen (z.B. FSK ab 18) und das auch noch gut kenntlich auf den Blogs ->> Dann möchte ich gerne einen Verband.
24.11.2010 um 19:31 Uhr
Ich weiß wie angenehm einfach es ist, Mark zu dissen, dass ist aber noch kein Grund Zitate verürzt darzustellen. Im Kommunistischen Manifest heißt es nämlich:
„Proletarier aller Länder vereinigt euch. Ihr habt nichts zu verlieren außer euren Ketten.“
Auf Blogger angewendet bliebe demnach die berechtigte Frage, was „wir“ zu verlieren hätten, wenn wir uns untr einen Verband subsummieren liessen…
24.11.2010 um 21:03 Uhr
@Steffen Man hätte eine Lobby, außerdem steht es ja auch jedem frei ob er Mitglied werden will oder nich.
24.11.2010 um 22:00 Uhr
Hey Robert, danke, dass du die Diskussion aufgegriffen hast. Dass die Pro-/Corporate-Blogger wohl die ersten sein werden, die zum Zuge kommen, scheint mehr als wahrscheinlich. Allerdings sind gerade das die Leute, die bereits eine Lobby im Rücken haben.
Mir ging es um das Gefeixte, um die hässlichen Häuserkämpfe, die man sich immer wieder liefert. Als gehöre es per definitionem zum Bloggen dazu, dass man Einzelkämpfer ist. Das nervt. Das nervt so richtig. Mir fällt nichts anderes ein, wie sich dies ändern ließe. Außer, Berlin führt eine WordPress-Steuer ein. Dann stehen alle plötzlich Spalier…
Aus meinem Comment drüben:
Übrigens war es nicht mein Anliegen, die alte Diskussion einer Gewerkschaft wieder aufleben zu lassen – zumindest nicht vordergründig. Das Unternehmen scheint hoffnungslos, wenn man es nicht einmal schafft, zunächst so etwas wie schlichte Solidarität unter Bloggern herzustellen.
Es ging mir darum, dass man aufeinander achtet. Warum soll die Vernetzung nicht enger werden? Warum wird gefeixt, wenn Jungblogger zum Beispiel ins Messer laufen, weil sie wieder einmal einfach ein Pic von der Google Bildersuche genommen und daraufhin die Getty-Abmahung bekommen haben? Woher sollen sie denn wissen, wie es läuft? Von SpOn? “Haha, LOL, ROFL, EPIC FAIL!”, sagen da einige – und profilieren sich lieber über ihre Schwanzvergleiche.
Rankings gibt es auch bei etablierten Medien. Trotzdem gibt es den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger, den Börsenverein des deutschen Buchhandels, den Deutscher Journalisten Verband, den Bundesverband digitale Wirtschaft usw. Da hat man kapiert, dass man – obwohl Wettbewerber – prima voneinander profitieren kann.
24.11.2010 um 22:04 Uhr
Ein irgendwie unangenehmer Artikel. „Amateur-Blogger“ sind also Leute, die sich von „ProBloggern“ und „CorporateBloggern“ unterscheiden und sich gar nicht wirklich für eine Interessensvertretung interessieren, weil sie sich gar nicht so sehr fürs Bloggen begeistern und „low level“ bloggen?
Ich drehe es mal mit ähnlich drastischer Polemik um: Corporate Blogger sind Leute, die seelenlose PR-Texte für Geld in Blogs tippen, „Pro-Blogger“ sind die Gestalten, die viele Besucher bekommen, weil sie über hippe Trend-Themen wie etwa Technologie, Social Media oder das Bloggen und die belanglosen Befindlichkeiten der Blogosphäre bloggen. Diejenigen, die sich in letzterer Beschreibung wiederfinden, dürfen sich von mir aus gerne irgendeine Interessensvertretung basteln, noch vier weitere Manifeste zur Zukunft des Internets unterschreiben, sich gegenseitig in langen Blogartikeln Dummheit vorwerfen und dann mal langsam in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, aus der sie mit einigen lobenswerten Ausnahmen (die eben nicht nur um sich selbst kreisen) eigentlich nie rausgekommen sind.
Oder anders: Echte Blogger sind für mich diejenigen, die mit Begeisterung über ein bestimmtes Thema schreiben und sich nur am Rande dafür interessieren, ob sie jetzt Alpha-, Beta- oder Corporate-Blogger sind und was die anderen Blogger denn so denken. Genau diese Leute sind aber ziemlich verschiedene Figuren, die sich nicht in Reih und Glied mit dem Stöckchen in der Hand aufstellen, wenn wieder die nächste Sau durchs Social Media-Dorf getrieben wird. Und das ist auch gut so.
25.11.2010 um 02:56 Uhr
Vielleicht entsteht eines Tages eine Abmahnversicherungsgruppe für Blogger.
26.11.2010 um 20:40 Uhr
Schätze, irgendwann werden sich bestimmte Gruppen von Bloggern ohnehin zusammentun, aus reiner Notwehr – vielleicht in kleinen virtuellen „Kommunen“, wie sie dieser spannende Text aus Frankreich kommen sieht: http://catinnovations.wordpress.com/2010/11/25/124-von-den-franzosen-lernen-ii/