Es ist schon „lustig“. Es gibt Internetfirmen, die haben mehr Kunden als klassische Konzerne wie IBM, Daimler oder Siemens. Allen voran Facebook und Google. Die Kunden nennt man dann meistens Nutzer, manche Nutzer sind wiederum zahlende Kunden (meistens Werbekunden). Aber als normaler Nutzer bist Du mehr oder minder aufgeschmissen, wenn eines der schönen Systeme nicht mehr geht.
Klar kannst Du den „Support“ um Hilfe bitten. Dazu muss man oftmals in den Untiefen der Help-Systeme der Anbieter wühlen. Entweder schickt man dann vorformulierte Fragen via Formular los oder aber man darf einen eigenen Text eintippen. In der Regel bekommt man dann eine Antwort, manchmal nach Tagen und Wochen. Manchmal nie. Twitter ist dafür bekannt, dass deren Support nicht gerade glänzt, Verbraucherverbände würden von unterirdisch sprechen. In der Regel bekommt man – wenn man eine Antwort bekommt – eine vorformulierte Antwort aus der Schublade. Gerade bei Google ist es hinlänglich bekannt, dass diese vorformulierten Antworten gerne nebulös sind. So bleibt der Nutzer ratlos und je nach Dringlichkeit rastlos auf der Strecke.
Betrachten wir die Anbieterseite, ist es eigentlich nur zu verständlich, dass angesichts der Unzahl an Nutzern ein ausgefeiltes, persönliches Supportsystem eine Achillesferse ist. Es ist eine Kostenfrage, wie groß das Supportteam sein soll. Bei über 600 Millionen Facebook-Nutzern, bei wohl knapp 1 Mrd. Google-Nutzern, bei über 100 Mio Twitter-Nutzern? Die möglichen Supportfälle sind mit Sicherheit unzählig. Die Problematik der globalen Präsenz eine eigene Geschichte für sich selbst, die den Problemkomplex nochmals potenziert. Technische Probleme, Verständnisfragen, Fehlbedienungen, Nutzerstreitigkeiten, Betrug, rechtliche Probleme, und und und. Wie soll man Support so designen, dass er User zufrieden stellt, ohne die Kosten explodieren zu lassen? Es wäre jedoch verkürzt, nur die Kosten zu betrachten.
Noch etwas kommt hinzu: Erfolgreiche Anbieter verzeichnen ein explosionsartiges Wachstum. Solange das „Internet“ ein derart wachsender Markt ist, spielt die Frage des Supports eine nachrangige Rolle. Wachstum um jeden Preis steht an erster Stelle, ebenso das Mitwachsen der Organistarik des Unternehmens. Das mit zunehmender Größe immer mehr zu einem Problem wird. Davon kann Google ein Lied singen. Facebook und Twitter werden dieses Lied ebenso singen. Heißt? Support wird in der Wachstumsphase vernachlässigt, da Service nicht der Wachstumstreiber ist. Internetfirmen verstehen Service eher als eine Frage der Funktionen. Service ist für Google das Design der Suchmaschinerie dergestalt, dass der User das System versteht und so schnell wie nur möglich Antworten bekommt. So bleibt Support oftmals auf der Strecke, da es nicht die Top-Prio bekommt. Noch ein Punkt kommt hinzu, nebst Kosten und Priorisierung.
Selbstverständlich gehört der Support-Bereich zu einem extrem komplexen Bereich. Welche Technik soll angewendet werden, welche Mitarbeiter braucht man, wo sollen die sitzen, wie sind die Prozesse zu gestalten, für welche Sprachen bzw. Länder braucht man zuerst einen einigermaßen ausreichenden Support, wer baut das KI-System, wie soll man das Hilfesystem (User helfen User) planen, wie soll man das rechtliche Rahmenwerk der einzelnen Länder beachten, wie kann man Useranfragen priorisieren? Ich habe selbst schon mal zu meiner Angestelltenzeit den Aufbau eines innerbetrieblichen Supportcenters verfolgen können. Es ging lediglich um 100.000 Nutzer, nicht um 600 Millionen, und es war dennoch extrem komplex. Einen guten Support aufzubauen, ist nicht nur eine Kunst für sich, sondern auch ein langer Lernprozess, der einen steten Wandel nach sich zieht. Ach ja, selbstredend, Support-Spezialisten wachsen nicht auf den Bäumen, wenn man schon einen Supportbereich aus-/aufbauen möchte. Der Aufbau eines guten, innerbetrieblichen Supports ist nicht nur eine Frage hoher Qualitätsansprüche. Er wird durch die Geschäftsbereiche limitiert, die als Abnehmer von Supportleistungen selbstverständlich für die Kosten aufkommen müssen. Hier wird in der Regel hart verhandelt und geplant. Wenn dann unter dem Strich pro Supportanfrage zu wenig bezahlt wird, muss das Supportcenter Abstriche machen. Beim Personal, bei der Technik, bei der weiteren Planung. Und wer verhandelt bei Internetfirmen für die Nutzer? Niemand. Es gibt daher keinen Markt in dem Sinne für Support, der sich im Gegensatz zu innerbetrieblichen Vorgängen als Ergebnis von Budgetplanungen ergeben könnte. Es bleibt den Internetanbietern selbst überlassen, wie sie die Schmerzgrenzen der Nutzer definieren.
Wann ändert sich das Bild in Richtung eines besseren Services im Sinne von Support? Sobald Märkte nicht mehr wachsen, sondern ein Verdrängungswettbewerb stattfindet. Dann werden auf einmal Fragen des Services als Abgrenzungsmöglichkeit interessant. Wir beobachten das hierzulande im Telekommunikationssektor. Firmen wie Vodafone und Deutsche Telekom haben schmerzlich erfahren müssen, was es heißt, wenn ein Kunde ein Problem hat und ihm nicht geholfen wird.
Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich Anbieter im Netz verhalten werden, sobald das Internet kein purer Wachstumsmarkt mehr ist. Wird in den Support mehr investiert? Keine Ahnung. Solange jedoch Support stiefmütterlich behandelt wird, müssen es Nutzer hinnehmen, dass sie eben Pech haben, wenn etwas nicht gut läuft. Es bedeutet jedoch noch mehr: Wenn Nutzer das Gefühl haben, dass sie im Problemfall im Regen stehen, wie groß wird das allgemeine Marktvertrauen in Cloud-Services sein? Wo man an Support gespart hat, muss man ungleich mehr Geld in den Vertrauensaufbau investieren. Ob die Internetanbieter bis dato klug agiert haben? Ich will es gerne bezweifeln.
10.05.2011 um 09:39 Uhr
Es gibt ja auch unterschiedlichen Support. Denn viele User sind auch einfach nur zu „dämlich“ zu lesen und machen die klassischen Bedienerfehler. Für die sind vorformulierte Antworten schon gut. Ich kenne das selber das „Hinz und Kunz“ mich mit Mails zugeschüttet haben oder mich angerufen haben. Dabei standen die gewünschten Informationen wie Bäume im Wald auf der Seite.
Für richtigen Support, also Rechtsgeschichten und ähnliche Fälle sollte schon ein fachlich kompetenter Support zur Stelle sein. Das wird in der Tat von vielen Anbietern noch stark vernachlässigt. Es ist aber auch schwierig für die Firmen, weil gerade dieser Posten einen hohen Kostenfaktor verursacht, der durch das Personal entsteht.
10.05.2011 um 13:40 Uhr
@ Tanja
Mit „zu dämlich“ meine ich wirklich die User die einfach nur zu faul zum lesen sind und das sind keine wirklichen Support Probleme. Ich versuche Webseiten auch immer so „Idiotensicher“ wie möglich zu gestalten, weil 99% der Besucher einfache User sind und keine Nerds wie wir…
Und sicherlich ist „guter“ Support für jede Firma wichtig, denn daran wird auch der Erfolg gemessen. Ein unzufriedener Kunde braucht erst wieder 10 zufriedene Kunden um das auszugleichen.
Viele Firmen schlafen aber noch und verkennen die Power des Internets. Das betrifft nicht nur die großen, sondern auch den Handwerker um die Ecke. Wer das jetzt erkennt kann ein paar Nasenlängen Vorsprung erhalten.
10.05.2011 um 12:52 Uhr
@ Carsten: „Zu dämlich zu lesen…“
Das kann ich auf keinen Fall unterschreiben. Wenn die Nutzer Probleme haben, liegt das meiner Meinung nach auch an mangelnder Usability. Wir nehmen solche Nutzerprobleme deshalb sehr ernst. Schließlich entwickeln wir für die Kunden, und die sollen eine gute Erfahrung haben.
Auch als Internetunternehmen kann man guten Support machen, schließlich stehen echte Menschen im Hintergrund. Wir bieten unseren Kunden deshalb nicht nur Support per E-Mail, sondern auch einen kostenlosen Rückrufservice. Klar, dass die Reaktionen zeitnah passieren müssen – Kunden wollen gleich Hilfe, nicht erst in einer Woche. Das kostet natürlich Zeit und Geld – ist es aber auch wert.
Natürlich gibt’s schwarze Schafe – denke aber, dass guter Service sich in Zukunft durchsetzen wird. Denn das Angebot an Diensten wächst und wächst – und damit wird sich jedes Unternehmen überlegen müssen, ob es ohne Kundenorientierung auskommen kann. Ich tippe auf: Nein. :)
10.05.2011 um 13:59 Uhr
@ Na dann, zu faul lässt das Ganze schon anders klingen. Und als Nerds würde ich uns jetzt nicht bezeichnen – nur als aufgeschlossen. ;)
Liebe Grüße, Tanja
11.05.2011 um 10:03 Uhr
Der mangelnde Support, vor individualität strotzende Textbausteine und lange Antwortzeiten sind bei weitem nicht nur ein großes Manko von Internet Unternehmen. Auch der klassische Handel (der schon seit Jahren erfolgreich am Markt ist) bekommt sowas meistens nicht auf die Reihe (oder will es nicht). Grad letztens wieder erlebt, dass Fragen einfach aufgrund der Textbausteine übergangen wurden. Und dafür wurden dann 5 Werktage benötigt. Das ist m.E. das Problem bei Marktführern, bzw. konkurrenzlosen Produkten: „Scheiß auf den Support, die kaufen trotzdem bei uns“. Leider leider kein Einzelfall. Wird Zeit, dass es gleichwertige Produkte gibt, so dass der Verbraucher hier die Wahl hat. Alternativ kann man nur hoffen, dass man den Support nie benötigt.
13.05.2011 um 10:56 Uhr
Das ist ein schweres Thema… Leider ist ein Großteil der Internetnutzer immernoch weit unter jeglichen Grundkenntnissen, die man für das Internet haben sollte. D.h. trotz eingängiger Erklärungen schaffen die Leute es nicht, bei komplexeren Problemen z.B. einen Screenshot zu schicken.
Darüber hinaus haben Leute bei kostenlosen Diensten oft eine völlig respektlose Erwartungshaltung. Jemand mailt z.B. um 20:45h am Sonntag Abend eine völlig unkritische Support-Mail, die eher Computer-Schulung beinhaltet, als leistungsbezogene Fragestellungen. Um 23:12h kommt dann die erste (von 3 in dieser Sonntagsnacht) Beschweremails, dass wir noch nicht geantwortet haben! WTF?
Es gäbe eine ganz radikale alternative Lösung: Wir nehmen wieder 99% der Bevölkerung das Internet weg. Dann gibt es zwar viele schöne Dienste nicht mehr, aber dafür treiben sich nicht an jeder Ecke völlige Nulpen herum.
17.05.2011 um 21:35 Uhr
Auch meines erachtens ist der User oft zu faul. Hallo?!?! Wir sind im Internet, wenn ich nicht selbst auf die Lösung meines Problems komme, dann ist die nächste Seite auf der ich lande Bing oder Google und ich suche nach meinem Problem. Mit der Methode konnte ich bis jetzt jede Frage aus der Welt schaffen. Für was gibts denn die unzähligen Internetforen?! Und auf diesen themenspezifischen Foren ist eine so große User-Gemeinde unterwegs, dass die Fragen in der Regel in kürzester Zeit beantwortet sind.
Es ist nur ein logischer Denkprozess, der bewerkstelligt werden muss. Das sollte jeder Mensch hinbekommen, der sich im Internet bewegt…
18.05.2011 um 08:24 Uhr
@ Oliver & Basti: Ich finde wirklich, es ist nicht nur Faulheit und es gibt meiner Meinung nach auch keine „Bildungsschranke“ für das Internet. Nicht jeder ist mit einem PC aufgewachsen, und viele Menschen haben große Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie einer gegoogelten Lösung folgen. Der Respekt vor dem Computer ist bei manchen einfach sehr groß.
Ganz ehrlich: Ich freue mich, wenn mir diese Menschen ein Supportmail schreiben – auch wenn es mitten in der Nacht ist. Denn so weiß ich, mit welchen Problemen unsere Kunden kämpfen, welche Wünsche und Anliegen sie haben. Schließlich entwickeln wir für Menschen. Und wenn das Produkt für den Kunden nicht funktioniert, dann ist ganz klar, was sich ändern muss: Das Produkt. Persönlicher Service ist ja nicht nur eine Hilfe für den Kunden, sondern auch eine super Möglichkeit, um Rückmeldungen zu sammeln, die das Unternehmen weiterbringen.