10 Jahre sind eine lange Zeit. Wie schaut es zunächst einmal heute aus, wenn wir Social Networks betrachten? Facebook prescht in Deutschland vor, mit +16 Mio Mitgliedern ist es die unangefochtene No.1. Auch was die regelmäßige Nutzung angeht, scheint Facebook die Nase vorne zu haben.
Welche Social Networks spielen in Deutschland eine Rolle?
Neben Facebook spielen die VZ-Netze, Stayfriends, WKW, Lokalisten, Spin, Xing und LinkedIn eine Rolle auf dem deutschen Markt. Summiert man die Mitgliederzahlen auf, kommt man grob auf über 30 Mio Mitglieder. Ich weiß allerdings nicht, in wie vielen Netzen Mitglieder mehrfach registriert sind. Es ist davon auszugehen, dass wohl knapp die Hälfte aller Internetnutzer Deutschlands (rund 52 Mio) mindestens in einem sozialen Netz unterwegs sind. Aktuellste Zahlen konnte ich auf die Schnelle nicht finden, die eine Gesamtübersicht bieten. Nur eine relativ aktuelle Pressemeldung von Comscore, die von 38 Mio Nutzern im Sommer 2010 sprach.
Was ist der Produktkern eines Social Networks?
Nun steht ja nicht erst seit gestern die Frage im Raum, ob Social Networks in der heutigen Form eine reine Modeerscheinung sind oder aber eine bleibende bzw. nachhaltige Nutzung erfahren werden. Betrachtet man hierzu den Produktkern, bleiben zwei zentrale Aspekte über: Die Abbildung sozialer Beziehungen über eine explizite Angabe, mit wem man „befreundet“ ist, stellt die Grundbasis dar. Und die sich daraus ergebende Kommunikation über Text, Bild, aber auch Aktionen („User X hat dies und jenes getan“) ist der zweite Zentralaspekt des Produktkerns, basierend auf dem sozialen Beziehungsgeflecht. Gemeinhin wird die digitale Abbildung der sozialen Aktivitäten innerhalb eines Social Networks als Social Graph bezeichnet (diese Bezeichnung hat Mark Zuckerberg anno 2007 geprägt).
Sind Social Networks zukunftssicher?
Schön, wir haben einen Social Graph und wir können im Moment lediglich feststellen, dass sich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit diese Art von Software einer großen Beliebtheit erfreut. Warum soll die Frage eine Rolle spielen, ob dieser Softwaretypus eine Modeerscheinung ist oder nicht? Statisch betrachtet ist diese Frage für alle relevant, die jetzt Entscheidungen im Rahmen der Social Networking Nutzung treffen, sei es wirtschaftlich, gesellschaftlich oder politisch motiviert. Und dabei stark auf die Gegenwart und junge Vergangenheit abheben. Dynamisch betrachtet ist diese Frage ebenso für alle relevant, die heute eine Entscheidung treffen und dabei wissen wollen, wie viel Zeit und Energie man zukünftig investieren soll. Es hängt davon ab, wie positiv oder negativ man die Zukunft der Social Networks einschätzt. Mittelfristig (für die nächsten 2-3 Jahre) und langfristig (für die nächsten 5-10 Jahre).
Angesichts der massiven Popularität von Social Networks, die in einem sehr kurzen Zeitraum von rund 5 Jahren im Internet ihren Platz gefunden haben, fällt eine ausgewogene Einschätzung schwer. Ständig liest man etwas von Monsterzahlen, Facebook sei 50 Mrd USD wert, Twitter soll für 10 Mrd von Google beäugt werden, Facebook habe Google überholt, Facebook habe über 600 Mio Mitglieder weltweit und so weiter und so fort. Facebook ist außer im asiatischen Raum das Synonym für Social Networks geworden (Facebook hat erst in 2010 Indien erobert, in Russland, China und Japan spielt Facebook keine dominierende Rolle).
Hinzu kommt der immense Marktdruck seitens der Unternehmen. Agenturen springen allerorten auf den „digital too“-Zug auf, Social Media ist das Stichwort en vogue, Unternehmen fragen umgekehrt nach Social Media Dienstleistungen. Facebook steht hierbei im Zentrum der Aktivitäten. Zumal seitens der Werbeindustrie die Sprache davon ist, dass dieser Player ca. 16% aller Display-Banner in Deutschland auf sich vereinnahmt, in den USA (als Trendsetter-Markt) sogar 28%.
Kommt man angesichts der Nutzungspopularität und des wirtschaftlichen Drucks überhaupt noch an Social Networks und allen voran Facebook als deren Synonym vorbei? Sprich, kann man ernsthaft von einer Modeerscheinung sprechen? Und damit Entscheidungen als zukunftsträchtig bewerten, wenn man in Social Networks aktiv wird?
Populäre Anwendungsmuster im Netz
Anders gesprochen, werden sich Social Networks neben den bis dato populären Anwendungsmustern im Netz dauerhaft etablieren? Was sind populäre Anwendungsmuster und Beispiele daraus?
– Mail (Outlook, Thunderbird, Hotmail, Googlemail)
– Chat (MS + Yahoo Messenger, ICQ, AIM, Skype, QQ)
– News- und Informationsportale jeglicher Art (Google, Yahoo, Spon, CNN, Craigslist, Gelbe Seiten)
– Foren (phpBB, vBulletin, YaBB, Phorum, Usenet)
– eCommerce (ebay, Amazon, Otto, Neckermann)
– Onlinegames (Spielaffe, Social Games)
– Filesharing/p2p Netze (Napster, Gnutella, Freenet)
– Videoportale (Youtube, Dailymotion, MyVideo)
Wie unterscheiden sich die Anwendungsmuster seitens Zugang und Technik?
Sämtlichen Anwendung ist es zu eigen, dass sie recht kurz nach ihrer Erfindung und entscheidenden, anschließenden Verbreitung ihre heutige Produktform gefunden haben. Einige Anwendungsmuster zeigen eher eine Browser-basierende Nutzung, andere eine eher NonBrowser-basierende Nutzung (z.B. Chat- und Mailprogramme) und eine dritte Gruppe eine ziemlich ausgewogene Mischung (allen voran Onlinegames). Auch kann man die Anwendungsmuster nach ihrem technischen Basisprotokoll unterscheiden. So basiert Mail auf einem eigenen, separaten Protokoll ebenso wie Filesharing-Netze oder the good old Usenet. News-, eCommerce- und Videoanbieter basieren im Wesentlich auf dem HTTP-Protokoll.
Protokolle, Protokolle, Protokolle
Nun mag es überraschen oder nicht, dass ausgerechnet stark kommunikativ lastige Anwendungsmuster wie Chat und Mail ein eigenes Protokoll zu Grunde liegt. Das naturgemäß historisch erklärbar ist, betrachtet man die Zeitleiste der Erfindungen rund um das Internet. Aber auch mit der Tatsache erklärbar ist, dass eine Kommunikation zwischen zwei Personen einer eigenen Lösung im Auge des Erfinders bedarf, die nicht unbedingt via Browser und HTTP lösbar sein muss. Sobald eine Kommunikation als many-to-many System betrachtet wird, entstanden eher typische, heutige Softwarelösungen wie etwa Foren, die wir mittels Browser abrufen. Das damalige Usenet kann man fast schon als Ausnahme dieser Regel betrachten, so hat sich diese Lösung nicht massiv durchgesetzt und erfährt heute nicht mehr die Popularität wie in früheren Zeiten (vor 2000). Und Mailing? Dies hat eine Art von dualer Entwicklung erfahren. Auf der einen Seite haben sich Mailingprogramme weltweit durchgesetzt (Outlook, Notes, Thunderbird..). Auf der anderen Seite wurden ab ca. 1995 auch Browser basierende Lösungen immens populär. So weisen Hotmail, Yahoo Mail und Googlemail weltweit rund 800 Mio Nutzer auf (Quelle).
Haben Social Networks ein eigenes Protokoll?
Und Social Networks? Social Networks erfahren im Moment eine eher HTTP-Protokoll basierende Nutzung (sprich Browser), eigene Client-Lösungen werden erst seit der Zunahme der mobilen Internetnutzung populärer. Betrachten wir jedoch die bisherigen kommunikativen Lösungen, müssen wir feststellen, dass bis dato kein adäquates Übertragungs-Protokoll existiert, das über HTTP hinausginge. Ist das etwa eine geschichtliche Anomalie oder bloß der Popularität der Browser als zentralster Anwender-Zugang zum Internet geschuldet? Mangelt es Social Networking-Anbietern an Fantasie? Wozu braucht ein Social Network überhaupt ein eigenes Protokoll?
Zunächst einmal, was ist ein Protokoll?
Wikipedia:
In der Informatik und in der Telekommunikation ist ein Protokoll eine Vereinbarung, nach der die Verbindung, Kommunikation und Datenübertragung zwischen zwei Parteien ablaufen. In seiner einfachsten Form kann ein Protokoll definiert werden als die Regeln, die Syntax, Semantik und Synchronisation der Kommunikation bestimmen. Protokolle können durch Hardware, Software oder eine Kombination von beiden implementiert werden. Auf der untersten Ebene definiert ein Protokoll das Verhalten der Verbindungs-Hardware.
Welche Bedeutung haben Protokolle im Internet?
Nun, die Antwort ist recht einfach: Ohne Protokolle wäre eine Kommunikation via Internet in der massiven Verbreitung nicht möglich gewesen (die Internetprotokollfamilie kennt rund 500 Protokolle!!). Die Standardisierung technischer Übertragungsformen sichert und gewährleistet Innovationen, Investitionen und stellt die Basis für Anwendungsmuster im Netz dar. Man kann deren Bedeutung, auch wenn sie für Nutzer mehr oder minder unsichtbar ist, nicht genug hoch einschätzen. Ohne diese Standardisierungen wäre die Nutzung des heutigen Internets niemals in dieser kurzen Zeit möglich gewesen. Ganz zentral ist der Gedanke, dass jeglicher Lösungsanbieter auf dem Protokoll aufbauend eigene Lösungen basierend aus Software und Hardware herstellen kann. Die Vielfalt dieses unendlichen Lösungswettbewerbs befördert den Nutzen der Anwender, befriedigt individuelle Bedürfnisse und schafft nicht zuletzt immense wirtschaftliche Mehrwerte. Dies – die Protkollierung und damit Standardisierung von bloßen Ideen und die letztendlich daraus resultierende Vielfalt an Lösungen – ist der einzige Faktor, nebst den Menschen als Erfinder dahinter, warum bestimmte Techniken eine globale Ausbreitung erfahren, in kürzester Zeit. Das gilt ganz besonders für digitale Techniken. Handel wie auch Straßenverkehr haben von Standards übrigens ebenso ungemein profitiert, dies ist nicht nur der Digitaltechnik vorbehalten übrigens.
Werden soziale Netzanbieter der Zukunft gerecht?
Nehmen wir an, dass sämtliche Menschen eines Tages in mindestens einem Social Network registriert und aktiv sein werden. Theoretisch wäre damit der gesamte Globus vernetzt. Nehmen wir weiterhin an, dass im Zuge der globalen Einführung des IPV6-Protokolls und Vergabe entsprechender IP-Adressen anno 2011 (!) das ominöse „Internet of Things“ eine Explosion an Lösungen erfahren wird (Dinge werden mit Dingen kommunizieren, Dinge mit Menschen und vica versa). Und nehmen wir zu guter Letzt an, dass die mobile Nutzung des Internets die stationäre Nutzung eines Tages überholt (was jetzt schon realistisch und absehbar ist).
Das Ergebnis wäre, dass sämtliche Objekte der Realität von einem sozialen Layer umhüllt werden. Verständlicher? Unabhängig von Zeit und Raum kann ich als Mensch einen sozialen Kontext herstellen. Zu den Dingen und Menschen, die mich umgeben. Ob ich nun an einem Urlaubsort bin, mich unter fremden Menschen bewege oder just einer Arbeitstätigkeit nachgehe. Zu jedem Zeitpunkt kann ich erfahren, wer sich wo wann mit was beschäftigt. Jedes reale Objekt wird menschliche Nutzungssignaturen hinterlassen. Ist das mir fremde Cafe in Ordnung, welche Menschen halten sich in der Disco auf, wem gehört dieses Auto, kann ich dem Händler vertrauen, welche Freunde haben diesen Sportschuh gekauft, wer besitzt noch dieses Computermodell und hat ähnliche Probleme, etc usw usw. Erst mittels dem sozialen Protokoll (das es so noch nicht gibt) kann eine digitale Beziehung zwischen Mensch-Objekt-Mensch hergestellt werden, unabhängig von Raum und Zeit. Die Vorteile liegen auf der Hand, die Szenarien im Sinne eines Vorteils für den Anwender sind nahezu unendlich.
Die Antwort auf dieses nicht mehr ferne Szenario ist nicht ein Social Network in der heutigen Form. Zu jedem Zeitpunkt, zu jedem Ort, zu jedem Ding und zu jedem Menschen benötige ich im Rahmen eines eigenen SNPs (Social Network Protokoll) eine zuverlässige Handhabe der Datenübertragung, deren Eigenschaften wie folgt adäquat zu den Anforderungen an ein Protokoll sind (Zitat):
– Feststellen der zugrundeliegenden physikalischen Verbindung oder der Existenz des anderen Endpunkts der Verbindung
– Datenflusskontrolle (Handshaking)
– Vereinbarung der verschiedenen Verbindungscharakteristiken
– Wie eine Botschaft beginnt und endet
– Wie eine Botschaft formatiert ist
– Was mit beschädigten oder falsch formatierten Botschaften getan wird (Fehlerkorrekturverfahren)
– Wie unerwarteter Verlust der Verbindung festgestellt wird und was dann zu geschehen hat
– Beendigung der Verbindung.
Es ist ein Leichtes, die zu füllenden Eigenschaften eines SNPs darin unterzubringen. Und es wäre die Grundlage, vielfältigere Lösungen mit kleinsten, denkbar unterschiedlichsten Informationsobjekten rund um den sozialen Graphen zu schaffen. Wir können diese Explosion an Ideen ansatzweise bei Facebook beobachten: Durch die Öffnung von Facebook in Richtung App-Anbietern wurde ein kleiner Kosmos geschaffen. Nur, die Vorgaben kommen von Facebook, die Möglichkeiten und Ideen sind stark begrenzt, in den Mauern von Facebook gefangen, abhängig vom Ideenreichtum von Facebook. Das ist jedoch viel zu begrenzt.
Bedeutung eines eigenen Social Networking Protokolls
Erst mittels einem Social Networking Protokoll kann ich den Mensch in die Lage versetzen, über die Welt einen sozialen Layer zu legen, einen Kontext schaffen, der geschichtlich gesehen alles in den Schatten stellt. Das SNP schafft die notwendige Grundlage für eine Reihe von Lösungen (die ich oben ansatzweise geschildert habe), die heute so nicht möglich sind, da sie seitens der Social Networking Anbieter verwehrt und blockiert werden. Kein Wunder, atmen die Anbieter nicht den Geist der Internetväter. Lösungsanbieter können heute keine Lösungen anbieten, da sie kein Protokoll haben, auf das sie sich unabhängig des Social Networking Anbieters verlassen könnten. Der soziale, weltumspannende Kontext ist zur Zeit blockiert. Sie bleiben stets von der API des SN Anbieters abhängig. Für einen globalen Wettbewerb an Ideen und Lösungen stellt das keine gute Basis dar. Investitionssicher ist das ebenso wenig, zumal entsprechende Lösungen, wie ich sie oben gezeichnet habe, kosten Unsummen an Geld. Menschen mit Menschen unabhängig von Raum und Zeit zu verbinden, darüber hinaus Dinge mit Dingen und Dinge mit Menschen ebenso, damit den Social Graph erheblich zu erweitern, stellt in meinen Augen ein gigantisches Nutzungsfeuerwerk dar.
Worthülsen
Es kann auch gut sein, dass ich nicht verstanden werde. Ich bizarr denke oder mich nicht klar ausdrücke. Das kann gut sein. So wurde ein JCR Licklider auch nicht verstanden, zuächst, als er meinte:
The hope is that, in not too many years, human brains and computing machines will be coupled together very tightly, and that the resulting partnership will think as no human brain has ever thought and process data in a way not approached by the information-handling machines we know today… Those years should be intellectually the most creative and exciting in the history of mankind.
Diese Worte schrieb er 1960 in seinem Manifest Man Computer Symbiosis. Wikipedia über Licklider: Er gilt als Gründerfigur der Künstlichen Intelligenz, moderner Interaktions-Konzepte für Computer, sowie des Time-Sharings und des Internets.
Er schrieb diese Gedanken zu einer Zeit nieder, als die zentralen Computer noch reine Rechenmaschinen waren. Seine Idee erscheint uns heute so banal: Den Mensch via Maschinen miteinander zu verbinden. Er schien eine Ahnung zu haben, mehr emotional denn rational, welche Auswirkungen das haben wird. Damals war das eine großartige Erkenntnis und mit ein wichtiger Anstoß zum heutigen Internet.
Doch die Entwicklung bleibt nicht stehen. Wir Menschen denken weiter. Immer. Er, Licklider, wurde verstanden, ich habe diesen Anspruch nicht. Selbstverständlich verfüge ich nicht über einen auch nur annähernd großartigen Intellekt wie Licklider noch kann ich meine Worte und Vorstellungen mit seinen messen. Dennoch erlaube ich mir einen Blick in die Zukunft der Social Networks, 10 Jahre in die Ferne geblickt. Tut mir leid, dass Du Dich so lange damit beschäftigen musstest, nur um festzustellen, dass ich Dich nicht mit meinen Gedanken und Ableitungen erreicht habe. Für mich allein wird es ein Vergnügen sein, 10 Jahre später diesen Artikel aufzuschlagen und zu schmunzeln. Das haben Blogger und Kristallkugelschauer so an sich :)
Haben nun Social Networks eine Zukunft?
Ich meine ja, sogar eine großartige, nur wird in meinen Augen diese ganz anders aussehen denn heute. Bis dahin ist eine Entscheidung, in Social Networks aktiv zu werden, sicher keine falsche Entscheidung. Wie sich Social Networks entwickeln, wird von dem Spiel der Wirtschaft abhängen, aber auch Wissenschaftlern, die weiter denken können. Ach ja, eine Modeerscheinung ist die Abbildung eines sozialen Kontext ganz sicher nicht. Nur, die Social Networking Anbieter selbst denken mir nicht weit genug.
15.02.2011 um 16:03 Uhr
Das sind spannende Überlegungen. Warum fehlt eine knackige Aussage wie „Als weitgehend abgeschottetes Datensilo hat Facebook keine Überlebenschance“?
Im Zusammenhang mit dem sozialen Layer, von dem Du sprichst, dürfte Augmented Reality eine Schlüsselfunktion zukommen. In einer Doku auf Discovery Channel war neulich von Kontaktlinsen die Rede, über die Informationen sozusagen direkt ins Gesichtsfeld eingeblendet werden. Setzt sich das durch, ergeben sich für Augmented-Reality-Anwendungen unter Einbeziehung eines solchen sozialen Layers spannende Einsatzmöglichkeiten.
Sieht man ein Produkt nur an, könnten (nach eigenen Kriterien gefilterte) Informationen eingeblendet werden, also etwa Kommentare von Kontakten aus Sozialen Netzwerken. Oder man sieht gleich, wer von den eigenen Kontakten dieses Produkt gerne verwendet. Ich bin überzeugt, unsere „Sicht“ auf die Welt wird sich radikal verändern. ;-)
Allerdings bin ich andererseits sehr skeptisch: Der Erfolg des Social Web basiert auf dem Leichtsinn und dem Nicht-über-mögliche-Konsequenzen-nachdenken der Menschen. Welche Informationen Menschen über sich zu veröffentlichen bereit sind, könnte sich in den kommenden Jahren erheblich verändern.
15.02.2011 um 16:07 Uhr
Stichwort Datensilo: Diese Sichtweise war mir nicht genug und zu einengend, wenn man die Dinge von ganz weit oben betrachtet. Oder anders gesagt: Dieses Argumentationsszenario erschien mir zu einengend. Und würde zu sehr auf die Datenhandhabung im Sinne der Privatspäre ablenken. Interessanter erschien mir die Bedingung aufzuzeigen, was Innovation befördert, was SNs wirklich verändert.
15.02.2011 um 16:10 Uhr
Öhm, das Internet ist ja ein soziales Netzwerk. Beziehungsweise ein Layer, der soziale Interaktion ermöglicht, wie Du so schön schreibst. Die Frage „Gibt es in 10 Jahren noch Social Networks“ ist also eher eine Frage nach „Gibt es in 10 Jahren noch Anbieter mit proprietären Schnittstellen und klarer Abgrenzung zum Internet außerhalb der kontrollierten Sphäre der Abieter?“
Die Antwort ist nein. Wenn eins sicher ist, dann die Tatsache, dass sich in der Technologie die Dinge durchsetzen, die unser Leben vereinfachen, komfortabler gestalten und Zeit sparen. Dazu gehört in Zukunft zwingend der Gebrauch des Internets, um sich als Person gesellschaftlich und gemeinschaftlich zu betätigen.
Die Fuktionalitäten der Networks sind aber nachzubilden und kein Hexenwerk. lediglich die verbindende Komponente – das Protokoll, wie Du es nennst – ist nicht gegeben, wovon Facebook enorm profitiert.
Technologie hat uns aber, mit jedem Evolutionsschritt, neue Möglichkeiten der Sebstbestimmung gegeben. Oftmals auch aus der Anforderung geboren, Prozesse schlanker zu gestalten und Kosten einzusparen (siehe Online-Banking).
So wird es auch mit den digital abbildbaren Komponenten unserer Person sein. Wenn wir unsere Netzwerke selbstbestimmt aufbauen und pflegen wollen, können wir nicht darauf hoffen, dass relevante Personen ein Angebot des gleichen Anbieters nutzen (wobei die Wahrscheinlichkeit bei Facebook ja nicht so gering ist).
Wenn wir den Kontext einer sozialen Beziehung selbstbestimmt online wiedergeben möchten, kann ich mich nicht auf rudimentäre Filter-Mechanismen von einzelnen Anbietern verlassen.
Diese Form der Selbstbestimmung ist der Schlüssel für die Nach-Facebook-Revolution. Sie wird kommen. Vielleicht wird Facebook selbst das Protokoll. Aber als Netzwerk-Anbieter spielt das Unternehmen in 10 Jahren keine Rolle mehr…
15.02.2011 um 16:50 Uhr
Sehr guter Artikel. Ich kann jetzt nur für mich sprechen, aber ich werde in absehbarer Zeit meinen Facebook Account löschen und bin somit in keinem anderen Sozialen Netzwerk mehr vertreten. Außer Twitter, aber das mag ich jetzt mal nicht als Social Network bezeichnen, da ich da eher Konsument bin. Ich habe in den vergangenen Jahren gemerkt, dass mit die gesamte Internetsozialgeschichte nichts gebracht hat. Im Gegenteil, sie hat mir meinen sozialen Beziehungen eher geschadet. Ich denk, dass es in Zukunft keine sozialen Netzwerke mehr geben wir, wie wir sie in heutiger Form kennen. Ich denke dass die Menschen das Netz wieder anonymer machen und sinnvoller einsetzen.
15.02.2011 um 16:53 Uhr
@Oliver ich glaube eher das Gegenteil passiert: Dadurch dass Facebook ein „Walled Garden“ ist, werden sie noch mehr und mehr im Social Network dominieren. Weil eigentlich kaum eine Chance bleibt, in einem anderen Netz einzusteigen und dennoch in sein Netzwerk eingebunden zu sein. Ich habe das mit den „Walled Gardens“ in meinem Blog beschrieben: http://bit.ly/giqRE0
Wichtig finde ich insbesondere den Vergleich darin mit Telefonnetzen.
Kurz, Facebook u.a. machen alles möglich, was Content in den eigenen Dienst reinbringt. Aber wenig zur Vernetzung zwischen verschiedenen Social Network „Auffahrtsrampen“ (was Facebook & Co. eigentlich sein sollten).
@Robert finde es interessant zu lesen, wie man dass das Thema auch mal aus dieser Sichtweise aufziehen kann.
Meines Erachtens gibt es derzeit nur proprietäre Social Network Protokolle, die auf das Aufsaugen von Content zum eigenen Nutzen optimiert sind. http bietet nur die Zugangsrampe zum Tor des „Walled Gardens“ in dem man viele schöne Sachen reinbringen, aber wenig wieder herausnehmen kann.
@Thilo – Das Facebook ein „Quasi Protokoll“ werden kann sehe ich ähnlich. Es dient dem Aufbau eines Monopols. In weniger als 10 Jahren brauchs dann eventuell auch kein Protokoll mehr, da eh alle in Facebook sind.
Hoffnung: meistens kommt es dann doch anders.
15.02.2011 um 17:37 Uhr
Drei Skatbrüder gehen abends los und kommen in einen Laden, da wird nur Tango getanzt. Nun, die Drei können sich mit den Leuten dort unterhalten, mit ihnen an der Bar einen Trinken, aber sie haben keinen Zugang zur „Anwendung“, dem Tanzen. Jetzt können sie sich überlegen, ob sie sich anmelden und Tango lernen oder sie ziehen weiter.
Alle 2 Jahren findet eine Fußballmeisterschaft statt und zwar mittlerweile in einem solchen Umfang, dass sich da kaum einer entziehen kann. In dieser sozialen Anwendung ist jeder drin, der in irgendeiner Form am sozialen Leben dieser Gesellschaft teilnimmt.
Was ich damit sagen will: Es gab schon immer die Notwendigkeit sich im sozialen Gefüge bzw. den „Anwendungen“ einzubringen oder rauszuhalten (bei dem ersten Beispiel entscheide ich selber, bei dem anderen kann ich mich nur schwer entziehen). Und bei beiden hier genannten Formen der sozialen Interaktion gibt es Regeln, Eintrittsbeschränkungen usw. und wer sich nicht daran hält, darf nicht mitmachen oder gilt als Spielverderber. Und auch in der realen Welt gibt es „Anwendungen“ (z.B. Fußball) die sehr Dominant sind und vieles andere platt macht.
Ähnlich verhält es sich mit den Anwendungen im Netz genauso. Ich finde, dass es ein für soziale Belange notwendiges Protokoll gibt (http), darauf können Anwendungen entwickelt werden, die den entsprechenden Anforderungen und Bedürfnissen gerecht werden. Facebook wird sicherlich nicht die Anwendung sein, wenn in ein paar Jahren mein Wecker den Kaffeeautomaten startet. Aber auf Basis von http werden die zwei sich schon einigen können (und natürlich den Ideen einiger toller Hard- und Softwareentwicklern).
Dominanz in der IT gab es schon immer: Big Blue IBM, Microsoft, Google und aktuell Apple, Facebook und was auch noch so genannt werden möchte. Alle hier genannten sind noch da, aber nicht alle sind mehr in der allerersten Reihe in der tägliche Wahrnehmung und bieten eben nicht mehr die notwendigen Lösungen an, die heute gefragt sind bzw. tun sich sehr schwer ihren Tanker in die Richtung zu steuern. Man sieht ja an Google, die wirklich nicht an Geldnot leiden und an klugen Köpfen, dass sie nicht beliebig Dinge im Markt einführen können (Buzz, Wave). Und auch Facebook wird eines Tages einen Konkurrenten auf Augenhöhe haben oder es wird ein neuer Trend kommen (siehe Google mit der Internet-Suche ganz vorne, aber andere Trends :-((( ), den Facebook nicht mehr schnell genug aufnehmen kann.
Aus meiner Sicht sehr wichtig ist, dass die von den Urvätern angedachten Grundprinzipien beibehalten werden, wie z.B. die Gleichberechtigung bei der Übertragung der Daten, das OpenSource möglich bleiben wird usw.
Meine Prognose:
2020 wird es Facebook so sicherlich nicht mehr geben, es werden vielleicht wieder alte Namen auftauchen oder ganz neue Player mit ganz neuen Anwendungen werden „In“ sein. Und zwar mit Anwendungen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Und ich werde noch immer meinen Kaffee selber aufbrühen [müssen/dürfen].
15.02.2011 um 17:49 Uhr
@Joachim Ich glaub ich kann Deinem Gleichnis nicht ganz folgen 8-o. Du sprichst von Anwendungen und das ist m.E. ein Unterschied zu Sozialen Netzwerken in denen es im Grunde um Kommunikation und Austausch geht. Ich bring nochmal das Beispiel Telefonnetze:
Zum Glück kann ich heute davon ausgehen, dass ich – egal welches Netz ich wähle – alle meine Freunde erreiche: durch Verlinkung der Netze.
Status heute im Social Netzwerk: Ich muss das „richtige Netz“ wählen um meine Freunde zu erreichen. Weil das Netz von den anderen abgetrennt ist.
Übertragen aufs Telefonnetz: Ich bräuchte entweder für die meisten verschiedenen Anbieter unterschiedliche Anschlüsse um alle meine Freunde zu erreichen – oder wir sind alle nach und nach beim Monopolanbieter. Die Regulierung hat uns davor bewahrt…
P.S.: Http ist m.e. keine gute/ausreichende Basis für die Vernetzung der Netze. Da müssen noch standardisierte Protokolle darüber. Es geht um mehr als nur Transport ;)
15.02.2011 um 22:12 Uhr
@Friedhein:
> ich werde in absehbarer Zeit meinen Facebook
> Account löschen
Deaktivieren reicht völlig.
16.02.2011 um 16:15 Uhr
Hättest Du in Deinem leichten Hang zur Selbstüberschätzung (zumindest gibt der Abschnitt „Worthülsen“ einen gewissen Anlass zu dieser Einschätzung) einfach mal ein wenig über den Tellerrand geschaut, dann hättest Du vielleicht in dem Artikel auf die vielen Ansätze (http://en.wikipedia.org/wiki/Distributed_social_network) zur Dezentralisierung Sozialer Netzwerke hinweisen können. Ein verteiltes SNP ist nämlich gar nicht so visionär, wie es Dir in Deinem Schreiberguss vor kam.
Es würde mich freuen, wenn Du in einem Folgeartikel diese ganzen Bestrebungen in Deinen Kontext bringen würdest. Letztendlich braucht es nämlich eine Menge Awareness, damit der – nicht nur von Dir – aufgezeigte Weg auch tatsächlich so eingeschlagen werden kann.
16.02.2011 um 17:00 Uhr
@Dezentral ich halte wenig bis gar nichts von einer „Dezentralisierung von Social Networks“, davon habe ich nicht gesprochen, wenn es das ist, was Du mit dem Begriff meintest. Nachgehakt: Verstehe ich Dich richtig, jeder soll sein eigenes Telefonunternehmen haben? Oder soll jeder mit jeglicher Telefonhardware und -Software telefonieren können? Das letztere bevorzuge und meine ich.
16.02.2011 um 17:13 Uhr
@Robert
Schön, dass Du das Telefongleichnis aufgreifst :)
Wenn ich das Bild ergänzen darf – ein Vergleich zwischen Telefonnetzen und SocialNetworks (SN):
1) Telefon (HW/SW)
Entspricht dem Browser (passt für alle SN, da http/html), Mobilen Anwendungen (proprietär für jedes SN, schwierig, da sehr individuell funktionsbezogen), und sonstige Anwendungen (meist proprietär, obwohl Standards zur Verfügung stehen)
2) Telefonanschluß
Entspricht in dem Gleichnis dem Social Network Provider (Facebook, Xing, LinkedIN usw.)
3) Peering aller Telefonanschlußanbieter zu einem gemeinsamen Netzwerk
Fehlt im Umfeld der Social Networks, haben Marktführer kein freiwilliges Interesse daran. Geht nur durch Regulierung…
Ging es Dir nur um den ersten Layer? Mich beunruhigt eher der dritte Layer – das fehlende Peering.
16.02.2011 um 18:06 Uhr
@Robert Damit z.B. eine Diaspora-Instanz mit einer GNU Social-Instanz kommunizieren könnte bräuchte es was? Richtig Robert, ein gemeinsames Protokoll! Da aber GNU Social OStatus (http://ostatus.org/) spricht und Diaspora sein eigenes Protokoll implementiert, funktioniert das zur Zeit noch nicht. Aber was nicht ist kann ja noch werden. Insbesondere dann, wenn die Aufmerksamkeit einer breiteren Masse auf die Problematik gelenkt wird (Your part!).
Und ja, wenn das Telefonunternehmen in letzter Konsequenz dergestalt daherkommt, dass sie als eine dufte App auf einem Always-On-Mobile-Device eine Persistenzschicht und entsprechende Protokollimplementierungen bereitstellt, dann bin ich dafür. Alternativ ist die OS-Gemeinde aber sicher für einen wirklich visionären Ansatz deinerseits offen.
16.02.2011 um 20:05 Uhr
@Sandro:
Nein ich möchte ihn löschen, sofern das überhaupt endgültig geht. Ich halte Facebook für Banditen!
17.06.2011 um 05:45 Uhr
>>> 12.06.2020 Facebook – was is das ? :p <<<
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