Im ersten Teil haben wir mit der Frage beschäftigt, warum Zeit ein wichtiger Faktor ist, wenn es um die parallele Nutzung von Social Networks geht.

Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit der Hürde und dem Faktor der Unsicherheit. Wie macht sich Unsicherheit bemerkbar, wenn ein User auf ein neues Social Network stößt und gar parallel nutzen will?

Antwort: Marke
Die Marke ist eine Summe aus entscheidenden Merkmalen, warum ein Mensch ein bestimmtes Produkt bevorzugt. Dazu gehört nicht nur die bloße Bekanntheit der Marke, sondern auch die Eigenschaften der Marke. So ist die Marke Facebook nicht nur bekannt, sondern sie liefert auch die Antwort, wo und warum man sich am besten vernetzen soll. Facebook steht für das Social Network in der westlichen Hemisphäre.

Das ist nicht banal, denn man bedenke, welche gedanklichen Fragen beim User auf einen Schlag gelöst werden. Wo soll man sich vernetzen, sind da viele, sind da auch meine Freunde, macht es dort Spaß, kann man dort vieles machen, finde ich dort meine Neigungen wieder, werde ich dort Spaß haben, werde ich mich dort austauschen können, und und und?

Eine Reihe von ganz entscheidenden Fragen, die den potentiellen Gesamtnutzen definieren, werden über die Marke beantwortet. Der Faktor Marke ist brutal entscheidend im Netz. eBay, Amazon, Google, Facebook, Yahoo, Otto, Neckermann, alle sind einen Klick vom Wettbewerb entfernt, der nicht unbedingt ein schlechteres Angebot verspricht. Doch die Marke erlöst den User bei der Entscheidung, wo er im virtuellen Umfeld hinsteuern soll. Das sich über kaum greifbare Produkte definiert im Gegensatz zu physischen Gütern.

Unsicherheit und Differenzierung
Je größer die Unsicherheit bei einem neuen Social Network und seinem möglichen Nutzen, umso geringer ist die Chance, dass der User gar zu einer parallelen Nutzung übergeht. Und wenn er sich doch dafür entscheidet, führt es zu einem recht komplexen Vorgang: Der User überlegt in der Folgenutzung, wann er wo was mit wem teilt. Wir lesen nun etwas häufiger, dass sich manche User bei einer – selten vorkommenden Parallelnutzung – dafür entscheiden, privat auf Facebook zu kommunizieren und beruflich auf G+ (ein Beispiel). Wir nennen es Differenzierung!

Differenzierung ist etwas, das wir mehrheitlich auf reifen Märkten beobachten können. Anbieter differenzieren sich aus, Kunden haben erlernt und sich untereinander ausgetauscht, wie sich Produkte eines Typus voneinander unterscheiden und wo die Unterscheidungsmerkmale liegen. Das ist die Grundlage für einfachere Wechselentscheidungen bzw. Parallelnutzungen von Produkten. Ich glaube nicht, dass Kunden heute mehrheitlich Social Networks differenzieren können. So kommt es zu den typischen Entweder-Oder Fragen. Insbesondere heutige Parallelnutzer – in diesem frühen Markt – haben eine eher als selten und mental komplex zu bezeichnende Hürde bewältigt: Unsicherheit und Differenzierung werfen viele Fragen auf und werden individuell beantwortet. Wie viele Kunden tun sich gar beides an? Entweder wechseln sie komplett oder verharren.

Diejenigen, die zu Parallelnutzer werden, sehen sich neuen, aufwändigen Fragestellungen gegenüber: Wo kommentiere ich, wie verfolge ich meine Threads, was sage ich wo, wann nutze ich wie oft welches SN. Und in der Tat, exakt diese Fragen haben die Parallelnutzer aufgeworfen. Kein Zufall, denn die SNs sind nicht dafür ausgelegt worden, parallel gleichartig anmutende Produkte zu nutzen.

Ich würde daher dazu tendieren, Social Networks eben nicht als reife Märkte, sondern als junge und wachsende Märkte zu bezeichnen. Dort dominiert Unsicherheit die Differenzierung, damit auch die (Wechsel-)Entscheidung der Kunden per se. Unsicherheit birgt einen mental aufwändigeren Entscheidungsprozess, der dem Lernprozess der Differenzierung in späteren Jahren und Jahrzehnten mit Bestehen des Marktes vorausgeht.

So bin ich mir sicher, dass ein geringer Teil der User parallel mindestens zwei Social Networks nutzt. Ein größerer Teil der User wird entweder komplett wechseln oder eben in seinem Alt-Social Network verharren.

Was heißt das für Anbieter
Um gefühlte Unsicherheiten zu dämpfen, muss man einerseits die Marke bekannt machen. Zum anderen muss man Eigenschaften versprechen, die eine höheren Nutzen versprechen. So ist Google+ in die Thematik „Datenschutz/Privatsphäre“ aber auch „ease of use“ gestoßen. Eine klare Abgrenzung zum Marktführer Facebook. Was wir hier beobachten können, ist ein weiterer Schritt in Richtung allmählicher Ausdifferenzierung gepaart mit dem Thema Unsicherheit (wo soll ich bloß hin, um dies und das zu erreichen). Google setzt darauf, dass Social Networking per se bekannt ist, Google sowieso und spielt nun mit der Differenzierung, die einzig gangbare Alternative auf einem wachsenden Markt, um Anteile zu erobern. Und verlässt sich hierbei auch auf die User, dass sich die Unterschiede schon herumsprechen werden.

Beobachtet man das Agieren der VZ-Netze, setzt man anscheinend nur noch auf Differenzierung. Als wäre in den Augen dieses Anbieters der deutsche User dazu in der Lage, Differenzierungsmerkmale zu verstehen. Verständlich, denn man möchte die bestehende Userbasis ansprechen, weniger die Wechsler.

Ich denke nach wie vor, dass Wechselentscheidungen von hoher Unsicherheit geprägt sind, weniger von Differenzierung in einzelnen Produktmerkmalen. Sobald wir von einem reifen Markt sprechen, werden Ausdifferenzierungen entscheidende Wechselargumente sein. Um jedoch Parallelnutzer heute und morgen anzusprechen, bedarf es aber schon einer genaueren Komplementärstrategie bei der Ausgestaltung des Produktes. Nach dem Motto „nutze das bei uns, den Rest da drüben, kein Problem“.