„ich kann Facebook und G+ nicht zeitgleich nutzen, das ist mir zuviel“. Diese und ähnliche Aussagen liest man interessanterweise recht häufig, wenn es darum geht, ob man beide Systeme nutzen soll. Oder gar Twitter als zweite Alternative.

Ich finde das spannend. Sehr spannend. Wenn der menschliche Geist flexibel und belastbar ist, dürfte es kein Problem sein, mehrere Kommunikationssysteme seriell oder gar parallel zu nutzen. Gehen wir die möglichen Punkte durch, an denen es liegen kann, warum der Mensch oder manche Menschen nicht dazu in der Lage ist, mindestens zwei Social Networks gleichwertig zu nutzen.

1. Faktor Zeit: Wir kennen das über World of Warcraft bereits. Dieses Online-Spiel war so dominant und zugleich ein derartiger Zeitfresser, dass andere Spieleanbieter, selbst Solo-Spiele nicht mehr zum Zuge kamen. Wer am Limit seiner Social Networking Nutzungszeit ist (sozusagen sein optimales Kontingent investiert), wird kaum ein anderes Social Network auch nutzen wollen. Immerhin muss der User Zeit investieren, um ein gefühltes Mindestmaß an Vernetzung, kommunikativen Austausch und Entertainment zu erreichen, wenn er sich denn in ein neues Social Network auch „hineinlebt“. Wenn er das Mindestmaß an Zufriedenheit erreicht hat, muss er weitere Zeitkontingente für die Aufrechterhaltung dieses Niveaus investieren, die nahe an seinem maximalen Zeitkontingent für dieses Produkt liegen. Das heißt was?

Womöglich wird der User vorausschauend projizieren und daher die o.g. entweder/oder Entscheidung treffen.

Vorausschauendes Angebotsdesign der Anbieter
Was können Anbieter solcher Produkte tun, um eine Parallelnutzung zu erleichtern? In der Aufbauphase des Users? Sie können die notwendige Zeit zum Erreichen des Zufriedenheitsniveaus verkürzen. Das erklärt auch, warum es zur Norm gehört, Mailadressen auslesen zu können und Matching-Funktionen anzubieten, die Kontakte über andere Plattformen ausfindig machen. Die Vernetzungsgschwindigkeit wird gefördert. Google+ ist hierbei von der Norm des Vernetzens visuell etwas abgewichen und hat sich für die Circles entschieden, um den Kraftakt des Vernetzens etwas leichter zu gestalten. Als negativ empfundene Zeitverbräuche (=“schon wieder vernetzen“) werden emotional gedämpft.

Das erklärt aber auch, warum die zentrale Timeline-Lösung beliebt ist (was sagen die anderen, was tun die anderen). Sie gaukelt dem User bereits bei sehr geringen Vernetzungsniveaus ein spürbares Leben vor.

Offensichtlich schwächeln die Anbieter jedoch beim kontinuierlichen Gebrauch des Produktes. Der Nutzer muss womöglich zu viel Zeit bereits für ein Produkt investieren, um passiv und aktiv weiterhin zufrieden zu sein, um überhaupt ein Alternativangebot nutzen zu wollen.

Oder sie wollen bewusst schwächeln, um entsprechend dem eigenen Anspruch als Marktführer diese Entweder-Oder Entscheidung herbeizuführen. Ein entscheidender Punkt. Wer Marktführeranspruch hat, wird sein Angebot nicht auf eine Parallelnutzung hin designen. Eine riskante Taktik womöglich.

Kann man den Zeitfaktor „berechnen“?
Letztlich gilt aus o.g. Überlegungen abgeleitet folgende Rechnung:
Nutzen aus Alt-„Social Network“ vs Wechselkosten + potentieller Nutzen des Alternativangebots. Je weiter die Differenz von Null entfernt ist, umso eher kommt es zu einer Entweder-Oder Entscheidung, anders gesprochen, der Nutzer wird nicht parallel mind. zwei Social Networks nutzen.

Der Nutzen ist eine Funktion aus Zeit und Zufriedenheit. Je geringer die Zeitinvests und je höher die Zufriedenheit, umso stabiler steht das Social Network im Wettbewerbsumfeld da.

Sollte demnach ein User von Facebook nach G+ wechseln, hat er folgende Berechnung erfüllt:

Potentieller Nutzen (projizierter Zeitaufwand bei Nutzung und Zufriedenheitsniveau) – Wechselkosten (Zeitaufwand beim Aufbau) – Nutzen aus Alt-„Social Network“ > Null.

Es gilt demnach
Np – Wk – N SNa > 0 = User wechselt
Np – Wk – N SNa = 0 = User nutzt parallel beide Angebote
Np – Wk – N SNa < 0 = User bleibt beim Altangebot

Teil 1: Zeitfaktor
Teil 2: Mentale Hürden