ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Es ist schwer. Zufall oder nicht, aber die letzten zwei Wochen habe ich mit drei mir lieben Menschen gesprochen, deren berufliche, private und damit auch finanzielle Situation mehr als eng zu nennen ist. Alle drei haben eine Gemeinsamkeit: Sie stecken seit längerer Zeit in der Klemme und leben passiv in den Tag hinein, in der verzeifelten Hoffnung, dass es besser wird. Man versucht irgendwie an Geld heranzukommen, um wenigstens die Miete und das Essen zu bezahlen. Und der Schuldenberg wächst. Manchmal macht man einen Schritt kurzfristig nach vorne, mittelfristig aber drei zurück. Langfristig?

Es gibt an dieser Stelle nicht mal ansatzweise einen Grund, einen Vorwurf zu erheben. Jeder Mensch hat eine persönliche Kraftquelle, die irgendwann aufgebraucht ist. Bei dem einen früher, bei dem anderen etwas später. Wenn die Kraft nicht mehr da ist, lässt man die Dinge geschehen, zieht sich zurück, schaut weg und jeden Tag geht man mit einem Grummeln in der Magengegend schlafen und steht jeden Tag mit einem Grummeln in der Magengegend wieder auf. Mit jedem Tag nagt die Mischung aus Hoffnung, Trauer, Wut und anderen Dingen an einem. Jeden Tag wird man schwächer und kraftloser. Unaufhaltsam, bis zu einer persönlichen bottom line, wo man nicht mehr hinschauen mag. Was denjenigen unter uns unverständlich erscheinen mag, die solche Situationen nicht kennen. Aber ausnahmslos jeder -Ausnahmen bestätigen die Regel- wird in diesen zerstörerischen Situationen exakt das gleiche Verhalten aufweisen, wenn ihm keiner zur Seite steht. Niemand von uns ist aus Stahl gebaut, so sehr manche das von sich behaupten mögen. So gibt es kein Herabschauen auf diese Menschen, die in eine verzweifelte Lage geraten sind. Das Fatale ist insbesondere, dass es keinen irgendwann mehr gibt, der einem zur Seite steht, weil man sich in sich komplett zurückzieht.

Was bleiben diesen Menschen für Wege, wenn keine Kraft mehr da ist? Manche beschreiten einen Weg, den wir Lebende nicht gehen können und wollen. Es erscheint ihnen als beste Lösung, um niemanden mehr zur Last zu fallen und um sich selbst nicht mehr schämen zu müssen. Und mit jedem Freitod muss sich eine so reiche Gesellschaft fragen lassen, wann wir den Blick für unsere Mitmenschen auf dem Weg zum Wohlstand eigentlich verloren haben. Gerade in Großstädten, wo der eine dem anderen völlig fremd ist, obwohl man lediglich eine Tür weiter wohnt und lebt. Wir zahlen einen hohen Preis.

Der andere Weg ist? Es kann tatsächlich sein, dass man an eine Mauer gerät, wo einen die Verzweiflung so packt, dass man sie übersteigt und um Hilfe bittet. Um Hilfe bei den Stellen bittet, die dafür eingerichtet wurden, um wenigstens die Existenz zu sichern und den weiteren Weg nach vorne frei zu machen. Ich bin nicht der Typ, der sich allzu gut mit dem öffentlichen Apparat auskennt, so sei es mir verziehen, wenn ich die falschen Begriffe wähle. Es gibt das Sozialamt, es gibt das Arbeitsamt und es gibt Schutzgesetze -private Insolvenz- die einem den Rücken stärken und wieder freier atmen lassen. Um zu sich zu finden, einen Weg zu finden, wo man alleine aufgeschmissen wäre. Das, was die Gesellschaft von Mensch zu Mensch in Teilen nicht mehr auf Individualebene tut, wurde auf staatliche Stellen ausgelagert. Und es heißt nicht umsonst daher auch Sozialstaat, trotz aller Unkenrufe. Es ist kein Strafstaat, sondern diese Stellen wurden eingerichtet, um zu helfen, wo der Einzelne sich nicht mehr helfen kann. Das Schwierigste ist, diesen Schritt zu tun. In einer Situation, wo man sich selbst abgeschottet hat und nicht mehr die Kraft hat, diesen Gang zu gehen. Wir reden nicht von einem physischen Gang, sondern von einem mentalen Gang, der unendlich schwer fällt, da viele Dinge hierbei eine Rolle spielen, je nach Typus des Betroffenen.

Was wir tun können? Besser: Was ich tun kann? Ich sagte es, und ich schäme mich nicht um den Pathos, „i am my brothers keeper“, „i am my sisters keeper“. Ich kann versuchen, demjenigen meine Nähe zu geben, meine Unterstützung zuzusichern, wenn es zB der erste, begleitende Schritt zu dem Weg nach vorne ist. Das äußert sich in ganz einfachen Dingen, wie das Informieren über Mietrückstände, wie lange man damit in der Wohnung bleiben darf, um den kurzfristigen Druck zu nehmen. Das äußert sich darin, demjenigen die Möglichkeiten zu schildern, wo man hingehen kann, um nicht bestraft zu werden, sondern um zugehört zu werden und um Schritte einzuleiten, die einen endlich von dieser unendlichen Last befreien. Das, was ich nicht empfehlen würde ist, dem anderen mit eigenen Mitteln aus der finanziellen Notsituation aus der Patsche zu helfen, wenn man erkennt, dass die Situation kurzfristig so nicht mehr lösbar ist. Man schiebt damit nur den Zeitpunkt hinaus, wo das Gegenüber den einen oder anderen Weg beschreiten wird.

Boah, das ist so schwer zu schreiben, weil der Respekt vor der Verletzlichkeit des in Not Geratenen eine Gratwanderung ist, wo man zu schnell das falsche sagen kann. Jedoch, wenn man die Dinge nicht mehr klar sehen kann, ist es gut, dass es andere gibt, die für einen sehen wollen und begleitend an der Seite stehen. Was kostet es schon groß? Nichts, es kostet rein gar nichts. Es kostet nur etwas eigene Zeit, zuzuhören. Und wenn ich dran denke, dass wir Zeit für viel unwichtigere Dinge verplempern, muss ich sagen, dass es ein Zeitgewinn ist, wenn man zuhören will.