ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Es ist schwer. Zufall oder nicht, aber die letzten zwei Wochen habe ich mit drei mir lieben Menschen gesprochen, deren berufliche, private und damit auch finanzielle Situation mehr als eng zu nennen ist. Alle drei haben eine Gemeinsamkeit: Sie stecken seit längerer Zeit in der Klemme und leben passiv in den Tag hinein, in der verzeifelten Hoffnung, dass es besser wird. Man versucht irgendwie an Geld heranzukommen, um wenigstens die Miete und das Essen zu bezahlen. Und der Schuldenberg wächst. Manchmal macht man einen Schritt kurzfristig nach vorne, mittelfristig aber drei zurück. Langfristig?
Es gibt an dieser Stelle nicht mal ansatzweise einen Grund, einen Vorwurf zu erheben. Jeder Mensch hat eine persönliche Kraftquelle, die irgendwann aufgebraucht ist. Bei dem einen früher, bei dem anderen etwas später. Wenn die Kraft nicht mehr da ist, lässt man die Dinge geschehen, zieht sich zurück, schaut weg und jeden Tag geht man mit einem Grummeln in der Magengegend schlafen und steht jeden Tag mit einem Grummeln in der Magengegend wieder auf. Mit jedem Tag nagt die Mischung aus Hoffnung, Trauer, Wut und anderen Dingen an einem. Jeden Tag wird man schwächer und kraftloser. Unaufhaltsam, bis zu einer persönlichen bottom line, wo man nicht mehr hinschauen mag. Was denjenigen unter uns unverständlich erscheinen mag, die solche Situationen nicht kennen. Aber ausnahmslos jeder -Ausnahmen bestätigen die Regel- wird in diesen zerstörerischen Situationen exakt das gleiche Verhalten aufweisen, wenn ihm keiner zur Seite steht. Niemand von uns ist aus Stahl gebaut, so sehr manche das von sich behaupten mögen. So gibt es kein Herabschauen auf diese Menschen, die in eine verzweifelte Lage geraten sind. Das Fatale ist insbesondere, dass es keinen irgendwann mehr gibt, der einem zur Seite steht, weil man sich in sich komplett zurückzieht.
Was bleiben diesen Menschen für Wege, wenn keine Kraft mehr da ist? Manche beschreiten einen Weg, den wir Lebende nicht gehen können und wollen. Es erscheint ihnen als beste Lösung, um niemanden mehr zur Last zu fallen und um sich selbst nicht mehr schämen zu müssen. Und mit jedem Freitod muss sich eine so reiche Gesellschaft fragen lassen, wann wir den Blick für unsere Mitmenschen auf dem Weg zum Wohlstand eigentlich verloren haben. Gerade in Großstädten, wo der eine dem anderen völlig fremd ist, obwohl man lediglich eine Tür weiter wohnt und lebt. Wir zahlen einen hohen Preis.
Der andere Weg ist? Es kann tatsächlich sein, dass man an eine Mauer gerät, wo einen die Verzweiflung so packt, dass man sie übersteigt und um Hilfe bittet. Um Hilfe bei den Stellen bittet, die dafür eingerichtet wurden, um wenigstens die Existenz zu sichern und den weiteren Weg nach vorne frei zu machen. Ich bin nicht der Typ, der sich allzu gut mit dem öffentlichen Apparat auskennt, so sei es mir verziehen, wenn ich die falschen Begriffe wähle. Es gibt das Sozialamt, es gibt das Arbeitsamt und es gibt Schutzgesetze -private Insolvenz- die einem den Rücken stärken und wieder freier atmen lassen. Um zu sich zu finden, einen Weg zu finden, wo man alleine aufgeschmissen wäre. Das, was die Gesellschaft von Mensch zu Mensch in Teilen nicht mehr auf Individualebene tut, wurde auf staatliche Stellen ausgelagert. Und es heißt nicht umsonst daher auch Sozialstaat, trotz aller Unkenrufe. Es ist kein Strafstaat, sondern diese Stellen wurden eingerichtet, um zu helfen, wo der Einzelne sich nicht mehr helfen kann. Das Schwierigste ist, diesen Schritt zu tun. In einer Situation, wo man sich selbst abgeschottet hat und nicht mehr die Kraft hat, diesen Gang zu gehen. Wir reden nicht von einem physischen Gang, sondern von einem mentalen Gang, der unendlich schwer fällt, da viele Dinge hierbei eine Rolle spielen, je nach Typus des Betroffenen.
Was wir tun können? Besser: Was ich tun kann? Ich sagte es, und ich schäme mich nicht um den Pathos, „i am my brothers keeper“, „i am my sisters keeper“. Ich kann versuchen, demjenigen meine Nähe zu geben, meine Unterstützung zuzusichern, wenn es zB der erste, begleitende Schritt zu dem Weg nach vorne ist. Das äußert sich in ganz einfachen Dingen, wie das Informieren über Mietrückstände, wie lange man damit in der Wohnung bleiben darf, um den kurzfristigen Druck zu nehmen. Das äußert sich darin, demjenigen die Möglichkeiten zu schildern, wo man hingehen kann, um nicht bestraft zu werden, sondern um zugehört zu werden und um Schritte einzuleiten, die einen endlich von dieser unendlichen Last befreien. Das, was ich nicht empfehlen würde ist, dem anderen mit eigenen Mitteln aus der finanziellen Notsituation aus der Patsche zu helfen, wenn man erkennt, dass die Situation kurzfristig so nicht mehr lösbar ist. Man schiebt damit nur den Zeitpunkt hinaus, wo das Gegenüber den einen oder anderen Weg beschreiten wird.
Boah, das ist so schwer zu schreiben, weil der Respekt vor der Verletzlichkeit des in Not Geratenen eine Gratwanderung ist, wo man zu schnell das falsche sagen kann. Jedoch, wenn man die Dinge nicht mehr klar sehen kann, ist es gut, dass es andere gibt, die für einen sehen wollen und begleitend an der Seite stehen. Was kostet es schon groß? Nichts, es kostet rein gar nichts. Es kostet nur etwas eigene Zeit, zuzuhören. Und wenn ich dran denke, dass wir Zeit für viel unwichtigere Dinge verplempern, muss ich sagen, dass es ein Zeitgewinn ist, wenn man zuhören will.
05.02.2009 um 15:07 Uhr
Es ist schlimm, wenn man den gesellschaftlichen Wert eines Menschen mit seinem ökonomischen Wert gleichsetzt. Hilfe in Anspruch zu nehmen ist keine Schande, denn diese Hilfe ist eine große Errungenschaft unserer Gesellschaft.
Auch wenn in den Medien immer wieder polemisch darüber geredet wird glaube ich, dass die Menschen tendenziell offener geworden sind und ihre persönlichen Probleme und die Tatsache, nicht perfekt zu sein, wertungsfreier akzeptieren. Es stimmt sicher, dass es trotz der immer mächtiger werdenden Kommunikationsmöglichkeiten immer mehr Einsamkeit gibt. Aber es gibt auch immer mehr Menschen, die bereit sind, zuzuhören ohne zu werten. Man muss nur einen kleinen Schritt tun, um sich zu finden. Viele trauen sich das leider nicht.
Ist zumindest mein subjektiver Eindruck
05.02.2009 um 14:44 Uhr
Da kommt einer mit den neuen Nutzerzahlen nicht klar.. *g*
05.02.2009 um 14:46 Uhr
verstehe nicht, was diese Menschen mit Nutzerzahlen zu tun haben? Du wolltest bestimmt einen anderen Artikel kommentieren, kann passieren:)
05.02.2009 um 15:15 Uhr
Leider bietet der Sozialstaat und das System in welchem wir Leben nur eine trügerische Sicherheit. Meist hilft es nicht wirklich den Bedürftigen, sondern denen welche es am besten darstellen können. Und die wirklich Notleidenden wollen/können es nicht.
Auf der anderen Seite dient uns der Sozialstaat als Alibi, uns nicht persönlich um die „Bedürftigen“ kümmern zu müssen.
Aber was können wir tun? Auf der einen Seite Informieren und nach Alternativen zu bestehendem System schauen.
Und Konkrett im Einzelfall den persönlichen Kontakt und auch persönliche Hilfe progressiv vorantreiben und persönliche Verantwortung übernehmen und dem Menschen helfen, welche nach unserem Empfinden diese benötigen.
05.02.2009 um 15:34 Uhr
Hallo Robert,
das wichtigste an deinem Beitrag ist die Überschrift: „Der Weg nach vorne“. Mein Lebensmotto ist „jeder Tag ist ein neuer Tag.“ Was genau möchtest Du mit deinem Beitrag erreichen? Denken wir zu wenig über uns nach und was wir TUN können? Viele Grüsse aus der Nachbarschaft.
05.02.2009 um 15:38 Uhr
habe versucht, meine Eindrücke wiederzugeben, Ziel für Dritte .. hm.. ne, eigentlich nicht, da ich nicht dran glaube, dass man was vorturnen sollte, damit andere nachturnen. Dazu ist jeder etwas anders aufgebaut, gerade in diesem Bereich, dass menschlich sehr komplex ist.
05.02.2009 um 17:09 Uhr
Solche Situationen sind in der Tat tragisch und können jeden treffen …
Ich hoffe, dass deine Freunde einen Weg aus dieser momentanen Sackgasse finden! Immerhin können sie ja auf dich zählen :)
05.02.2009 um 17:14 Uhr
funzt tatsächlich bei dem einen, Arbeitsamt morgen +weitere Stellen
05.02.2009 um 18:13 Uhr
Genau wegen solchen Artikeln bist du so viel besser als deine Nachfolger bei Basic Thinking. Man spürt das Herzblut in den Artikeln förmlich.
05.02.2009 um 18:15 Uhr
mom..mom…moment, niemand kann erwarten, dass man die Autoren mit mir vergleicht, denn du kannst nicht einfordern, dass sie sich auch extrem persönlich einbringen, das ist recht aufwendig auf Dauer und es sind zudem Angestellte, die ein Anrecht auf ihre Person haben.
05.02.2009 um 19:25 Uhr
Ich kann Deine Gedanken nach vollziehen, in meinem „Zweitjob“ arbeite ich in einer Schuldner- und Insolvenzhilfe … jeden Tag haben wir mit Menschen zu tun, die am Abgrund stehen, aber diese Leute haben den wichtigsten Schritt schon gemacht, sie sind aktiv nach vorne gegangen.
Vielen kann man helfen indem man ihnen die richtigen Behörden nennt, die richtigen Ansprechpartner, bei Vielen ist das Problem zu lösen, indem man mit den Gläubigern verhandelt.
Manchen kann man nur noch helfen den Weg in die Vebraucherinsolvenz zu gehen.
Aber alle, ich meine wirklich alle, gehen und schauen wieder vorwärts nach dem sie bei uns waren, eben weil ihnen jemand zur Seite steht und ihnen hilft die ersten Schritte nach vorne zu gehen.
Robert, danke für diesen Artikel, dieses thema wird oft tot geschwiegen, dher ist es gut wenn ein so beachteter Blogger wie Du darüber schreibt.
05.02.2009 um 18:27 Uhr
Das ist mir klar. Aber für mich ist ein Blog dann etwas besonderes, wenn er persönlich ist. Andernfalls ist er vielleicht informativ (was ja auch ein legitimer Anspruch sein kann).
05.02.2009 um 18:28 Uhr
check der Erwartungshaltung = ok, jetzt klar.
05.02.2009 um 18:37 Uhr
Mit deinem Eindruck stehst Du sicher nicht allein, Robert. Das Thema ist so komplex, dass Begriffe wie Sozialstaat oder gesellschaftlicher Wert niemandem weiterhelfen, Betroffenen und Helfenden schon gar nicht. Wo über den Wert eines Menschen nachgedacht wird, hat die betroffene Person schon verloren.
Schade, dass zwischen Sozialstaat und individueller Hilfe scheinbar nichts wahrgenommen wird. Es gibt (lokal unterschiedlich starke) Netzwerke an Hilfsorganisation, Vereinen, Initiativen oder auch Einzelpersonen, die medial gar nicht auftauchen oder thematisiert werden. Deren Arbeit hält diese Gesellschaft sicher stärker zusammen als ein einigermaßen praller Geldbeutel.
Zuhören würde sicher vielen schon reichen. Deswegen auch keine Schande über Blogleser, die sich nie äußern. Auch sie danken Dir innerlich – hoffentlich :-)
05.02.2009 um 19:05 Uhr
Schon mal auf dem Arbeitsamt gestanden und wie ein Taugenichts behandelt worden? Ich ja, noch nicht lange her. Schlimm. Menschen mit schlechter Perspektive wird da auch noch das Gefühl gegeben ein minderer Teil der Gesellschaft zu sein. Nein, war kein Einzelfall – so kamen mehrere der „Berater“ rüber. Nicht nur bei mir – habe es auch an den Nebentischen erlebt. Und wenn dann der Termin kommt, an dem du vielleicht in Hartz4 rutschen könntest – und du deine alte Bude nicht mehr bezahlen kannst….das ist hart. Da schläft man ganz beschissen ein. Aber Robert – was erzähle ich dir das – du weisst selber wie viele Menschen heute ticken.
Ich halte es immer nach dem Motto: gutes tun auch wenn keiner zuschaut ;)
Allerdings wird es in der heutigen Zeit immer schwerer nicht zum egomanischen Arschloch zu mutieren.
Alles Gute euch da draußen.
05.02.2009 um 19:20 Uhr
Puh wah, schwerer Content, wie ich finde. Was soll ich dazu sagen? Ok bevor ich hier nen Roman verfasse, drücke ich mal meinen persönlichen Standpunkt aus. Ich helfe gerne anderen und ja ich nehme dafür auch ganz selbstverständlich Hilfe an. Es gibt aber im Lebensituationen, da will man jemandem helfen, jemandem der einem nahe steht und man ist machtlos! Eine, untertrieben ausgedrückt, beschissene Situation, ich weiss wovon ich rede! Situationen und Ereignisse, in dem Geld einen scheißdreck wert ist. Helfe wo du kannst, kannst du nicht helfen, verweise dahin wo jemandem geholfen werden kann!
05.02.2009 um 19:40 Uhr
Du greifst ein extrem aktuelles Thema auf. Lustigerweise befasse ich mich – obwohl ich eigentlich Visuelle Kommunikation studiere – genau mit dem Themenbereich des sozialen Abstiegs und der Ausgrenzung. Du gehst mit dem Zuhören einen guten Weg, geht es doch darum, den Menschen die Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, soweit das mit den beschränkten finanziellen Mitteln möglich ist.
Leider ist die Kommunikation dieses Themas recht schwierig, da es – Stichwort «Taugenichts» – mit einer Unmenge von Vorurteilen belastet ist. Arbeitslosigkeit und Abstieg sind heute eben kein individuell bedingtes Schicksal mehr. Umso mehr müssen wir uns mit den Folgen für die Betroffenen auch persönlich auseinandersetzen.
05.02.2009 um 20:10 Uhr
@Mario, ja, das war so eins, was ich oben nicht mehr angesprochen habe, die ehrenamtlichen Stellen, die es zahlreich gibt. Was es oftmals auch nicht so einfach macht, auf regionaler Ebene durchzusteigen, wer wo für was empfehlenswert ist. Oder gibt es da eine gute Seite im Netz, die das liefert?
@caschy, ja, das Gefühl kenne ich zu gut, aber das erzähle ich noch separat
@Sandkorn, irgendwann kann man nicht mehr helfen, da einem bei entsprechenden Umständen selbst die Grenzen aufgezeigt werden. Richtig. Wichtig finde ich, dass man sich bei Erreichen dieser Grenze -die man hoffentlich vorher für sich definiert hat- selbst aus der Verantwortung für das Schicksal des anderen enlässt, um sich nicht Vorwürfe zu machen. Rein aus Selbstschutz.
@Jürgen, was macht Ihr für Erfahrungen dort? Kommen die Menschen von sich aus zu Euch oder was muss vorher passiert sein, dass die kommen?
@Oliver, das ist in der Tat das schlimmste überhaupt, wie eine Art Hammer von zwei Seiten: das Gefühl von innen, man sei kein akzeptables Mitglied der Gesellschaft und das Gefühl von außen, man sei nicht mehr akzeptiert. Und dazu gibt es noch tatsächlich Menschen, die herabschauen, weil sie selbst so klein mit Hut sind, unabhängig ihrer sozialen Stellung.
05.02.2009 um 20:20 Uhr
@Robert Ja die Grenze sollte definiert sein, kommt aber stark darauf an, in welcher Beziehung der Mensch zu einem selbst steht. Bei Geld im speziellen ist die Grenze leichter zu definieren, wie beim emotionalen Sachen. Wer einmal eine solche Grenze überschritten hat dann wieder ins „normale“ Leben zurückkehrt, der sieht die Welt ein bisschen anders. Schwer zu beschreiben.
05.02.2009 um 20:22 Uhr
ja, stelle mir vor, meine Kindern würden eines Tages in eine Notlage geraten, weiß gar nicht, welche Grenze ich dann hätte, keine womöglich?
05.02.2009 um 20:38 Uhr
Keine, das ist Eltern einfach mitgegeben. Da muss man einfach Hilfe von außen suchen. Oder ehrliche Freunde, die einem das deutlich sagen?
05.02.2009 um 23:33 Uhr
Der Sozialstaat kann manchmal sehr unmenschlich sein – besser gesagt einige Mitarbeiter, die ggf. auch unter einem großen Druck (und auch Vorurteilen aufgrund von Erfahrungen) stehen.
Manche dieser Mitarbeiter sind sehr nett und versuchen wirklich zu unterstützen, sofern sie Zeit dazu haben. Dann gibt es wieder Mitarbeiter, die drängen Menschen in einen klassischen Catch22.
Mit chronischen Erkrankungen und/oder Armut kann einem der Kreis von Menschen, in dem man sich vorher bewegte recht schnell wegbrechen. Selbst dann wenn man versucht offen mit diesem Thema umzugehen.
Menschen, die einem zuhören sind in jeder Lebensituation wichtig. Doch in dieser Situation, wie Du sie beschreibst, sind sie – aus meiner Sicht – sogar wichtiger als der Sozialstaat. Ein Ideal wäre ein Sozialstaat, der Menschen auch menschliche Wärme zukommen lässt.
Menschen Raum geben für ihre subjektiven Empfindungen und Wahrnehmungen, selbst dann wenn sie einem eher fremd erscheinen mögen.
Das versuche ich meinen Freunden zu geben. Das klappt mal besser und mal weniger gut.
05.02.2009 um 23:39 Uhr
Zwegat bloggt unter Pseudonym. Geil
05.02.2009 um 23:47 Uhr
Zwegat? Wer?
06.02.2009 um 01:40 Uhr
Es ist leicht, Menschen, die am Boden liegen zu treten. Das machen diverse „Angestellte“ von „Agenturen“ gerne. Sowas habe ich auch durch. Du sitzt da wie ein wimmernder, abgemergelter Köter, der nach einem Happen vom Tisch giert und musst dich dabei in einem subtilen Stakkato von Demütigungen hingeben. Schonmal einen Hartz-IV-Antrag gesehen? „Nackt ausziehen“ fällt mir da nur ein, soziologisch und moralisch.
Du bist am Boden. Sitzt auf deiner Couch und lebst von einem Moment in den nächsten und verdrängst Fragen, wie „Wie geht’s weiter?“. Du bist nicht einmal mehr in der Lage, ohne Magenkrämpfe zum Briefkasten zu gehen. Und wenn, dann liegt der Scheiß nur ungeöffnet da rum. Und wächst, es wird mehr, du willst gar nicht wissen, wer schon wieder Kohle von dir will.
Ich hatte das Glück, dass ich durch meine Familie aufgefangen wurde. Sowas vergisst man nicht.
06.02.2009 um 06:34 Uhr
@Robert Die Menschen kommen in der Regel von alleine, allerdings viele erst wenn es zu spät ist oder fast zu spät ist. Eben weil die Überwindung sso groß ist diesen Schritt zu tun.
Meistens könnte man viel mehr tun wenn die Leute nur 2-3 Monate früher kommen würden. Ich bin nur froh, dass sie überhaupt kommen.
Ein Vorteil bei uns ist, es gibt die Anlaufstelle schon seit über 20 Jahren, wir sind in der Gegend sehr bekannt und helfen auch bei anderen Problemen wie z.B. Behörden (Sozialamt). Mittlerweile kommen Leute aus ganz Deutschland (über die Website), da ist es vielleicht einfacher diesen ersten Schritt zu tun, weil man niemandem persönlich gegenüber sitzt.
06.02.2009 um 06:50 Uhr
Ich bin den Weg nach unten gegangen. Soweit, dass ich fast nicht mehr konnte. Dass ich nachts stundenlang wach lag und über den allerletzten Weg nachdachte. Den ich wahrscheinlich nie gegangen wäre, weil ich zu feige dazu bin. Es war eine schlimme Zeit.
Pleite war ich nicht. Gemessen an HartzIV, Überschuldung o.ä. ging es mir finanziell geradezu prächtig. Es gibt viele Menschen, die in objektiv viel bedrückenderen Situationen stecken. Aber was zählt schon Objektivität, wenn es um die persönlich gefühlte Verzweiflung geht?
Ich war Lohnsklavin. Leiharbeiterin, 5 Jahre lang. Dabei habe ich eine sehr gute Ausbildung, abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, breite Allgemeinbildung, fließende Englischkenntnisse. Aber mein Lebenslauf ist bunt, ich habe lange studiert und nicht nur ein Fach, sehr divergente Sachen gemacht. Nach dem Wirtschaftsstudium im vorgerückten Alter wollte mich keiner. So kam ich irgendwann ins Callcenter, outbound: Ausbeutung pur, grenzwertige Arbeitsweise (zu Details siehe Wallraff). Dagegen war Zeitarbeit Gold.
Beim Einstellungsgespräch sagte man mir, man könne mich vielleiiiicht irgendwo am Empfang brauchen, sonst sei ich zu nichts einzusetzen. Mein erster Job war genau das. Telefon verbinden, tippen. Der zweite: Amerikanischer Konzern im Fusionsprozess, jahrelanger Einstellungsstopp. Assistenz für verschiedene Chefs, teils erträglich, ein paar Highlights, teils langweiligste Routine, teils fast nichts zu tun, insgesamt unterfordert. Gutes Betriebsklima. Interessante Branche, aber nicht meins. Stellenbeschreibung des dritten Jobs: Posteingang und -ausgang. Temporäre Firma, bestehend aus hochbezahlten Interimsmanagern und zeitarbeitendem Admin-Fußvolk. Betriebsklima einer feudalen Klassengesellschaft. Der vierte Job war kurz, aber der beste: Werbeabteilung, stressig, kommunikativ, kreativ, freundliche Atmosphäre. Nach dieser Atempause gab mir der fünfte Einsatz den Rest. Obwohl die Tätigkeit interessant war, jedenfalls für bemessene Zeit. Amerikanischer Konzern, Produktionsstandort, Controlling plus Bonussystem at its worst: ein Kessel unter Druck, immer kurz vorm Explodieren. Da hilft auch keine „Wir sind die Besten“-Motivation mehr. Erfolg, Expansion, aber zu wenig Manpower, zu wenig Maschinen. Atmosphäre der angestifteten Unzufriedenheit, die zivilen Umgangsformen bereits durch Aggressivität erodiert.
Wo immer Du als Leiharbeiter bist, Du erwischst das schlechte Ende, selbst in einer guten Firma. Wo die Umgebung schon schlecht ist, spürst Du es umso schlimmer. Leiharbeit ist Arbeit in faktischer Rechtlosigkeit. Selbst wo man Dir persönlich wohl will, bist Du Mitarbeiter zweiter Klasse. Es schimmert immer durch. Du zählst NICHTS, Du bist reine Arbeitskraft, Produktionsmittel, ein Durchgangsposten. Leasingfirma und Kunde schulden sich was, beide profitieren von dem Deal, der Leiharbeiter ist austauschbar. An Deiner Person, Deiner Entwicklung ist keiner interessiert, da keiner was davon hat. Ein Circulus viciosus: Verantwortungsvollere Aufgaben vertraut man Dir nicht an, da Du ja wieder gehst (und damit das erarbeitete Know-How mitnimmst), da Du aber nur das machen darfst, was alle anderen auch können, kannst Du Dich nicht unersetzlich machen. Und schon gar nicht für gute, „richtige“ Jobs profilieren. Wenn Du gut bist, möchte man Dich zwar möglichst lange haben – aber bitte in Zeitarbeit, da der Stellenplan nichts anderes vorsieht. Solange Dich die Firma haben will, gibt es wiederum keinen Grund für einen Einsatzwechsel, und damit auch keine neue Chance. Den vielbeschworenen Klebeeffekt gibt es, aber nicht oft. Ich habe einige getroffen, meist junge Absolventen, die so ihre erste Stelle bekommen haben. Ich habe aber auch und vor allem die anderen gesehen: die, die jahrelang in Zeitarbeit feststecken und depressiv werden. Und sich von Chefs noch neoliberale Sprüche anhören müssen, sinngemäß: ‚Du hast versagt, bist vielleicht einmal nicht gut genug gewesen, also beklag Dich nicht, dass Du jetzt als Straßenkehrer gehst. Ich würde es auch tun‘.
Jeder geht mit der Depression anders um: da gibt es die Stillen, die in einer Fassade der Hoffnung ihre Situation stoisch ertragen, die, die aufmüpfig werden und irgendwann deshalb vom Leasingnehmer „rausgeschmissen“ werden, und die, die schon in psychotherapeutischer Dauerbehandlung sind.
Was in Dir vorgeht, interessiert keinen. Du hast zu funktionieren. Das Auffangsystem Sozialstaat greift erst, wenn das Kind schon im Brunnen liegt. Es muss Dir schlecht genug gehen. Das gilt fürs Arbeitsleben genauso wie wahrscheinlich für Schulden oder Erziehungsprobleme. Sobald Du unterhalb einer definierten Wasserlinie angekommen bist, kann die Maschinerie anlaufen. Vorher musst Du selbst klarkommen.
Im Fall von Depressionen ist das besonders fatal. Depression versteckt sich. Depressive kapseln sich ein, halten sehr lange die Fassade aufrecht, funktionieren. Und suchen gerade nicht aktiv Hilfe auf. Damit haben auch ehrenamtliche Angebote keinen Ansatzpunkt.
Zeitarbeit war für mich die letzte Chance, einen Job zu finden. Ich war also schon zu Anfang „klein“. Zeitarbeit hat mich noch kleiner gemacht. Bis ich irgendwann fast nicht mehr da war. Zum Beispiel habe ich zuletzt nicht mal mehr Urlaub genommen, weil ich als Aushilfe dafür eingestellt war, dass andere gehen konnten. Ich habe die Rolle der Rechtlosen angenommen, bin regelrecht hineingeschrumpft. Warum? Weil ich keinen Ausweg gesehen habe, keine Perspektive. Wohin in einer Zeit mit fast 5 Millionen Arbeitslosen? Ich hatte schon vorher nicht die Erfahrung gemacht, eine begehrte Arbeitskraft zu sein.
Nach dem letzten Einsatz war ich nicht mehr vermittelbar. Ich spürte, noch einer dieser bescheidenen Jobs wäre das Ende, buchstäblich. Mehrere Vermittlungsgespräche schlugen fehl, ich fragte zuviel, versuchte mich abzusichern, wirkte dadurch nicht mehr anpassungswillig genug. Ich handelte mir sogar noch eine Abmahnung ein, weil ich meine Verletzungen des letzten Jobs nicht diskret genug verbergen mochte. Schließlich kam es zum Mitarbeitergespräch: Ich sollte wieder auf Kurs gebracht werden, aber man lehnte ab, mir zu kündigen. Man glaube an mich, blabla … Es ging nicht um mich als Person, sondern um mich als Produktivposten, als Ware, als Teil der Zielvereinbarung der Vermittlerin. Nach diesem Gespräch kündigte ich selbst.
Es war zu Ende.
Nach einer Phase der Umorientierung bin ich zu dem zurückgekehrt, was ich am besten kann und am liebsten mache, in einer neuen Variante. Dafür habe ich mir ein neues Wissensgebiet angeeignet. Jetzt bin ich selbständig und arbeite daran, dass es richtig aufwärts geht.
Was mir vor allem durch die schlimme Zeit geholfen hat: Mein Freund, der mein Jammern und meine Überempfindlichkeit ertragen hat, obwohl er bei weitem nicht alles nachempfinden oder verstehen konnte. Aber er war da, und das war sehr, sehr viel wert.
Es gibt sicher viele, die Ähnliches zu erzählen hätten. Oder viel Schlimmeres, denn objektiv gesehen war meine Lage im Vergleich zu Leuten z.B. in der Produktion privilegiert. Aber die wenigsten sprechen darüber. Leiharbeit wird in den Medien immer noch vorwiegend beschönigt, als große Chance dargestellt. Obwohl sich längst rumgesprochen haben sollte, dass hier, unterstützt durch die Gesetzgebung, ein ganzer Wirtschaftszweig von einer gigantischen Systemverzerrung zuungunsten der betroffenen Arbeitnehmer lebt. Mit allerlei hässlichen Konsequenzen.
Robert, ich fühle mich sehr angesprochen von Deinem Post, und darum erzähle ich hier meine Geschichte (allerdings anonym, so viel möchte ich im Netz dann doch nicht über mich preisgeben). Vielleicht verschafft sie denen ein bisschen mehr Gehör, die noch mittendrin stecken im Schlamassel, denn da fühlt man sich nur ohnmächtig.
06.02.2009 um 09:03 Uhr
Robert: Leider gibt´’s keine Seite, die das liefern würde. Da muss die Suchmaschinen meistens helfen. Es gibt zwar eine Landkarte des Engagements, aber dort sind (bisher) nur Unternehmen aufgeführt, die sich in der jeweiligen Region engagieren:
http://www.unternehmen-fuer-die-region.de/landkarte.0.html
Oft hilft es auch schon, auf den einschlägigen Seiten wie Diakonie, Caritas usw. vorbeizuschauen. Dort findet man schon einige Anlaufstellen und sie helfen auch telefonisch gerne weiter.
06.02.2009 um 12:12 Uhr
Schön, dass es noch so sensible Menschen gibt, in diesem Haifischbecken. Das Thema ist enorm wichtig. Es war gut, dass es aufgegriffen wurde. Der Beitrag von „Styx“ und die Ausführungen von Robert haben mich berührt …
Mal ganz pragmatisch: Wenn jemand in einer solchen Situation ist, wie es Robert beschrieben hat, hilft der sprichwörtliche Tritt in den Hintern. Es muss jemand da sein, der einen an die Hand nimmt – aus der Verzweiflung reißt. Das ist die größte Hilfe die man haben kann. Unser Staat mag in vielen Dingen versagen, aber das Auffangnetz für hingefallene Menschen funktioniert. Wer kein Einkommen und keine Bleibe mehr hat bekommt eine Wohnung vom Staat bezahlt + Einrichtung + Geld zum überleben. Wer blank ist, kann Insolvenz anmelden und ist nach 6 Jahren wieder schuldenfrei, wenn er sich an die Spielregeln hält. Es geht immer weiter … Niemand muss resignieren. Es kostet natürlich viel Kraft, den Gang zu den Behörden zu machen, aber es ist in einer ausweglosen Situation der richtige und beste Weg.
Der Blick zu anderen Menschen, die auch schon hingefallen sind, aber irgendwann wieder ein sinnerfülltes und glückliches Leben führen konnten, hilft ungemein. Jeden kann es treffen. Niemand ist vor einem Absturz sicher. Es ist menschlich und gehört (leider) zum Leben dazu …
Und zuletzt: Man steht bei einem Neuanfang nie ohne etwas da. Die gesammelten Erfahrungen sind ein reicher Schatz , aus den man durchaus schöpfen kann: Mental, physisch und charakterlich.
06.02.2009 um 12:49 Uhr
Chapeau. Ich mag den neuen (und alten) Robert. ;-)
Du öffnest in Zeiten von Blahbuzz. Das ist sehr schön.
06.02.2009 um 20:40 Uhr
OMG! Wer aufhört zu kämpfen stirbt. Wer kämpft kann gewinnen. So einfach ist das und der Staat tut was er kann um einen Regenschirm zu spannen – leider ist der etwas kleiner und manchmal wird mal auch darunter feucht. Jahrzehnte gab es nur rosa Watte und nun weht ein noch leichtes Lüftchen die Watte weg und viele flüchten sich in „mein Akku ist leer, ich bin ganz unten, bla“ – ich habe dafür kein Verständnis. Klar, wir haben keinen Krieg erlebt oder geschweige denn eine heftige Krise, wie sollen wir also damit umgehen ausser zu weinen – fragt eure Vorfahren und Ihr werdet staunen was ein Mensch in der Lage ist zu leisten und solange man noch aufrecht durch eigene Kraft auf zwei Beinen stehen kann, kann „vom Ende“ noch lange keine Rede sein!
Wer Hilfe braucht, sollte einfach danach fragen. Wer sich aus welchen Gründen auch immer nicht traut hat in der Tat ein Problem. Wenns im Schritt juckt geht ihr doch auch zum Arzt und lasst Ihn dort nachschauen, wo uns die Gesellschaft lehrt das dort ein Teil unseres Schamgefühls zu wohnen hat – wenn das geht, das geht das auch, wenns „im Geldbeutel“ juckt!
06.02.2009 um 20:42 Uhr
Ich finde die wichtigste Aussage in Deinem sehr schönen Beitrag ist der Schluss.
Es ist so simple jemandem zu helfen in dem man ihm einfach nur zuhört. Das kann eigentlich jeder und es kostet nichts. Aber das ist schon der erste Schritt in die richtige Richtung für den Not Leidenden. Seine Probleme zu formulieren und mit jemandem zu teilen.
06.02.2009 um 20:45 Uhr
@Lupus, ich lass Dir gerne Deine Haltung, sobald Du jedoch wie ein Schneeball in der Hölle schmilzt, denk an meine Worte, Mr. Steel:)
06.02.2009 um 20:55 Uhr
Wichtig ist, dass die Menschen das gefühl vermittelt bekommen, gebraucht zu werden. Gemocht zu werden. Und sie nicht nutzlos sind. Hat auch viel mit Selbstaufgabe zu tun, aber ein gesunder Freundeskreis bekommt auch das in den Griff… Einigeln ist der erste Schritt in den Abstieg…
@Robert: eine sehr gute Idee, dass du hier so ein Thema aufgreifst…
06.02.2009 um 22:23 Uhr
@lupus: wird wohl mal wieder zeit dass einige herrschaften den geschmack des krieges schmecken und von ihren banalitäten abgelenkt werden, oder wie soll man den kommentar verstehen?
ich fürchte genau wegen solchen einstellungen bekommen menschen depressionen.
existenzangst ist todesangst. das ist kopfsache und leider hat sich das im hiesigen kulturkreis so eingenistet. nur wer leistet wird gebraucht. nur wer gut verdient gehört dazu. das bei all dem schuften auch noch andere dinge einfach verloren gehen (pflege und aufbau freundeskreis, pflege und aufbau des familienkonstruktes) vergisst man leider. viele schuften sich einsam und wenn dann urplötzlich nix mehr zu schuften da ist …
ein wenig empathie hier oder da täte uns allen ganz gut. daher hoffe ich inständig, dass du niemals in ein solches loch fällst.
07.02.2009 um 19:03 Uhr
@lupus
„…was ein Mensch in der Lage ist zu leisten … solange man noch aufrecht durch eigene Kraft auf zwei Beinen stehen kann, kann “vom Ende” noch lange keine Rede sein!“
Glaub mir, genau das redet man sich ständig ein. Durchhalten, weitermachen. Andere können’s doch auch. Anderen geht’s noch schlechter. Irgendwann kommt die Chance. Lauter so’n Zeug. So kommt man irgendwie durch den Tag. Aber nachts kommen die Dämonen trotzdem! Und zehren an der Kraft für den nächsten Tag. Nacht für Nacht.
Und was den Gang zum Arzt betrifft: Wenn’s Dich im Schritt juckt, erwartest Du, dass Dir der Arzt irgendwas dagegen aufschreibt. Was aber, wenn Du das Gefühl hast, der Arzt – oder irgendeine andere Stelle – KANN Dir nichts anbieten, was Dein Problem löst? So einfach ist es halt nicht.
08.02.2009 um 17:26 Uhr
@Robert: Sehr nett, aber was glaubst Du wo ich herkomme?
Jeder Mensch wird in einer Gesellschaft gebraucht nur leider nicht immer da, wo er es gerne hätte. Und das man nur wer im 5er BMW mit Einfamilienhaus etc. ist, ist eben weitestgehend eingeredet und von den meisten einfach so geglaubt. Das es da noch weitaus mehr gibt ist den Menschen verloren gegangen. Das man einfach mal seinen Pops zusammenkneifen muss und es nicht immer so einfach ist wie damals auf der Walldorfschule haben auch einige einfach vergessen. Weichspüler wohin man sieht. Konflikt- und Kritikfähigkeit, Streitkultur? Alles weg.
Jeder fühlt sich gleich persönlich angemacht oder geht lieber in den Kuschelmodus – unser Wirtschaftssystem lässt dies aber nicht zu und entweder man ändert das System oder versucht eben die Regeln zu lernen, nach diesen zu spielen oder geht u.U. unter. Ich helfe häufig, gern und viel Menschen „in Schieflage“ – aber bei jedem 2. stelle ich fehlendes Engagement fest, falschverstandene Scham oder einfach nur „juhuu, mir geht es schlecht, bedauert mich….“ – mit Jammern kommen wir nunmal nicht vorwärts.
08.02.2009 um 17:30 Uhr
ich verstehe dich sehr wohl. Sehe das im Grunde genauso, eben mit dem ergänzenden Hinweis, dass man ab einem Punkt nicht mehr wirklich Herr seiner selbst ist.
08.02.2009 um 18:47 Uhr
Ich habe jetzt nicht alle Kommentare gelesen. Es gibt allerdings auch tatsächlich Menschen die in einer Notlage nur eine Lösung sehen und mit Ihrer Lösung auch andere Menschen mit hineinziehen.
Als Beispiel für den Freitod gibt es sowohl kranke und/oder in einer finanziellen Notlage lebenden Menschen, die sich beispielweise aus dem Studentenwohnheim in FFM stürzen. Es gibt auch Reiche, die mit der Lage, in die sie sich hineinmanövriert haben, nicht klar kommen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist z.B. der Freitod des Herrn Merkle.
Ich persönlic finde es sehr schade, wenn sich Menschen für diese Lösung entscheiden.
Wiederum können andere, die in Not gerattenen helfen sollen (Sozialstadt mit seinen Einrichtungen), inzwischen so abgestumpft, dass sie die tatsächlich Hilfebedürftigen mit Ihrer Art der Verwaltung der Not diese abschrecken …
09.02.2009 um 17:15 Uhr
Danke für die einfühlsame Auseinandersetzung mit dieser Thematik.
10.02.2009 um 02:52 Uhr
So, jetzt habe ich doch weiter gelesen. Und mein erster Eindruck von einem anderen Artikel hat sich nicht bestätigt, was ich sehr schön finde.
Es mag vielleicht das finanziell Günstigste sein, dennoch ist genau das manchmal am Schwierigsten. Auf jemanden zuzugehen, Wärme und Empathie zu geben ohne in die Falle der ungebetenen Hilfe zu tappen und ohne ihm seine Verantwortung zu nehmen.
Ein Mensch mit Suizidgedanken ist ein Sonderfall. Dennoch: Niemand, auch nicht der engste Freund, wird ihn davon wirklich abbringen können, wenn er es fest will. Aber da man dies nie so genau weiß, lohnt es sich, es immer wieder zu probieren, ohne sich Vorwürfe zu machen. Jeder ist für sein Leben verantwortlich, und das gilt sogar für die Verzweifelten. Und zur Veranwortung zählt auch, um Hilfe zu bitten.