Es gibt sie hin und wieder. Blogger, die im Grunde genommen das Potential haben, sich von ihrem publizistischen Schaffen zu ernähren. Primär basiert das auf ihrer Schreibe und ihrer digitalen Persönlichkeit. Das eine nutzt ohne das andere nichts. Ich spreche von Wiedererkennbarkeit, einem alles entscheidenden Gesamtfaktor. Allerdings befindet sich zwischen dieser Möglichkeit – sich vom Blog komplett zu ernähren – und dem Status Quo sagen wir ruhig mal „die Todeszone“.
Wozu braucht es eine Todeszone
Eine Todeszone braucht es, um die Starken/Geschickten von den Schwachen/Ungeschickten zu trennen. Die Todeszone definiert sich daher sehr einfach: Es reicht nicht, um davon zu leben. Es reicht aber im Moment, um sich davon ein nettes Zubrot zu verdienen.
Um von A nach B zu kommen, müsste der Blogger seinen Job ruhen lassen oder aber immer weiter reduzieren. Von Ganztags auf 3/4 auf 1/2 auf 1/4. Die Arbeitgeber sind aber nicht so flexibel. Und mit steigenden Zeiteinsatz – dem alles entscheidenden Faktor zu einer Professionalisierung – gehen die Einnahmen nicht linear einher, sondern mit einer erheblichen Zeitverschiebung. So kompensiert der Zugewinn aus der publizistischen Tätigkeit nicht den Verdienstausfall aus dem bisherigen Job.
Die Annahme Zeit und Arbeit dahinter ist recht simpel. Wer gut schreibt, muss Zeit investieren. Gewinnt Leser aber auch Kontakte und Möglichkeiten. Wer mehr Zeit investiert, gewinnt womöglich weiterhin an Lesern und Möglichkeiten. Konkurriert langsam aber sicher auch gegen die professionellen Webseitenangebote da draußen. Egal in welchem Bereich. Aus diesem Grunde kann man beruhigt (oder auch nicht) annehmen, mit einem Halbtagesjob am Blog eben nur „die Hälfte“ zu verdienen. Bleibt damit aber unter der notwendigen Flughöhe, um gegen den Wettbewerb zu bestehen, um auch genügend existenzsicherende Einnahmen zu generieren.
Doch nicht nur die Zeit für den Blog-Output zieht an, es kommen neue Herausforderungen im zeitlichen Sinne auf den Blogger zu. Er muss sich vermarkten bzw. refinanzieren. Das, was er womöglich vorher dank der Einnahmeprogramme im Vorbeigehen generiert hatte (meistens AdSense, Amazon und Affiliate), geht neuerdings für Direktvermarkungsmaßnahmen drauf. Alternativ kann der Blogger neue Refinanzierungsquellen erkennen, doch auch diese kosten Zeit und Zeitverzug, bis sie einnahmewirksam werden.
Die Todeszone dennoch überwinden
Was ist also die richtige Strategie, um die Dauer abzukürzen, bis man auf ein Vollzeitprogramm umstellen kann? Aber auch die notwendigen Arbeitszeiten weiterhin so schlank wie nur möglich zu halten, um ein Maximum an Entscheidungsflexibilität und Einkommenssicherheit (nicht Maximierung der Einnahmen!)zu haben?
Es gibt verschiedene Strategien. Sie sind im Grunde erstaunlich simpel! Im Vergleich zu vielen anderen Möglichkeiten, die wesentlich aufwändiger sind.
1. Einfach so weiterbloggen wie bisher
Bekanntheit, Leser, Aufmerksamkeit und Möglichkeiten sind eine Funktion von Kontinuität, damit Zeitdauer. Caschy geht diesen Weg. Sein einfaches Rezept: Nebenher bloggen, und das seit Jahren. Primärer Faktor ist, dass er Tag für Tag einen kontinuierlichen Output aufweist. Als Hauptbedingung habe ich es schon oben festzementiert: Die Schreibe und seine Art sichert sein Vorankommen. Wer nicht schreiben kann und kein Gesicht entwickelt, kommt da draußen nicht an. Dem nutzt alle Zeit der Welt nichts. Ob solche Blogger wie Caschy den Weg bis zu einem Vollzeit-Blogger Status gehen oder nicht, wissen wir nicht. Sie könnten es. Und dienen mir als Beispiel, dass auch Nebenher-Bloggen zum Erfolg führen kann. Es dauert eben Jahre.
2. Alternativ können Blogger Vermarktungseinheiten gründen
Die gleichartige Angebote zusammenfassen. Vorteil ist, dass man statt müden AdSense-Einnahmen ungefähr bei 1 Euro pro TKP relativ entspannt über 10 Euro pro TKP kommt. Wer demnach ein Blog mit rund 100.000er Trafficaufkommen hat, macht nicht mehr müde 100 Euro, sondern käme theoretisch auf 1.000 Euro. Das ist aber nur die reine Rechnung. Was steckt dahinter?
Die Werbeindustrie interessiert sich für Euer Blog nicht. Ihr seid eines von vielen Klein- und Kleinstangeboten. Sie kennen Euer Blog auch nicht, würden nicht einmal bereit sein, mit Euch zu reden, da ihr mit zu wenig Einnahmen der Agentur nix einbringen würdet und dem Werbekunden nicht genug Reach verspricht (der sich sowieso nicht selbst vermarktet, sondern die beauftragten Agenturen agieren läßt). Sie – die Agenturen – haben Euch nicht mal auf dem Radar und werden daran auch nichts ändern. Also bleiben Euch die automatischen Werbeprogramme von Google, Zanox und Amazon. Also bleiben Euch die müden 1 Euro TKPs. Weil Ihr Euch nicht verkauft – einem Programm kann man nix verkaufen, es redet nicht mit Euch – und weil Ihr als Einzelner – nochmals – zu klein seid.
Das Zusammenfassen und geballte Verhandeln mit Werbetreibenden und Vermarktungsagenturen stärkt Eure Position. Bei konsequenter Verkaufsstrategie und gemeinschaftlichen Qualitätskriterien (nicht jedes Blog ist geeignet, im Pool aufgenommen zu werden) sprecht Ihr mit stärkerer Stimme, habt mehr vorzuweisen, könnt endlich verhandeln.
Ob das ein leichtes Spiel ist? Wer glaubt, dass man seine Einnahmepotentiale einfach so verzehnfachen kann, liegt richtig. Nur vor dem „einfach so“ liegen zwei Probleme, die zu bereinigen sind: Wer kann einen Sack Flöhe hüten (unterschiedliche Blogger mit unterschiedlichen Typen und Zielen) und wer findet jemanden, der sich in der Onlinewerbeindustrie so auskennt, dass er/sie willens wäre, recht viel an Vorarbeit zu investieren (Meetings, Talks, Termine, Reisen, Kalkulationen, Blogger-Rücksprachen)?
3. Der dritte Weg liegt auf der Hand. Nebenbei bloggen und Vermarktungsgruppen bilden. Grau ist die Theorie, dunkel die Praxis.
Fazit
Ich persönlich flenne regelmäßig bei der Betrachtung einzelner Blog-Cluster, die weder in der Lage sind, zusammen zu agieren noch die Chancen ergreifen, stattdessen um jeden Leser und jeden Cent fighten anstatt an den effizienten Parametern zu drehen. Jedoch wie paralysiert angesichts vor Problemhürden die Waffen strecken und alles so belassen wie es ist. Und sich als Einzelne einem Vermarkter hingeben, der ihnen 40%-50% von dem Bisschen aus der Tasche zieht. Am Ende bleiben sie vor der Todeszone stehen und denken sich, wie es wohl auf der anderen Seite sein könnte. Die Allerwenigsten rudern herüber.
Update
Siehe Dialog auf G+ (mit und von Caschy)
Foto von Moyan Brenn, Lizenztyp: CC BY-ND 2.0
16.04.2012 um 13:35 Uhr
Mein Reden. Außerdem Blogs thematisch zusammenleben und mit geballter Content-Power für Vermarkter interessanter und damit besser bezahlt zu werden.
Habe also einen Hamburg-Blog, einen Väter-Blog, einen Promi-Blog und demnächst noch einen Kanaren-Blog anzubieten. Wer hat Lust mitzumachen?
16.04.2012 um 13:35 Uhr
Gut geschrieben Robert,
manchmal habe ich aber auch das Gefühl, dass sich Blogger ein wenig selbst im Wege stehen. Mögliche neue Erlösquellen werden ignoriert oder abgelehnt, weil sie sich mit dem eigenen oder dem globalen „Ehrenkodex“ der Blogger nicht vereinbaren lassen.
Die Frage bleibt, was will der Blogger … Cash gegen für seine Arbeit oder auf lebzeit die reine weiße Bloggerweste und dafür auf Umsatz verzichten?
Ich schätze Blogger sehr und kann am eigenen Blog spüren wir zeitintensiv und arbeitsaufwändig der Betrieb eines solchen ist.
Der Selbsterhaltungstrieb sollte einem erfolgreichen Blogger auch ab und an die Euro-Zeichen in die Augen treiben.
Grüße
Marco
16.04.2012 um 13:38 Uhr
Das ist aber arg viel graue Theorie, Robert. ;) Punkt 1 ist ein absoluter Sonderfall (und ein sehr guter Blogger, keine Frage). Punkt 2 bedeutet, dass sich jemand für einen längeren Zeitraum dahinterklemmen muss, der sich für den Aufbau des Ganzen irgendwie finanzieren muss. Aber womit?
P.S. Wodurch unterscheidet sich Punkt 3 von 1 und 2? ;)
16.04.2012 um 13:52 Uhr
Jürgen, die Sonderfälle kenne ich zu mehreren Dutzend. Statistisch also halbvoll oder halbleer:)
Punkt 2 ist sogar noch ein größerer Sonderfall, findet sich aber in Blog-Konglomeraten durchaus, unmöglich ist das gewiss nicht.
Punkt 3 = 1+2, ganz einfach
16.04.2012 um 13:59 Uhr
Der Aufwand und Ertrag liegt kaum irgendwo so weit auseinander wie beim Bloggen. Selbstständig zu sein und voll davon leben zu können – das scheint mir die Ausnahme zu bleiben. Es muss ein Thema behandelt werden, das genug Stoff hergibt. Dann muss die Nische noch vernünftig zu vermarkten sein. Und schliesslich lässt das Angebot an Informationen nicht viele Marktleader zu.
16.04.2012 um 14:02 Uhr
Ich stufe mich mal ganz selbstherrlich als Punkt 1 Blogger ein. An dieser Stelle greift übrigens noch ein ganz wunderbarer Punkt, mit dem man seine Arbeit noch mehr nach eigenem Willen gestalten kann.
Ich muss nicht von meinem Blog leben bedeutet ebenfalls, ich kann mir also noch mehr Eigenwilligkeiten erlauben, der Industrie auch bei verlockenden Angeboten ein Nein zuwerfen, wenn es inhaltlich halt doch nicht so richtig passt und so meine Glaubwürdigkeit, mein Verständnis und meine eigene Strategie ausbauen.
16.04.2012 um 14:16 Uhr
Ich bin nun seit fast 10 Jahren in der Todeszone. Das ist logisch ich betreibe ein sehr systemkritisches Blog. Dazu noch ein Mehrautorenblog die sich auch untereinander nicht unbedingt zustimmen. Aufwand und Einnahmen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis. Also ist das Ganze ein Hobby. Tatsächlich würde ich natürlich gerne vom Bloggen und Schreiben leben können, aber wem das 10 Jahren nicht gelungen ist, der braucht glaube ich nicht mehr darüber nachzudenken.
Nachdenken müssten wir Blogger aber über ein gemeinsames Vermarktungsmodell jenseits von Google und Amazon. Das ginge aber nur wenn der einzelne Blogger die Rechte über die Werbung im Rahmen einer Satzung an eine Vermarktergruppe überträgt. Damit könnten die gröbsten Fehler ausgeschlossen werden. Aber das ist den Diven nicht klar zu machen.
Deshalb bleibt das Ganze leider ein Traum.
16.04.2012 um 16:21 Uhr
Ich meine ja, dass es da noch einen weiteren Weg gibt, der sich im Laufe der nächsten 2 Jahre auch festigen wird: Sponsored Blogs. Ein Hersteller bucht ein Blog für einen gewissen Zeitraum. Unabhängig von TKP und so weiter. Vielmehr, wegen der Relevanz des Blogs, welche sich auch bald besser messen und abbilden lässt.
16.04.2012 um 16:56 Uhr
Hallo,
wiedermal ein interessanter Beitrag zum Blog. Cashy ist schon eine Ausnahme.
Grüße
16.04.2012 um 21:16 Uhr
@Jan: das wäre klasse. Aber im Tech-Bereich? Natürlich habe ich private Lieblinge, dennoch versuche ich objektiv zu sein. Aber: denkst du, es gäbe ein Blog powered by Microsoft oder Intel, wenn ich über Apple, Qualcomm und AMD schreibe? Schwierig. Wäre klasse – ja: wenn die Transparenz bleibt. Ich will in Blogs nicht vollgesponnen werden, generell nicht.
16.04.2012 um 22:46 Uhr
Die Problematik besteht doch ganz einfach darin, dass es kein vernünftiges Gewicht gegen die angesprochenen Großen der Branche gibt. Selbst wenn man ein paar Blogs zusammenschließen würde, wäre die Marktmacht immer noch auf der „anderen“ Seite. Zusätzlich hätte man dann ständig nachkommende Wettbewerber, die das dann halt (im Nebengewerbe) nach dem gleichen Muster aufziehen. Die wären dann mit den derzeitigen Einnahmen zufrieden.
Nach meiner Meinung gibt es nur den Weg den Vermarkter auszuschalten und versuchen direkt an die Unternehmen zukommen. Denen ist es egal, ob das Geld an den Vermarkter geht oder an den Blog selber, solange er keine Mehrarbeit hat und/oder Kosten einsparen kann.
17.04.2012 um 07:34 Uhr
@Cashy: Nein, das kann natürlich nicht funktionieren. Aber denk mal ein wenig quer, es gibt genug Unternehmen, die Dich bestimmt geren als Werbepartner/Markenbotschafter nutzen möchten, ohne das sie irgendwelchen Einfluss auf die Themen in Deinnem Blog nehmen „müssen“. Denke hier an sowas wie die Lufthansa. Oder Bofrost. Oder meinetwegen auch eine Tourismusverband auf Landesebene. Sowas geht hervorragend und dazu könntest Du sogar Postings verfassen, die Dich selbst noch interessiren.
Ein Modeblogger kann von einem „Mercedes-Benz“ oder „Bowers & Wilkins“ gesponsort werden. Ein Auto-Blogger von einem „Fossil“ oder „Boss“. Es gibt immer Überschneidungen, die sich anbieten, ohne dass sie die Unabhängigkeit des Blogs in seinem Themenbereich in Frage stellen.
Ich glaube, dass wir in den nächsten 2 Jahren einen grossen Schritt nach vorne machen werden in der Sache. Eine Professionalisierung wird eintreten. Ein Cashy, ein MC Winkel wird eine Agentur haben, die sowas für ihn regelt, oder er betreibt die Agentur für andere, weil er schon die ganzen Industrie-Kontakte hat.
22.04.2012 um 14:02 Uhr
Interessanter und wichtiger Artikel. Ich denke das der Weg eher weg von den Typischen Werbenetzwerken führen sollte. Besser den ein oder anderen Werbtreibenden ansprechen und persönliche Verträge schließen. Aber dazu muss man erstmal einen gut gefüllten Blog vorweisen können.
Jeder der jetzt anfängt zu bloggen sollte sich auf eine lange Gedultsphase gefasst machen.
Gruß
Micha
02.05.2012 um 04:03 Uhr
Also ich habe es mit einigen meiner Blogs geschafft mich in die selbstständigkeit zu drücken. Natürlich sollte man sich im klaren sein, das eine änderung von google.. oder ein angriff von hackern oder ähnliches die einnahmen von einer minute auf die nächste in den abgrund ziehen kann. so heißt es also in den guten monaten für die schlechten momente vorsorgen, selbst wenn man vielleicht lange keine schlechten momente erlebt hat..
03.05.2012 um 13:11 Uhr
Ein Blog ist, von Ausnahmen mal abgesehen, für einen allein als Möglichkeit sich damit sein Leben zu finanzieren eigentlich nicht möglich. Da braucht man schon besonderes Glück, ein Gespür für die Themen, die die Leute interessieren und viel KnowHow wie man das dann zu Geld macht. Dann kommt dann noch dazu dass es ja mittlerweile schon sehr viele Blogs gibt, die fast alle Themen abdecken. Es macht sicher keinen Sinn irgendwelche Blogs zu kopieren. Als Bloggemeinschaft, in der die Aufgaben getrennt sind, kann das alles schon besser funktionieren. Aber das ist ja dann streng genommen kein Blog mehr;-)
09.05.2012 um 10:13 Uhr
Guter Artikel. Interessant fand ich die Idee von Jan mit dem Sponsored Blogs. Auf solch eine Idee bin ich bisher noch nicht gekommen. Aber wo liegt dort die Grenze zwischen einen Sponsored Blog und einem Firmenblog?