„Das Barcamp“, hingehen, Sessions vorschlagen, Sessions halten, thematischen Überblick verschaffen, zwischendurch quatschen, kostenlos essen und trinken, Spaß haben, gehen. Das ist mehr oder minder in Kurzform ein Barcamp. Was ist es nicht? Niemand geht ohne Doktortitel in ein Barcamp rein und kommt mit einem Titel wieder heraus. Wer denkt, dass ein Barcamp Tiefenbohrungen ermöglicht, um an Wissensschätze heranzukommen, vertauscht Zeit mit Ort. Im Vordergrund steht die Vermittlung einer durchaus ansehnlichen Themenbreite in einer kurzen Zeitspanne und die Kontaktaufnahme mit Personen unterschiedlichster Disziplinen.

Seitdem das erste Barcamp in Deutschland erstmalig anno 2006 stieg (Berlin), hat sich am Grund- und Feinkonzept nichts mehr getan. Ob es nun „Themencamps“ gab oder ob Eintritt für Barcamps verlangt wurde. Alle Stärken und Schwachpunkte werden seit 2006 mitgeschleppt.

Was sind die Schwachpunkte, an denen es sich lohnen würde darüber nachzudenken? Jetzt kommt der argumentative Kompetenznachweis, der mich zu dieser generellen Fragestellung der Weiterentwicklung berechtigt: Ich habe ein Barcamp organisiert und dutzende Barcamps besucht. Das hat dazu geführt, den Berechtigungsschein „Barcamp-Hinterfragung“ zu erhalten.

1. Die breite Themenvermittlung erzeugt sehr schwache Wissensimpulse
BC FFM 200730 oder 45 Minuten reichen natürlich niemals aus, um in einer Session Grundlegendes zu vermitteln. Das macht zunächst nichts, denn man soll sich bittschön selbst damit befassen und austauschen. Doch mit wem, wo und wann? An dieser Stelle ist Nachhaltigkeit gefragt, abseits vom vollgepackten Session- und Unterhaltungsplan eines Barcamps.

Das bedingt zum einen klar kommunizierte Andockmöglichkeiten für Interessenten, Wissensträger nach dem Barcamp ansprechen zu können. Natürlich sprechen wir von digitalen Andockmöglichkeiten. Zum anderen bedingt das klar kommunizierte Regeln, Ansprechpartner digital ansprechen zu dürfen. Was Teilnehmer nicht so klar zu sein scheint, denn sowohl während als auch nach einem Barcamp laufen wir selbstverständlich mit den uns anerzogenen Kontaktscheuklappen herum.

Its a drama, baby
Wisst Ihr, wer die Session zu [Social Media Monitoring / Dein Suchbegriff] auf den letzten 50 Barcamps gehalten hat? Es waren womöglich 10, 20 oder 50 Wissensträger? Wie lauten ihre Namen? Warum könnt ihr sie nicht fragen? Antwort: Es gibt diesen digitalen Platz nicht. Ihr wisst es nicht, obwohl es da war. War. Nachhaltigkeit? Null,NachDemKommaEtwas! Es ist eine Schande, welche Wissenspotentiale verschwendet werden!!! 100 Barcamps multipliziert mit 100 Teilnehmern, ergibt alleine rund 10.000 personelle Wissensandockpunkte, kombinatorisch ungleich mehr, exponentiell mit Nicht-Teilnehmern gepaart nochmals ein Universum voller Möglichkeiten. Das dunkel bleibt, nur an wenigen Eckchen aufleuchtet. Wissen muss fließen können, Barrieren kann man abreißen.

2. Sponsoren werden als notwendiges Übel behandelt
Essensausgabe bei Cisco zum BC FFM 2007 für rund 150 TeilnehmerWir danken den Sponsoren, die uns das Barcamp überhaupt erst möglich gemacht haben. Klatschen sie bitte jetzt. Ok, müdes Klatschen erledigt, Mund abwischen, Anstand gewahrt, los gehts mit dem Barcamp. Mehr oder minder ist das die Einstellung der Teilnehmer, die wir auf 100% aller Barcamps beobachten können, wenn es morgens bei der Eröffnung um diesen Randordnungspunkt geht.

Nix kosten tut es, die Teilnahme, das Essen und Trinken, die teils goldverdächtigen Kontakte. Diese Einstellung wirkt sich in doppelter Hinsicht fatal aus: Viele Sponsoren belassen es beim einmaligen Unterstützen. Jede Barcamp-Orga beklagt fast ausnahmslos, dass sie Probleme beim Finanzieren haben (und damit ist auch das Raumproblem gemeint!!!). Kein Wunder, so beackert jedes Barcamp-Team aufs Neue irgendwelche Sponsoren, statt auf einen Sponsorenpool zurückzugreifen, den alle Barcamp-Orgas gemeinsam in weiser Voraussicht geschaffen haben. Haben wir aber nicht. Mit Ansprechpartnern auf beiden Seiten, Jahr des Engagements, Höhe und Art des Sponsorings, und so weiter. Haben wir nicht.

Nun kann man sich die Frage stellen, wie es sein kann, dass ausgerechnet das wohl bekannteste und langjährigste Eventformat in deutschen Weblanden nicht die Imageposition erlangt hat, um von Sponsoren die Bude eingerannt zu bekommen? Die Gründe dafür liegen oben „verborgen“ (inklusive dessen, dass die Möglichkeiten der Wissensvermittlung seit Jahren eine große Lücke aufweisen, siehe Punkt 1.) und ein wesentlicher Grund folgt sofort.

Antwort: Das Barcamp übergreifende Sponsoring Management = Null. Idealzustand wäre = [Nachhaltige Sponsorenbetreuung aka „Nach dem Barcamp ist vor dem Barcamp“]. Niemand fühlt sich für eine Professionalisierung berufen. Die Orga ist heilfroh, wenn ihr Camp vorbei ist und sie natürlich ihren wohlverdienten Applaus geerntet haben (nicht ironisch gemeint). Oder anstelle der Berufung könnten wir auch von einem „Verhinderungs-Wollen“ sprechen? Manch eine Orga mag und wird nichts „teilen“, da sie sich selbst Vorteile vom Barcamp und dem Sponsoren-Beziehungsaufbau versprechen. Ein übegreifendes Sponsorenmanagement würde ihre Stellung womöglich bedrohen? Menschen handeln irrational und lehnen bereits im Vorfeld durchaus fruchtbare Gedankengänge ab.

An dieser Stelle ergibt sich die Überbau-Frage, ob man Barcamps für lokal begrenzte Eventwunder betrachtet oder ob man Barcamps als eine überregionale Einheit begreift, hinter der eine Idee steckt? Wozu existieren Barcamps? Warum? Ist die Idee größer als die Veranstalter oder umgekehrt? Wenn es umgekehrt ist, wird beim Sponsoring alles so bleiben wie bisher.

Resümee
Ich belasse es bewusst bei den zwei o.g. Punkten, um meine Argumentation nicht mit zusätzlichen Aspekten unnötig zu verwässern, von denen es noch genügend gibt. Ich stelle für mich fest, dass sich Barcamps seit 2006 konzeptionell nicht verändert haben, negativ gesagt „stehen geblieben“ sind.

Einfachste Maßnahme: Wir reden nicht genug über Verbesserungsmöglichkeiten auf Barcamps, während dem Barcamp. Die Session „Barcamps“ sollte eine Standardpflichtsession für die Orga und Ex-Orgas werden. Simples Quality Management, ohne großen Aufwand, ohne großen Mühen, Ergebnisse, Schwachpunkte, Best Practices festzuhalten. Wo ist unser Platz, wo wir Orgas all das akumulierte Wissen von weit über 100 Barcamps aus den letzten 5 Jahren nachschauen können, stetig verbessern und anpassen können?

Ziel 1: Qualitätsverbesserung im Wissenstransfer
Ziel 2: Imageerhaltung und -verbesserung
Ziel 3: Sicherstellung und Ausweitung der Finanzierungsbasis

Bild 1: von Frank Hamm
Bild 2: von re-ality
Beide auf dem BC FFM 2007 geschossen. Rund 200 Teilnehmer insg., max. 150er Essensausgabe in der Cisco-Kantine am Samstag inkl. tätiges Küchenpersonal SA/SO ganztags