Es gibt genügend Wissenschaftler, Politiker und Manager, die ich kenne. Es gibt fast noch mehr davon, die über das Netz die Nase rümpfen. Ob der ungehobelten und qualitätsschwachen Inhalte. Denen gegenüber rümpfen wir gerne die Nase. Wir? Die, die ins Netz schreiben.
„Wir“ wiederum schimpfen über Wissenschaftler, Politker, Manager und Medienschaffende. Über Letztere, weil sie das Volk verdummen, angefangen beim Print bis hin zum Fernsehen. Über Vorletztere schimpfen wir, weil sie das Volk belügen und für dumm verkaufen. Wir kritisieren, klären auf, schreiben uns die Finger wund.
Doch muss man sich die Frage stellen, für wen aufgeklärt und geschimpft wird? Was ist mit denen, die nicht studiert und auch keinen Brain-Job haben? Was ist mit denen, denen Fachbegriffe, das viele Englisch, komplexe Zusammenhänge schwer fallen? Was ist mit denen, die froh sind, wenn sie ein schwieriges Fremdwort richtig schreiben, geschweige denn verstehen können? Was ist mit denen, die kaum etwas von Wissenchaft, Politik, Wirtschaft und Kultur verstehen? Nicht, weil sie zu blöd dafür sind, sondern an vielen Ecken und Enden die Grundlagen fehlen, es zu verstehen! Verstehen „die“ wirklich etwas von den Bundestrojaner-Diskussionen? Von Netzneutralität? Von Netzbeteiligung? Von Informationeller Selbstbestimmung? Von APIs? Von Datenschutz? Von den Glückseeligkeiten der Social Media Welt? Petitition was?
Aber sie können doch lernen? Der größte Wissensschatz nennt sich Wikipedia. Und ich beklage nicht zum ersten Mal, dass die Inhalte so dermaßen schwer verdaulich sind, weil sie von Gebildeten für Gebildete geschrieben wurden. Dieses Muster durchzieht das Netz an zahlreichen Wissensstellen. Was auch gut so ist, dass sich Fachpublikum mit Fachpublikum treffen und austauschen kann. Aber?
Sollte man aber den Gedanken hegen, für mehr als nur die in sich austauschende Szenen etwas schreiben und aufklären zu wollen, vom Gebildeten zum Ungebildeteren, muss man womöglich feststellen, dass nicht wir schreibenden Bürger, sondern die Medien weitaus mehr für die Informiertheit und Aufklärung des Volkes tun, denn wir Blogger, Social Networker und Twitterer zusammen.
Und noch eins kommt hinzu: Wenn man keine Ahnung hat, soll man die Fresse halten, gehört zu einem der Lieblingszitate der Gebildeten Klasse. Sollte tatsächlich ein Opfer auf die Idee kommen, dumme Fragen zu stellen oder gar dumme Antworten zu schreiben, wird er sich der Antworten der Besserwisser sicher sein können. Fresse halten, statt mitnehmen. Die vielen Sprachpolizisten da draußen helfen mit, bereits bei sprachlichen Formulierungsproblemen die Deliquenten am Nasenring zu packen. Als ob Sprachschönheit vor Wissensaustausch stehen würde. Den Sprachpolizisten ist das aber egal. Bewertet wirst Du da draußen nach Wissen und Sprachnoten. Wer durchfällt, hat die Fresse zu halten. Gebildte sichern sich damit ihre soziale Stellung und Anerkennung.
Wir Gebildeten sind meiner Meinung nach sprachlich zu arrogant und überheblich, um an die zu denken, die nicht via Zufall, Elternhaus und Bildungslaufbahn ihr Brain mit akademischen Überfliegerfachwissen auffüllen konnten.
So neige ich durchaus, das „publizierende, soziale Netz der Eingebildeten“ mit dem „Soziale Netz der Gebildeten“ gleichzusetzen. Und das Netz wird immer dichter, die Vorteile der sich austauschenden immer größer. Draußen beobachten wir einen Mangel an sozialer Durchlässigkeit. Im Netz werden wir das gleiche Phänomen feststellen können, an dem wir selbst mitbauen. Ein Netz für Gebildete, ein Netz für Ungebildete. Toll, oder?
14.10.2011 um 07:44 Uhr
Guter Artikel, Robert. Sprache war doch schon immer auch ein Instrument der Aus- und Abgrenzung. Es würde mich sehr wundern, wenn sich dies im Netz nicht fortsetzen würde.
Die Tagesschau ist im übrigen sprachlich ähnlich Katastrophal, wie Dir die Wikipedia vorkommt. Es gibt Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein Großteil der Bürger nicht versteht.
14.10.2011 um 07:59 Uhr
Klingt wie eine Momentaufnahme der deutschsprachigen Mitglieder bei Google+. Von denen ja nur ein Bruchteil wirklich aktiv ist. Die digitale Boheme, die sich gerne sprachlich arrogant und überheblich gibt und sich in ihrer Elite den ganzen Tag gegenseitig bauchpinselt. Insbesondere beim Thema Netzpolitik. Die ist ja soooo wichtig! Also wird jedes noch so kleine Thema zur Sau gemacht und durchs digitale Dorf getrieben. Die Blogosphäre nimmt es dankend an und schreibt sich die Finger wund, um sich gegenseitig mit neuem Stoff für Artikel zu versorgen.
Wenn SPON einen Artikel zu einem netzpolitischem Thema schreibt, dann wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Und wehe es findet sich was, dann ist der Qualitätsjournalismus in Gefahr. Dass ein solcher Artikel jedoch einer der wenigen ist, der ein komplexes Thema, für eine breite Masse aufbereitet, dass wird gerne mal verdrängt.
Möge der Tag kommen, an dem sich ein Blogger nicht mehr mit dem Anspruch zufrieden gibt, sich gegenseitig in der Blogosphäre zu unterhalten. Ein Hoch auf den Blogger, der sich der Herausforderung stellt, komplexe Themen für eine breite Maße aufzubereiten. Wobei er sich dann vermutlich nicht mehr Blogger nennt, sondern Journalist. Und zwangsläufig auf die andere Seite des Flusses verbannt wird.
14.10.2011 um 08:57 Uhr
Hatte beim Lesen einen passenden Verleser: Informationeller Selbstbetrug.
14.10.2011 um 09:00 Uhr
Im groben und ganzen schließe ich mich dem vorab geschriebenen an. Ich bin selbst seit geraumer Zeit am üben. Üben, in einer Sprache zu sprechen und zu schreiben, die wirklich jeder verstehen und nachvollziehen kann. Jedoch muss ich gestehen, dass dies sehr schwert ist. Jeden Satz muss ich mehrmals lesen und korrigieren. Jedesmal in der Hoffnung, dass alles für mich verständliche jetzt auch für einen „Laien“ verständlich ist. Trotzdem bekomme ich Feedbacks, dass irgend ein Wort oder ein Satz verkehrt rüber kam und dadurch mein „Kern“ unverstanden blieb. Insofern denke ich, dass beide Seiten „Wissende“ und „Unwissendere“ geduldig mit einander sein sollten. Gut Ding hat Weile …
14.10.2011 um 09:23 Uhr
Sehr interessanter Artikel.
Ich kann hier parallelen zu meinem Beruf als Anwendungsprogrammierer ziehen. Da versuche ich, die Software immer für den sogenannten „DAU“ (Dümmsten anzunehmenden User) zu schreiben. Ist ja auch nicht böse gemeint. :) Aber das erfordert auch einen größeren Aufwand, die Software für Jedermann verständlich und bedienbar zu machen, damit auch „Nicht-„Experten so wenig wie möglich Fehler machen können.
Das Schreiben von Texten, die wirklich ein Großteil der Bevölkerung versteht, ist ungleich schwieriger, als für ein Fachpublikum zu schreiben. Da sollte man vielleicht auch für sich selbst abwegen, welches Publikum man denn selbst erreichen möchte.
14.10.2011 um 10:18 Uhr
interessante Einsichten :-)
wie wäre es für diese sogenannt ungebildeten Menschen einen Grund zu schaffen, der sie achtsamer durch das Leben gehen lässt u. sie auf diesem Wege zugänglicher für Bildung werden …
… hier beschreibe ich genauer, was ich damit meine: http://www.onlinetechniker.de/?q=node/81
14.10.2011 um 11:17 Uhr
Das nennt man circlejerk.
14.10.2011 um 12:16 Uhr
Also, ich kenne mindestens eine soziale Wissensplattform, die nicht ganz so anspruchsvoll wie Wikipedia ist… ;-)
14.10.2011 um 18:42 Uhr
Interessanter Artikel. Vielleicht noch als Ergänzung: Das Problem scheint mir die fehlende Mittelschicht zu sein. In meiner Wahrnehmung spaltet sich das www auf in Seiten für die Netzaffinen – intellektuell, selbstreferentiell, voller Codes und Meme, ob seiner Herkunft auch sehr technisch – und einer Art Info-TV-Ersatz: bissl Youtube gucken, ab und an mal was nachschlagen und viel Gossip. Leider wird diese Teilung auch sehr stark von webansässigen Unternehmen gepusht: Internet united scheint komplett nur aus Werbung und Blödsinn zu bestehen, Kohlenstoffweltwerbung bewirbt das Netz nur mit den Attributen schneller, Bandbreite, HD Video gucken etc. In meiner Erinnerung war die Zukunft der Vernetzung für viele Hersteller aber schon immer die Vorstellung eines Fernsehers mit Fernbedienung, über die man Internet wie Teletext bedient. Ich weiß nicht, ob die Hersteller das www nicht begreifen oder ob sie ihre Zielgruppe so formen wollen.
Ein kleines Fenster stoßen Smartphone-Apps und auch Dienste wie Facebook auf, leider wird der User dabei aber oft gleich gehörig über den Tisch gezogen und entwickelt so automatisch ein Mißtrauen gegenüber dem Medium.
Informations-, Bildungs- oder Diskussionsangebote sind (noch?) nicht sexy, sich damit zu beschäftigen erfordert eine bewußte Entscheidung und benötigt auch viel (Frei-)Zeit, welche – das wollen wir nicht vergessen – der Nicht-Irgendwas-mit-Medien-Angestellte vielleicht auch schlicht nicht aufbringen kann.
14.10.2011 um 20:51 Uhr
Ein schwiriges Thema, ich gebe fancyPT recht, das es keine echte Mittelschicht im inet gibt und das Menschen denen „Grundlagen fehlen“ nicht unbedingt zu der Gruppe gehören, die viel Zeit im Netz verbringen um Diskusionen/Blogs zu lesen.
Das hat meiner Ansicht nach zwei Hauptgründe:
1. Wenig verständnis der Technik, in dem Fall erscheint Ihnen vieles wie Magie. Klingt übertrieben, aber den Eindruck hab ich über meinen Helpdesk Job gewinnen können. Sie können nicht einschätzen was realistisch ist und was unrealistisch ist in der Digitalen welt. Gleichzeitig bekommen Sie durch Bild/fernsehen und co. mit, das Online diverse Gefahren lauern. Unbekanntes löst ja beim Menschen ohnehin ne gewisse Angst aus und diese wird so verstärkt. Deshalb beschränkt man sich auf Aktivitäten die Bekannte/freunde empfohlen haben. Dazu gehört nich unbedingt Blogs suchen und lesen, wieso sollte so ein Blog auch kostenlos sein?
2. Wollen sie sich damit auch nicht auseinander setzen, selbst wenn man Ihnen erklärt weshalb es Sinn macht. „Ich hab soviel zu Tun und ich gehöre ja auch nicht so zu den technik menschen. Mir reicht es wenn Facebook und EMail funktioniert. Ich kann ja ohnehin nichts ausrichten und Zeit habe ich ja sowieso nciht.“
Das Argument mit der Zeit kann ich verstehen, ich erlebe oft das Ottonomalverbraucher sehr langsam voran kommen am PC, lassen sich zu leicht ablenken, kennen die richtige Bedienungsweise nicht (bsp. Copy/Paste mit Ctrl C+V) und es dauert so alles ein vielfaches länger.
Das andere Phenomän nennt man in Real Life Politik-Verdrossenheit. Im realen Leben gibt es ne Mittelschicht die sich nicht umfassend über Politk infomiert, aber immerhin wählen geht. Ein grosser Teil dieser benimmt sich im Netz aber teils so wie die schicht der die Grundlagen fehlen. Hier wirkt das Systemische vorgehen in Kombination mit der Angst über den Tisch gezogen zu werden regelrecht lähmend.
Trotzdem versuche ich persönlich auf meinem Blog http://hackandshare.de möglichst so zu schreiben das alle die Artikel verstehen können. Jedes Wort das unbekannt sein könnte, ist in der Regel mit einem Link zu Wikipedia hinterlegt. Natürlich sind die Erklärungen meinerseits auch entsprechen ausführlich inc. Beispiele und co.. Ein ziemlich Mehraufwand. Dennoch bekomme ich Anfragen bei denen man sofort raushört, da hat jemand den Artikel nicht gelesen. Bspw. habe ich heute über Prepaid karten im Ausland geschrieben und wo man Infos dazu herkriegt für die meisten Länder. Die erste Anfrage war ob ich auch zu Kanada was wüsste, das hätte man im Artikel zweifelsohne lesen können.
Sowas ist ziemlich zermürbend.
So denke ich auch langsam drüber nach, mich mehr auf die Personen zu konzentrieren mit denen ich mich austauschen will.
Bisher halte ich durch und gehe den Weg der hellen Seite der Macht, die Frage ich wie lange ich durchhalte. =)
14.10.2011 um 21:15 Uhr
Wozu dienen Medien, wenn sie nicht zu einem besseren Verständnis der Welt außerhalb meiner dienen.
15.10.2011 um 08:12 Uhr
Interessanter Artikel. Bin mir aber nicht sicher ob ich mich angesprochen fühlen soll. Ist die Hauptaussage, dass wir „Brain-Worker“ eine Sprache verwenden würden, im Netz und untereinander, die ausschließend wirkt?
Ich sehe bei mir zwei situative Beispiele für Kommunikation über und mittels Technik: Einmal als Blogger zu E 2.0-Themen, kombiniert mit Microsoft Sharepoint. Da verwende ich ganz sicher eine relativ abstrakte Sprache. Zielgruppe sind aber auch nur Leute, mit denen ich mich über dieses Thema austauschen möchte, und denen ich bestimmte Aspekte vermitteln möchte, ganz fokussiert.
Gegenbeispiel sind Sharepoint-Schulungen beim Kunden. Die sind dann sprachlich so einfach wie möglich. Eingeleitet mit dem Satz: „Sharepoint ist nur etwas unübersichtlich und kann sehr viel. Aber es ist nicht kompliziert. Wenn wir uns es gemeinsam anschauen und durchgehen, dann werden Sie am Ende des Tages sehr viel mehr darüber wissen…“
Daraus schließe ich, dass der Adressat der Botschaft entscheidend ist. Ich meine, wir schreiben ja nicht im Netz, um unsere Eltern zu überzeugen, oder? ;-)
19.10.2011 um 15:36 Uhr
Es ist sicherlich für manche schwierig, eingefahrene Pfade zu verlassen und neue Routen einzuschlagen – aber für ein nachhaltiges Überleben der Menschheit unumgänglich – auch wenn es Teilen schmerzhaft erscheinen wird.
So i’m ful agree about communications in an form that everbody can get and understand now whats going on, in our world – WE HAVE ONLY ONE – we all.