Ich hatte das Vergnügen, von einem Holzfachmann auf der weltgrößten Holzmesse „Ligna“ herumgeführt zu werden. Der Holzfachmann ist nicht nur ein Experte, sondern ein von innen angetriebener Botschafter des Materials wie auch Verfechter der These, dass sich die Holzbranche viel stärker ins Netz bewegen muss. Der gute Mann nennt sich Michael „Holzwurm“ Finger. Lieber Michael, ein ganz großes Dankeschön auch auf diesem Weg für den tollen Tag in einer für mich völlig fremden Welt!

Am Abend fand ein loses Twittwoch-Treffen auf der Holzmesse statt, Gastgeber war ein Verband der Sägewerker. Das Gespräch mit den Holzvertretern war bezeichnend. Warum muss man überhaupt twittern, facebooken und sich in dergleichen, neumodischen Dingen üben? Sowohl ein Verband aber auch der holzwirtschaftliche Betrieb haben beschränkte Ressourcen, so dass man nicht unbekümmert loslegen kann.

Ergo? Ist das gut oder schlecht? Weder noch, es kommt drauf an. Es fällt mir auf, wenn sich ein Netzmensch – als der ich nun leider deklariert bin – und ein „Normalmensch“ über das Thema unterhalten, wie sehr mein Gegenüber in Argumentationszwang kommt, etwas nicht zu tun oder nicht zu können. Nicht weil ich ein glühender Netzverfechter bin, sondern einfach weil ich als Netzmensch präsent bin. Dabei ist seit jeher mein Denken im wirtschaftlichen Rahmenbezug von Ratio bestimmt. Die Ratio besagt, dass man Ressourcen nur dann einsetzt, wenn der Nutzwert größer als der Aufwand ist.

Ausgehend vom momentane Status Quo der Organisation besteht kein Zwang, ins soziale Netz zu müssen, um zu twittern. Nicht einmal die Frage nach dem „Warum“ ist wichtig. Wichtig ist nur, wo man und wie verteilt man die beschränkten Ressourcen einsetzt, um die Ziele der Organisation zu erreichen. Wenn das der Organisation klar ist, sind hoffentlich auch die Wirkungsfaktoren klar, auf die es ankommt. Beispiel „Verband“. Sollte die primäre Aufgabe des Verbandes darin bestehen würde, politische Lobbyarbeit zu leisten, kann der Besuch beim und das Einwirken auf einen Mandatsträger weitaus wirksamer sein, denn ein einsamer Tweet. Wenn die primäre Arbeit des Verbandes darin besteht, die Mitglieder über wirtschaftlich relevante Neuigkeiten zu informieren, ist Mailing wie auch die Produktion einer Zeitschrift das oberste Primat. Ein einsamer Tweet wird kein Mitglied erreichen, denn weder nutzen sie Twitter noch reicht ihnen das aus. Es besteht kein Handlungsbedarf. Im Moment. An dieser Stelle beklage ich gerne allgemein den blinden Aktionismus der Agenturen aber auch deren Kunden. Mit Hurra ins soziale Netz stürmen, jedoch nicht wirklich zu wissen, warum man der Herde nachrennt, erscheint leicht irrational.

Die Betrachtung des momentanen Status Quo der Organisation bedingt naturgemäß die stete Kontrolle des wirksamen Umfelds. Sollte man feststellen, dass sich bestimmte Faktoren verändern, sind Ressourcen (aka Budget in finanzieller Sprache) wie auch Organisationsprozesse anzupassen. Hierbei sprechen wir nicht von einer reinen Momentaufnahme, sondern auch von einem Planungshorizont, der je nach Planungsvermögen bis zu 10 Jahre betragen kann. Welche Rolle spielt dabei das „soziale Netz“?

Ich werde keine Antwort darauf geben. Auf was ich aber eine Antwort gebe? Jede Organisation sollte einen strategischen Oberbau besitzen, der auch die Rolle des Internets als Wirkfaktor aufschlüsselt und daraus Handlungsableitungen ermöglicht. Die Antworten werden sich selbstverständlich je nach Branche und Unternehmensstruktur unterscheiden. Es gibt eben nicht den einen strategischen Oberbau. Daher erübrigt sich auch „die eine“ Antwort, welche Rolle das Internet im Moment und im Morgen für die Organisation spielt. Leicht ist diese Aufgabe sicher nicht. Das Betrachten bloßer Infocharts zu Facebook, wie doll groß das Usernetz ist, sind für die Strategie Bullshit. Sie zeigen nur Zahlen auf, erklären nichts, schlimmer, zum Verständnis tragen sie nur sehr eingeschränkt bei. Und doch werden sie gerne verwendet, wenn vermeintliche Experten die Bedeutung unterstreichen wollen, um letztlich Ihr Geschäft zu machen. Mit strukturiert hat das nichts zu tun. Welche Unternehmen kennt Ihr, die strukturiert aufgeschlüsselt haben, an welchen Stellen das Internet eine Rolle spielt und spielen wird? Einen Denkrahmen geschaffen haben, um Entscheidungsträgern behilflich zu sein? Welche Unternehmen kennt Ihr, die sich überhaupt einen Plan vom Morgen machen? Nicht, dass es eine Rocket Science wäre. Autoren wie Michael E. Porter haben hierzu längst die Grundlagen geschaffen, welche Faktoren man wie aufschlüsseln kann. Werke wie “ Competitive Advantage“ gelten zwar als einflussreich, doch finden sich diese in breiten Wirtschaftspraxis wieder?

Würden Unternehmen derartige Strategiepläne entwerfen, müssten sie sich blinden Aktionismus nicht vorwerfen lassen, noch würden sie so seltsam anmutend im Netz herumeiern. Ebenso wenig müssten sie unsicher herumfragen, warum sie twittern sollten oder was es mit dem Social Media Buzz auf sich hat. Es spielt dabei keine Rolle, dass Wirkfaktoren im Jetzt und im Morgen auf Annahmen beruhen. Die Annahmen spiegeln die Fähigkeit des Unternehmens wider, wie gut sie am Markt bestehen. Manche können das besser, manche eben schlechter.

Eines der größten Mankos bei dem Hurrageschrei „ab ins soziale Netz“ ist das Fehlen von hinreichenden Plänen, wie man als Organisation die Zukunft betrachtet und bewertet. Diese Beobachtung mache ich nun schon so lange, dass ich das lediglich schulterzuckend zur Kenntnis nehme. Statt von oben zu denken, denkt und plant man auf taktischer Ebene, in der Hoffnung, dass es irgendwie passt. Die damit einhergehende Verunsicherung – bei nahezu jedem Projekt – ist das Ergebnis mangelnder, strategischer Planung. Eine Strategie hält das Schwanken im taktilen Bereich im Rahmen, die Verunsicherung in Grenzen. Nicht jedes Projekt klappt. Natürlich nicht. Das macht nichts, wenn man langfristig denkt und die Strategie den Oberbau zusammenhält. Wirtschaft ist mehr Zufall als man denkt.