Die Frage nach dem „wer bin ich“ wird gerne wie folgt im Netz gelöst: Registriere Dich irgendwo in einem Social Network, lade Deine Bilder hoch, fülle umfangreichste Profilfelder aus, vernetze Dich mit Freunden/Kontakten, folge mir, ich folge dir, circle mich, ich circle dich, schreibe Statusupdates, tagge Bilder, kommentiere Statusupdates, like, googleplusse, share, retweete, huddle, chatte, blablabla. Wahnsinnig viele Features und Möglichkeiten für eine einfache Aufgabe.
Problem: Wer nix macht, ist und bleibt ein Niemand. Logisch, oder? Anbieter wie Facebook und G+ leben eben davon, dass sie die soziale Interaktion maximieren, es dient dem Geschäftszweck. Und das User-Volk macht brav mit, Socializing ist je schließlich eine geile Sache. Aber?
Übergewicht durch sozialen Interaktionsstress: Das Socializing im Sinne des Miteinanders hat mittlerweile ein derart großes Gewicht bekommen, einen so großen Fokus, dass meiner Meinung nach Lösungen für die einfachste, grundlegendste, wichtigste Frage „wer bin ich“ in den Hintergrund gedrängt wurden.
Bedarf an ruhigen, interaktionsarmen Lösugen: Zugleich, je mehr diese Labertaschen- / Fremddarstellungs- / Hyperventilations-Lösungen das tägliche User-Leben im Netz durchdringen, umso größer wird der Bedarf nach einem simplen, einfachen Ruheplatz für die eigene Person. Ein Platz, der die Person in den Mittelpunkt stellt, nicht ein Platz, der den User mit sozialen Interaktions- und Wahrnehmungsaufgaben stresst. Kein Platz, der doch nur wieder ein soziales Verteilermedium für anderweitige Netzaktivitäten darstellt (say about.me), kein Platz mit einem Übermaß an Funktionen, Vernetzungsschmarrn und Status-Unsinn. Einfach zu bedienen, arm an Funktionen. Ein Platz für die eigene Identität, sonst nichts. Nur ich und roger. „Wenn Du wissen willst, wer ich bin, gehe dahin und den sozialen Interaktionskram findest Du irgendwo im Netz. Hier bin ich, in aller Ruhe, meine Person von mir dargestellt, nicht durch andere, die eh keine Ahnung haben, wer ich bin„.
Bild, Freitextform und für Unkreative ein simples Schlagwortsystem („klicke die und die Eigenschaften an, den Rest backen wir Dir in Sätze zusammen, die Du nachher in Ruhe editieren kannst“). Statt der Wikipedia, die nur Promis zulässt, eine „Who-is-Who“-Wikipedia für alle. Ohne Admins, ohne Featuritis, ohne Socializing-Monsterfeatures, nur die Personen selbst. Und sich damit ganz bewusst von den hektischen, umfangreichen, laberreichen, werbegeilen Plattformen wie G+, Twitter und Facebook absetzt.
Es wäre eine Wohltat. Simpel, einfach, ruhig, kein Stress, nach Belieben von der Person erweiterbar, kontrollierbar. Was sie schreibt, schreibt sie, was nicht, das nicht. Und, ich denke, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft eine Zunahme dieser Lösungen sehen werden, die auch sehr populär werden dürften.
*Foto 1: Purplematfish / Flickr
*Foto 2: Vitor Jardim / Flickr
14.07.2011 um 13:53 Uhr
Wenn ich das richtig verstanden habe, meinst Du eine Art Schauplatz des eigenen Ichs ohne „Share“-, Like- und „Comment“-Button?
14.07.2011 um 13:53 Uhr
Wenn sich die Spirale des ganzen Social-Me/Social-Dich/ Social-Überhaupt-Dings so gnadenlos weiter dreht, bleiben irgendwann zwei Dinge auf der Strecke: Das von dir erwähnte ICH, sowie die dazugehörigen ’sozialen‘ Komponenten: ‚Neue Frisur?‘ Like ich, ohne das Bild/den Inhalt überhaupt in groß gesehen zu haben, geschweige denn ihn in seinem vollem Umfang erfasst zu haben. ‚Von der Wanderung zurück?‘ Ich tracke deinen Hike mittels sämtlicher Geo-Based-Hike-Tracking-Apps, die die Welt zu bieten hat.
Das sind für mich Gründe, warum ich immer – wenn man mich nach Social Networks fragt – antworte: Ja. Habe ich. Mein Doktorsblog und die Jungs und Mädels in meiner Rolle.
Etwas sozialeres als einen Weblog habe ich in keinem der Hypes der letzten Jahre entdecken können: Schwarz auf weiß (am liebsten;), mit nem Menschen (oder Menschen) dahinter, die was zu sagen haben, die mich teilhaben lassen, die keinen einzigen Social-Button benötigen, um Reichweite, Aufmerksamkeit und letztlich auch ein ICH zu schaffen. In vielen Blogs sieht man zu meinem Bedauern teilweise vor lauter Buttons den Content nicht mehr. Geschweige denn, den Menschen dahinter.
-Spannende Zeit, das. Bin gespannt, ob wir uns alle irgendwann in ein Anti-Social-Über-Hive-Mind auflösen. Oder doch noch vorher nen kurzen sozialen Schlenker einlegen ;)
14.07.2011 um 13:56 Uhr
gutes Ansinnen. Würde sowas aber nicht als Ergänzung zu FB & Co. („..den sozialen Interaktionskram findest Du irgendwo im Netz“) sehen, weil es dann einfach nur NOCH ein Portal wäre, das ich konkrollieren muss. Geeignet also für die wenigen Erdenbürger, die noch in keinem sozialen Netzwerk aktiv sind, weil sie den ganzen Rummel fürchten. Und für die, die den Rummel wieder etwas zurückfahren wollen.
14.07.2011 um 13:57 Uhr
@pell ja, im Grund Verzicht auf Fremddarstellungs-Funktionen, keine expliziten Fremdbild-Anreize. Erst ich, dann gedachter „Rest“, jedoch nicht funktional unterstützt (eben das „like“ im übertragenen Sinne)
@Chris ich halte es für mich tatsächlich so, dass „mein Blog mein“ ist, aber für die eine Frage nach wie vor zu langwierig, schwierig. Ein gutes Mittel für diejenigen, die stetig kommunizieren wollen, kein Platz für User, die nur ihre Person unstetig erfassen wollen.
14.07.2011 um 14:00 Uhr
Ist nur die Frage: Wen interessiert das? Im Endeffekt hätte man damit doch nur wieder die privaten Homepages und „Geocities“ der 90er. „Dies ist die Heimatseite von John Doe. Ich mag kleine Katzen, sammle Briefmarken und kenne 50 doofe Witze, die auf Seite X aufgelistet sind. Wenn du magst, schick mir ’ne Mail.“ Wurde schon damals schnellstmöglich wieder verlassen.
Im Prinzip gibt es doch etwas vereinfach im Netz nur zwei Sorten von Leuten:
Die einen kenne ich ohnehin schon und will mit ihnen in Kontakt bleiben bzw. treten. Da weiß ich vermutlich meist mehr als auf sämtlichen „Wer bin ich“-Seiten zusammen steht.
Die anderen lerne ich durch ihre Aktivitäten kennen, also Blogs u.ä. Bei denen mögen persönliche Hintergrundinfos ja ganz nett sein, aber primär interessiert mich da doch eher das „Gelaber“.
14.07.2011 um 14:02 Uhr
Mort, ja, witzig, hatte auch daran zuerst gedacht, die Homepage der 90er, doch, die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, ein Vergleich ist schwer. Die so zu bezeichnende „Homepage“ von heute – als Gegenentwurf – beruht auf einer Entwicklung, die in der heutigen Phase von sozialen Tsunamis geprägt wurde und wird.
Die Frage „wen interessiert“ kann man stellen, doch mit der Antwort „wen interessiert Ego“ global und universell beantwortet jeden. Erst Ego, dann Dritte. Das „Dritte“ ist heute quasi gelöst (Facebook & Co), der neue Ego-Bedarf wird als Antwort darauf unmittelbar damit zusammenhängen und ist nicht entkoppelt zu betrachten vom Heute.
14.07.2011 um 14:14 Uhr
Hi
Ich bin dabei, das zu entwickeln. Angefange hat es vor einigen Jahren mit einem Artikel, den ich hier nochmal gepostet habe. Wer mitarbeiten will: hurrah. Auch Feedback ist herzlich willkommen. Insbesondere plane ich Kriterien, nach denen man Leute bewerten kann. Fragt sich „nur“, was das für Kriterien sind.
Ach ja, das ganze wird natürlich frei sein.
… Wer lesen kann ist klar im Vorteil … keine Fremdbewertung ist nicht exakt, was ich plane :-)
14.07.2011 um 14:25 Uhr
Ich weiß nicht recht… Selbstdarstellung ist gut und schön, aber interessant wird „Ego“ für Dritte ja auch erst durch Dynamik oder Korrektiv von Dritten. Ob ich ein Hund, Schwarzenegger oder Einstein bin, wissen letztlich nur die, die mich kennen, sogar ich selbst kann mich völlig falsch einschätzen. In der Informationsflut des Internets wird sowas noch uninteressanter. Ich kann nicht jeden Netzkontakt wirklich „kennen“. Mir reicht es meist, den ungefähren Standpunkt zu aktuell diskutierten Themen zu kennen um die Beiträge richtig einzuordnen. Aber gerade das erfährt man oft eher aus einem einzelnen Blogeintrag (oder Facebook/G+/…-Post) samt Kommentaren als durch die aufwendigste „Über mich“-Seite.
Das ist für mich ein bisschen wie beim Promi-Klatsch: Würde Prinz William eine noch so ausführliche und interessante Seite über sich ins Netz stellen, würde diese zwar bestimmt oft gelesen. Ein Blog mit aktuellen Infos wäre aber schon interessanter. Und die Klatschblätter würden sich troztdem weiterhin verkaufen wie blöd, weil das, was man nicht freiwillig von sich verrät, ja doch mehr über einen aussagt. (Auch wenn das in den Klatschblättern ohnehin frei erfunden oder zumindest grob übertrieben ist…)
(Keine Ahnung ob’s evtl. schon sowas im Netz gibt, diese Person interessiert mich nicht wirklich…)
14.07.2011 um 16:06 Uhr
Linearisierte Assoziationen
a. es gibt einen Aufmerksamkeitskrieg auf der Basis massiver Vernetzung (der ist mathematisch / logisch „nicht zu pazifizieren“, wenn nicht ein Stück Interaktions-Vernetzung zurückgefahren wird) – es ist ein Ressourcenkrieg in dem alle m.o.w. Opfer und Täter sind
b. Interaktions-Vernetzung auf „wichitge Mails“ zu beschränken (keine Statusmeldungen in tw, fb,xing, LI …) wie in alten Zeiten bedeutet seine soziale Präsenz zurückzufahren
c. das weckt Angst vor Aufmerksamkeits- und Interaktionsverlust
d. manchen ist diese Angst bewusst, manchen nicht
e. im Effekt entsteht eine Art (hundertfaches) Gefangenendilemma
f. in der win-loose Matrix verliert scheinbar der, der seine „Sozialarbeit“ (hihi) = Netzwerkpflege zurückfährt
g. wohl dem, der es dennoch tut – denn davon geht die Welt nicht unter …. ich nenn das „SM-Diät“
h. eigentlich sind die „Betreiber des Wahnsinns“ angesprochen, die Enabler, die Plattformen von FB bis nunmehr G+
i. sie müssten die „News“ verknappen und Noise würde sinken (zB eine Meldung am Tag, Punkt – wer mehr will muss sie „kaufen“ (Protest!!!) – besser: Fontsize wird immer kleiner – das wäre cool! so pegelt sich jeder neu ein, der Spammer ist leicht von Weitem erkennbar
j. wegen der o.g. kommerziellen Interessen sehen die SN aber ihre Gestaltungsaufgabe leider genau darin nicht: „Social Usability“ zu maximieren
k. solange die SN nicht selbst räusper demokratisiert (wer mich kennt weiss, dass ich linker Träumereien unverdächtig bin) sind, muss der User selbst die „Social Usability“ herstellen
l. zB nur noch Mo Mi Fr den Zirkus mitmachen und exakt 30 Minuten (für mich momentan noch eine Utopie, aber ich denke grob in so eine Richtung)
oder/und ….
m. eine Seite herstellen, die wohltuend „Ego-Publishing statt Ego-Casting“ betreibt – hab ich vor Jahren (?) mal gestartet – denn ich hatte die Beschränkungen der Profile von Xing und Co etwas satt … und das Besondere ist: Jeder kann sich das quasi als Template holen und fix für sich adaptieren (mindmeister registrierung leider vorausgesetzt – ich stehe mit dem Unternhemen in keiner gesch. Verbindung):
Unten auf der Map ist ein Ast mit einem leeren, strukturierten Template „- Get your own „biomapster“;
mit dem tag „biomapster“ könnten die biomapster-pages der Welt leicht gegoogelt (und ggf. auswertend gecrawlt) werden. Es sieht nicht wirklich chic aus aber ist praktisch, flexibel pflegbar und „silent“. Vielleicht designt mal jemand coolere Symbole und macht die die mindmeister-API und es wird alles toll (oder wirds noch was mit Diaspora etc?)
http://willischroll.com
http://www.mindmeister.com/de/50554919/willi-schroll
n. Gibt es schon Selbsthilfe-Gruppen für SM-Addicts? Dieser Tage hat mir jemand von einem neon-Text erzählt – das muss er sein:
„Gefällt mir zu sehr“
http://www.neon.de/kat/freie_zeit/internet/339573.html
Wen die fundamentalen Fragen der „Social Wave“ jenseits des zunehmend öden Themas „Social Media“ reizen, – und die akademische wie charakterliche Reife mitbringt -, der kann bei https://www.facebook.com/socialforesight einklinken.
Enjoy!
14.07.2011 um 18:28 Uhr
@Willi: Deine Bio-Map ist ja super. Diese Bio-Meta-Infos auf einen Blick sind schon geiler, als wenn man in vier Jahren über 5 Milliarden Blogartikel schreibt, in denen all‘ die Infos hinten links versteckt sind. Unter der Prämisse von Roberts Frage sogar ‚besser‘, der Ansatz.
…könnt ich mir mal für meine Business-Page abgucken, sowas. Danke sehr ;)
14.07.2011 um 18:36 Uhr
An private Homepage/Webvisitenkarten mußte ich auch denken :-)
14.07.2011 um 22:20 Uhr
@Chris Danke, wie gesagt, kann man auch selbst was bauen, aber wenn du den Aufwand minimieren willst, dann findest du auf der Map schon den Klon, der dann nur noch „aufgefüllt“ werden muss und nach eigenem gusto gestylt.
Aber das mit der „Business-Page“ meinst du nicht im Ernst … oder? Ok, im Kreativbereich, wenn es gutgemacht ist, gehts …
15.07.2011 um 09:29 Uhr
@Willi: Doch meine ich. Ich nehm das nicht so ernst mit dem Business ;) ->www.chrisheil.de Dachte auch eher an ‚eine wie deine nur komplett selber gebaut, in schickerem Look, aber mit ähnlicher Struktur“ ;)
16.07.2011 um 09:58 Uhr
HM, aber so ein Personenwiki guckzt man sich ja auch nicht durch und dei 5000 oder 50.0000 oder mehr Leute, dei da eintragen sie seinen BSF-Fans,, was mach ich mit denen?
entscheidend ist gluab ich eher dass man etwas entwickelt was ich aktuell ‚contentbasiertes Selbstmarketing‘ nennen 8also für die, dei nicht nur mit Kumpels reden wollen). D.h. man produziert sinnvolle Inakte über das was man tut und sieht, wie man die optimal platziert und führt eben die Gespräche, die sich außenrum ergeben. das muss reichen. Und skaliert auch.
Und Content fällt an sich ‚en passant‘ ab. Daran experimentier ich auch grad schon ne weile rum :;=) UND das Konzept taugt auch für Unternehmen (bzw. menschen in Unternehmen ;) )
WAS der Content ist, wird bei sehr vielen Leuten ganz verschieden sein …