Gut, ok, ich habe es gelesen, vorab schon erfahren, dass die Deutsche Bahn über Twitter einen weiteren Kanal für Kundenservices anbietet. Ihr könnt das auf zahlreichen Seiten nachlesen. André Vatter hat wie immer einen der besten Beiträge dazu verfasst. Oder den relativierenden Beitrag von Off The Record, es wäre langsam aber sicher „Standard“.

Gut, nice, well. Die Deutsche Bahn ist nunmehr auch auf Twitter und bietet sich Kundenfragen an. So wie Vodafone und Deutsche Telekom, Microsoft und Sonos, und und und auch. Nix zu kritteln, es ist zunächst einmal gut, wenn Unternehmen Kommunikationskanäle erweitern und verbreitern. Ohne näher auf die Frage einzugehen, ob Twitter als Supportkanal tatsächlich gut geeignet ist.

0. Grundüberlegung
Was wäre für mich Etwas gewesen, wo ich in der Tat aufgehorcht hätte? Was ist die Bahn im Grunde genommen für mich als Privatkunde? Was ist das Web für mich?

Die Bahn ist ein Transportunternehmen. Das Güter und Personen von A nach B bringt. Die Töchterunternehmen außen vor gelassen jetzt. Was ist ihr Grundproblem bei der Personenbeförderung? Verspätungen. Ob nun statistisch gesehen zu viele oder wenige Verspätungen die Kundenzufriedenheit stören, ist unerheblich. Unerheblich ist, ob die PR der Bahn das Problem schön redet oder real wiedergibt. Erheblich ist die Außenwirkung. Die Bahn kommt zu spät, so der Volksmund. Für was dient mir das Web, der Bahn und den Kunden das Web? Das Web ist auch, aber nicht nur, ein verdammt großer Informationskanal. Das Informationen produziert und verteilt. Das Web kann noch mehr. Es ist auch eine große, gigantische Kollaborationsmaschine. Heute kennen wir im Gegensatz vor 20 Jahren zahlreiche Beispiele, wie User User informieren können, ebenso kennen wir zahlreiche Beispiele, wie Firmen und User zusammenarbeiten können. Warum nicht die gewonnenen Erkenntnisse und Prinzipien des Internets nutzen?

Was leitet sich aus dem Grundangebot der Bahn und dem Grundangebot des Internets ab, wenn man beide auf moderne Weise zusammenbingt, Informationen zu produzieren und zu verteilen, ebenso zu kollaborieren?

1. Die Schaffung einer fix.diebahn.de Plattform

Was wäre die Aufgabe der Seite? Was ihr Nutzen?
1.1 Aufgabe = Verspätungsinformationen erfassen und verteilen: Die Kunden der Bahn vor, während und nach einer Zugfahrt über Verspätungen so zeitnah wie nur möglich auf Zugverbindungsebene informieren. Aber auch zu begründen, was der Anlass für die Verspätung war.

1.2 Kollaboration: Das ist nicht nur eine Aufgabe der Bahn, sondern eine gemeinsames Angebot, das Kunde und Bahn zugleich stemmen. Sprich? Der Kunde in Hamburg kann die Verspätung melden, der wartende Kunde in Kassel und München wird vorab informiert, womit er zu rechnen hat. Kunden informieren Kunden, die Bahn informiert Kunden und begründet. Gemeinsam informiert man besser, zeitnäher und strukturierter als die überforderten Bahnmitarbeiter auf dem Bahnsteig allein.

1.3 Nutzen: Um was zu erreichen? Den Kunden nicht mehr im Regen stehen zu lassen, zu spät oder gar nicht über die Verspätung selbst aber auch nicht über den Grund zu informieren. Transparenz und Information. Denn, das ist eines der Grundprobleme der Bahn, was Kunden richtig abnervt. Sie erfahren zu spät oder gar nicht, was los war und was los ist.

1.4. Signalwirkung: Die Bahn lädt Kunden ein, mit ihr gemeinsam über Verspätungen zu informieren? Ein wertiges Signal, auf den Kunden zuzugehen. Nicht mehr nur, um Probleme auf Individualbasis im Kundensupport zu verwalten. Sondern Probleme transparent in der Breite offenzulegen. Verspätungsgründe zu sammeln und zu sichten.

Was wäre die zweite und noch wichtigere Aufgabe der Seite? Was ihr Nutzen?
2.1 Aufgabe = Transparentes Problemfixing. Zu spät war zu spät. Informiert wurde, kundenseitig über Kunden oder die Bahn selbst. Es wurde sogar begründet. Gut, das eine Viertel Ursache der mangelnden Kundenzufriedenheit wurde gefixt. Nur, was tut die Bahn, um Verspätungen zu verhindern? Selbst der geduldigste und informierteste Kunden hat irgendwann die Faxen dicke, wenn Verspätungen immer wieder erneut auftreten. Die Bahn informiert die Kunden über Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den gesammelten Begründungen stehen. Technik, Streckennetz, Personal, what ever die Gründe waren. Jeder Grund für eine Verspätung ist ein Grund zu viel. Der behoben werden kann. Nur, wenn die Bahn nicht informiert, was sie wann und wo konkret dagegen unternimmt, hilft es nix.

2.2 Kollaboration = Die Bahn kann mit den Kunden zusammen die Probleme angehen. Die bis heute dominierende Vorstellung, dass Vorschlagswesen – zwecks Verbesserung der Betriebsabläufe, Umsatzverbesserungen und Kosteneinsparungen – rein innerbetrieblich zu sein hat, ist in Zeiten des Internets längst aufgeweicht worden. Kunden rücken via Internet den Unternehmen viel näher an den Leib. Dells Ideastorm sind längst betriebliche Realität bei modernsten Großkonzernen.

2.3 Nutzen = Gemeinsam am Fixing zu arbeiten ist – ob nun etwas herauskommt oder nicht! – allemal besser, als hinter verglasten Bürotürmen zu sitzen und zu brüten, Kunden im Unklaren zu lassen, was die Bahn unternimmt oder eben nicht. Selbst wenn es nichts bringt, zwingt sich die Bahn dazu, zeitnah über Maßnahmen zu informieren. Wenn es etwas bringt, das gemeinsame Arbeiten an Problemen, umso besser!

2.4. Signalwirkung = Die Signalwirkung wäre erheblich, Kunden und Bahn gemeinsam am Verspätungsproblem wirken zu lassen. Ja, es wäre fast schon revolutionär. Dem Image förderlich, ein modernes Unternehmen sein zu wollen.

Resümee
Das ist etwas, was mich als Digitalo-Heini begeistert hätte. Nicht das, was die Bahn mit Twitter macht. Es ist OK, mehr aber auch nicht. Es wird der Bahn nicht dabei helfen, über Twitter Kernprobleme offen zu verwalten. Statt den Fokus über die Möglichkeiten des Internets auf das Grundangebot der Bahn zu legen, das Kernproblem anzugehen, gemeinsam an das Fixing zu gehen. Sicher und pünktlich Kunden von A nach B zu bringen. Das eigentliche Grundproblem? Mangelnder Wettbewerb im Privatkundensektor macht müde Unternehmen nicht munter.