Thema 1: Deutsche Blogcharts
Thema 2: Twittercharts
Thema 3: Internetstartups
Thema 4: Frauen nach vorne in die erste Reihe
Altes Thema, neu aufgekommen, Johannes Lenz schreibt zu einer re:publica 11 Session:
Es gab aber auch klare inhaltliche Enttäuschungen. Auf dem Panel des Blogger_innen-Gesprächs saß auch Katrin Rönicke, die, wenn ich es recht verstanden habe, eigentlich gegen die Stereotypen zwischen Männer und Frauen ist und um ihre Auflösung bemüht ist. Die Frage, warum in den deutschen Blogcharts wenige weibliche Blogger zu finden sind, obwohl laut Studien zwischen 80 und 90% aller Blogs von Frauen geschrieben werden,…
Ok, dass mit denn 80%-90% Frauenanteil will ich stark anzweifeln, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, warum – und das geistert seit der ersten re:publica 2007 in der Welt herum – Bloggerinnen in den Deutschen Blogcharts unterrepräsentiert sind. Ich habe mir einen schnellen Überblick verschafft und unter den ersten 50 Blogs zwei Blogs gefunden, die von Frauen betrieben werden: Scrap Impulse und MacKarrie.com. Bei beiden Blogs geht es weitestgehend um Kreatives (Scrapbooking und Kosmetik). Wie viele Frauen es insgesamt unter die Top 100 Blogs geschafft haben, weiß ich nicht genau. Ich würde etwas weniger als 10 vermuten.
Nun die Gretchenfrage: Was messen die Deutschen Blogcharts? Das Ranking setzt sich aus drei gleichgewichteten Einzelfaktoren zusammen. 1. Verlinkung zwischen Blogs, 2. Tweets mit Link zum Blog und 3. Besucherzahlen laut Google AdPlanner. Traditionell sind Blogs in den Charts vertreten, die eher netzaffine Themen behandeln. Schaut Euch dazu die Top 50 Blogs an. Es fängt mit Netzpolitk, Nerdcore, Stadt Bremerhaven, Netzwertig und BasicThinking an, geht weiter mit Fefe, Engadget, Bildblog, Facebookmarketing, Lawblog, Spreeblick, Netbooknews, Karrierebibel und Google Watchblog. Was fällt auf? Alle Blogs behandeln extrem netzaffine Themen. Die selbstverständlich gut im Netz weiter getragen werden. Die Rankingfaktoren 1 und 2 unterstützen sozusagen diesen Effekt. Es geht demnach um Themen! Über welche Themen schreiben Frauen eher?
Schauen wir uns dazu doch mal eine laufende Untersuchung von Blogoscoop an:
Die 25 am häufigsten von Frauen verwendeten Tags (in Klammern die Anzahl der Blogs):
fotografie (60) musik (58) alltag (52) leben (50) privat (46) internet (45) web 2.0 (40) bücher (39) familie (35) politik (33) design (33) kinder (32) lifestyle (32) literatur (31) blog (30) rezepte (30) gedanken (30) reisen (28) kunst (28) schreiben (27) fotos (27) lesen (26) berlin (26) kultur (25) medien (22)
Die 25 am häufigsten von Männern verwendeten Tags:
internet (378) musik (312) politik (310) web 2.0 (288) blog (216) fotografie (193) medien (172) news (148) wordpress (133) design (131) technik (128) software (113) apple (111) computer (110) webdesign (109) marketing (108) leben (107) gesellschaft (107) kultur (103) sport (98) linux (95) berlin (92) privat (91) seo (89) alltag (87)
Männer schreiben anscheinend per se „netzaffiner“, sagen wir mal „technischer“. Netzaffiner im Sinne von Backtweets und Blog-Links. Bilden nun die Deutschen Blogcharts unsere Gesellschaft ab? Nope, sie messen lediglich das, was ihr Betreiber Jens Schröder von der Maschine durchkauen und bewerten lässt. Und dummerweise bevorzugt diese Maschine netzaffine Themen.
Würde man abseits der Rankingfaktoren der Deutschen Blogcharts rein auf die Anzahl der Leser abheben, so bin ich mir sehr sicher, dass Bloggerinnen nicht mehr unterrepräsentiert wären. Nur, es wird eben nicht gemessen. Was nicht gemessen wird, wird nicht gesehen und nicht wahrgenommen. Die Deutschen Blogcharts nutzen dafür Google AdPlanner, doch das Tool kann man bei Blogs – was die meisten eben haben – mit niedrigen bis mittleren Besucheraufkommen getrost in die Mülltonne kicken. Einige Tests mit Blogs – deren Besucherzahlen mir bekannt sind – ergaben erschreckende Abweichungen.
Was bleibt demnach? Frauen sind in den Blogcharts unterrepräsentiert, da die Rankingfaktoren nicht hinreichend ausgefeilt sind. Mehr ist nicht dran. Es ist ja auch kein Selbstzweck, darin gelistet zu sein. Insofern ist es halb so wild und das eingangs genannte Zitat entbehrt jeglicher Grundlage.
Es kommt noch ein Punkt hinzu: Die Presse aber auch die PR-Agenturen schauen sich gerne die Blogcharts an. Es ist der bekannteste Anlaufpunkt in Deutschland, wenn man es mit Bloggern zu tun haben will. Ist das nicht ein Punkt, wo Blogerinnen faktisch benachteiligt werden, weil unterrepräsentiert? Die Presse stürzt sich aus Unkenntnis, mangelnder Expertise und Sachzwängen heraus auf die Top 5 Blogs, um Themen wie auch bloggende Personen verkürzt und leserschmackhaft überhaupt rüberbringen zu können. Was auch immer man sich von einer Medienpräsenz erhofft, alle Blogs außerhalb dieser Top 5 Positionen sind sozusagen nicht vorhanden, wenn man sich an den Blogcharts bedient. Ob nun 10 oder 50 Bloggerinnen in den Charts platziert sind, solange sie nicht ganz oben landen, sind die Charts völlig egal. Ob nun ein Blog 10 Mio Seitenaufrufe im Monat hat und in den Charts gar nicht oben gelistet wird, es spielt keine Rolle. Die meistgelesenen Blogs Deutschlands kennt die Presse nicht mal. Wer daher glaubt, dass ihm die bloße Präsenz in den Blogcharts hilft, täuscht sich. Mann oder Frau, egal.
Soweit zu Blogerinnen und den Deutschen Blogcharts. Und auf zum nächsten Artikel, Twitter.
19.04.2011 um 21:18 Uhr
Ich hatte in der letzten Zeit viel mit PR-Agenturen & Co zu tun. Die kennen auch ihre weiblichen Pappenheimer, die ebenso gut, teilweise besser hofiert werden, als „die Großen“. Kein Witz.
Und noch was: mir bläst keiner Zucker in den Arsch. Nicht als top 50, top 10 oder nun als 2. Alles wie bisher. Kein Scheiss Robert.
19.04.2011 um 21:22 Uhr
das war jetzt die Ergänzung zu PR-Agenturen, zu denen ich eigentlich nichts weiter schreiben wollte :)
19.04.2011 um 21:30 Uhr
Moin Rob,
danke für deinen klaren Hinweis. Wie Du ja gelesen hast, ist es mir ja einerlei, ob das Blog von einem Mann oder einer Frau gepflegt wird. Auf den Inhalt kommt es an. Und die Blogcharts geben dann wenn überhaupt eine erste Orientierung, mehr dann aber auch nicht. Ob das andere auch so sehen oder gerade auf die Top 5 Blogs schielen, ist mir einerlei. Lustigerweise stellte ich während des Panels fest, dass ich mich bisher so gut wie kaum mit ihnen befasst habe.
Interessant finde ich Deinen Punkt, dass schlicht die Rankingfaktoren darüber entscheiden, wie viele von Frauen gepflegte Blogs erscheinen oder nicht. Vielleicht ist dies ein Aspekt, den Jens Schröder in der Zukunft aufnehmen könnte.
Viele Grüße
Johannes
19.04.2011 um 22:27 Uhr
Genau das wollte ihr hier: http://twitter.com/#!/13stock/status/58542176925265920 sagen. Danke.
19.04.2011 um 23:09 Uhr
Du bringst es auf den Punkt: Die Blogcharts kann man nicht als Messinstrument nutzen und damit mangelnde Wahrnehmung weiblicher Blogs begründen.
Nun weiß ich leider nicht ob diese Schlussfolgerung in Berlin bewußt provokant gewählt war oder nicht, aber vielleicht kann ich hier diese Wissenslücke schließen…
20.04.2011 um 09:21 Uhr
Um hier auch mal eine Frauensicht einzubringen ;-) mir leuchtet die Theorie ein, dass die „Unterrepräsentation“ von Frauen sich durch die Blog-Themen erklären lässt – die Top-Blogs behandeln Themen die offensichtlich eher von Männern geschrieben werden.
Auf die Leser lässt sich das aber nicht umlegen – ich lese die Blogs die mich thematisch interessieren – unabhängig davon ob der Blogger männlich oder weiblich ist!
LG Tanja
20.04.2011 um 11:39 Uhr
Hallo,
danke für deinen beitrag.
über die Relevanz von Blogcharts haben wir schon öfters diskutiert, seit das thema aufkam – und ich setze seither die „sogenannte Relevanz“ auch immer in „“.
ABER: ich wollte mit der Nennung dieser Zahlen erstens auch nicht sagen: „das müssen mehr Frauen in den Blogcharts werden!“ und zweitens auch nur verdeutlichen, dass „Relevanz“ ein an sich stereotyp besetzter Begriff ist. Die Blogcharts veranschaulichen insofern nur ganz gut, was in der Realität dann zum tragen kommt: die deklassifizierung von „Frauenthemen“ als „nicht relevant, interessant und wichtig genug“ – die ich gerade in der Diskussion am Rande der rp11 wieder so vehement vertreten sah – muss in Frage gestellt werden. Diese stereotype Klassifizierung führt dazu, dass Frauenblogs weniger GESEHEN werden, für voll genommen usw… – und die Unsichtbarmachung des Beitrags von Frauen zur (hier: digitalen) Gesellschaft ist eines der KERNThemen des Feminismus seit 200 Jahren.
Wenn ich also 15 Minuten Zeit habe, dieses thema – für das ich am Freitag 40 Minuten brauchte, um es einigermaßen differenziert zu referieren – zusammenzufassen: dann sind die Blogcharts ein schnelles, leichtverdauliches und willkommenes SYMBOL, diese Komplexität runterzubrechen, zu verdeutlichen.
20.04.2011 um 11:46 Uhr
@Katrin, ich sehe das ähnlich. Bei den Blogs hatten wir das klassische Phänomen, das in D eher technisch orientierte Blogs ganz oben mitschwommen, die Begeisterung ob der technischen Möglichkeiten rund um all die schönen Web 2.0 Spielzeuge im Zentrum stand. Mit den Jahren hat sich das Bild allmählich gewandelt, es sind nicht mehr allein technisch orientierte Blogs, es kamen viele hinzu, die ganz andere Themen beackern. Wenn man da weiter projiziert, müssten an sich Blogs mehr und mehr gesellschaftliche Themen abdecken, in der ganzen Spannbreite. Damit aber auch technische Blogthemen in den Hintergrund rücken. Aber auch, die Spannbreite der Blogs müsste umgekehrt auch wahrgenommen werden. Wird es auch, nur nicht wirklich von der Presse, die immer noch zu oft auf Topblogs schielen, die eben technisch und auf Netzkultur fokussiert sind, Netzpolitik ist momentan die quasi-Ausnahme, aber nicht wirklich, da dort Netzpolitik gemacht wird.
05.02.2012 um 17:15 Uhr
Hi Robert,
ich persönlich kenne nicht eine einzige Bloggerin persönlich und auch in den Charts sieht man nicht wirklich viele. Die 80-90% sind imho eh eine Wunschvorstellung in gewissen Kreisen und haben mit der Realität nichts zu tun.
Gruß