Nach einem inoffiziellen Telefonat mit einem der Unternehmen, für die im Rahmen verdeckter Bezahllinks geworben wurde, hat sich etwas sehr Interessantes ergeben: Die Stimmungs- und Meinungslage der Blogger wird genau beobachtet. Um Ableitungen auf das eigene Handeln zu treffen.
Was kann ich soweit sagen, ohne das Unternehmen zu benennen?
1. Das Unternehmen ist ein bekanntes und renommiertes Unternehmen. Die folgenden, inoffiziellen Aussagen sind von „ganz oben“.
2. Das Unternehmen weiß um den verdeckten Linkkauf, auch allgemein ob Linkkäufen durch die beauftragte Agentur. Nicht nur seit dem Bloggergate.
3. Andere Unternehmen – die am Bloggergate beteiligt sind – wussten ebenso im Vorfeld, dass man Links einkauft, um bei Google höher zu rangieren (alle? nicht alle, aber Gallien hat auch ein Dorf). Auch wusste man, dass man Links verdeckt verkauft. Es sei weitestgehender Standard bei mehr oder minder allen Unternehmen, die online Präsenz zeigen möchten.
4. Soweit ist das zunächst nichts Neues, wie wir wissen. Neu ist aber? Es gibt in diesem und anderen Unternehmen zwei Gruppierungen. Die eine Gruppierung meint, der Zweck heilige die Mittel. Die andere Gruppierung meint, es sei nicht OK für die Reputation. Dies betrifft den Linkhandel als solches. Hinzu kommt die Frage, ob versteckter Linkhandel als Schleichwerbung zu verstehen sei, was schwerer wiegen würde denn die bloße Betrachtung von Links als Positionsaufheller bei Google. Natürlich ist klar, dass offener Linkhandel eher zu Maßnahmen seitens Google führt. Ein interessantes Gemengengelage. Schleichwerbung lehne man eigentlich ab, sind aber Links darunter auch zu verstehen?
5. Ergo? Man beobachtet im Rahmen des Bloggergates sehr genau die Reaktionen auch seitens der Blogosphäre. Gerade in Bezug zu verdecker Werbung, aber auch allgemein zum Linkkauf. Wie stehen die Blogger dazu, was sind die Meinungen, wie viele reden überhaupt darüber? Lehnt man kategorisch versteckte Werbung ab, versteht man Links auch darunter? Oder lehnt man gar komplett den Linkhandel ab, egal ob offen oder verdeckt?
6. Momentan ist man nahezu einhellig der Meinung, dass mangels Umfang des Dialogs in der Blogosphäre aber auch über die indifferenten Meinungsäußerungen Links nicht als Werbung verstanden werden (damit keine Schleichwerbung sind), Linkhandel per se kein sonderlich heißes Thema sei. Reputationsverluste sind daher als gering zu betrachten. Aber?
7. Sehr wohl erachtet man die Blogosphäre im Gesamten zunehmend als wichtig und meinungsbildend. Insofern erklärt das auch, warum man im Rahmen des Bloggergates die Reaktionen genau beobachtet, um Ableitungen für die eigenen Entscheidungen zu treffen.
8. Je nach Ausgang und Bewertung der Reaktionen wird man das eigene Tun in Zukunft ausrichten. Heißt? Man wird den Linkhandel zurückschrauben, verdeckte Werbung komplett einstellen, weil man Links auch darunter subsummiert. So sieht es im Moment nicht danach aus. „Die Blogger“ haben fast schon entschieden, dass man weiter so wie bisher verfahren könne. Denn, Bloggergate ist an sich gegessen, Neues kommt nicht mehr nach. Die Positionen und Haltungen wie auch die geringe Verbreitung sprechen Bände.
9. Eine offizielle Aussage wird man dazu nicht abgeben, wie ich es oben beschrieben habe. Die Unternehmensleitungen wissen um das Thema und warten unsere Reaktionen ab, bis man zu einem finalen Urteil inhouse kommt.
Summe summarum?
Die Unternehmen richten sich im Rahmen des Bloggergates nach den Bloggern. Was sagen sie, wer, wie viele, wie oft? Wir Blogger haben es damit in der Hand, wie Unternehmen in Zukunft spielen. Es bestätigt auch meine Position, für sauber deklarierte Werbung einzutreten, ein Bewusstsein zu schaffen. Je wichtiger Blogger für Unternehmen werden, umso größer wird das Risiko und die Chance zugleich, gemeinsam und jeder für sich zu entscheiden, wie man miteinander verfahren will. Auch und vor allen Dingen, wie wir Blogger draußen gesehen werden, ob es nun 1.000 Blogosphären oder 100.000 Einzelblogger gibt. Dies betrifft naturgemäß die Blogger, die sich für eine gesellschaftliche Relevanz einsetzen, ebenso wirtschaftlich motivierte Blogger.
03.02.2011 um 17:13 Uhr
Interessante und vor allem pfiffige Art und Weise. Erst einmal schauen wie heiß es eigentlich gekocht ist.
Was in meinen Augen daraus hervorgeht ist immer noch das klassische Reichweitendenken. Bin ich noch unter der Wahrnehmungsschwelle oder nicht?
Bei Bloggergate kann man bestimmt sagen JA, bist du.
Danke für die interessanten Worte, die zugleich einen Einblick geben.
03.02.2011 um 17:51 Uhr
Robert, weißt Du oder kannst Du sagen, aus welchem Bereich die Antwort des Unternehmens kommt? Ist es Marketing oder Kommunikation oder…?
Und weißt Du, aus welchem Bereich die oben genannten Gruppierungen kommen? Oder geht das quer durch Bereiche?
03.02.2011 um 17:57 Uhr
Es beginnt von oben, das sollte reichen
03.02.2011 um 18:04 Uhr
Da es durchaus sein könnte, daß hier der ein oder andere Werber mitliest: Merkt Euch mal: Werbung nervt. Werbung ist meistens Spam und kein Mensch will sie haben. Schon gar nicht in Form von Texten, die dafür gedacht sind, hauptsächlich von (Such-)Maschinen gelesen zu werden. Eure potenziellen Kunden sind Menschen, keine Maschinen. Und Ihr wollt deren Geld, also nervt nicht rum. „Don’t be evil“ ist da ein Mindestmaß. Wenn Ihr auf Eure Produkte und Dienstleistungen aufmerksam machen wollt, überzeugt mit dem Produkt, nicht durch Suchmaschinentreffer, Hochglanzbildchen und Flash-Gezappel. Was gar nicht geht: Schleichwerbung. Natürlich sind gekaufte Links Werbung. Natürlich ist nicht gekennzeichnete Werbung Schleichwerbung. Finger weg auch von Abmahnungen und Co. – überzeugt die Leute von Euch, hängt Ihnen keine Prozesse an, wenn sie nicht überzeugt sind. Selbst dann nicht, wenn sie Euch beschimpfen. Fragt Euch, warum sie Euch beschimpfen, was Ihr falsch gemacht habt, egal, wie hart und/oder unfair die Kritik evtl. ist. Die Menschen sind nicht so doof, wie Ihr vielleicht denkt. Sie merken auch, wenn sie mit dämlichen Monologen und Heilsversprechen totgequatscht werden. Hört auf zu Monologisieren, fang an zu Kommunizieren. Sorgt für einen guten Support, seid offen für Kritik, seid erreichbar. Stellt Manuals, Treiber, Firmware, Produktinfos übersichtlich und brauchbar ins Netz. Versteckt Euch nicht hinter Firmengeheimnissen und versucht nicht Eure Kunden abzuwiegeln.
Im Internet veröffentlichen viele Menschen Texte, Bilder, Software etc. umsonst und zum Nutzen aller. Dies kostet viel Zeit und Mühen und die Leute machen es trotzdem gerne. Nicht wenige von ihnen konnten ihre Leser, ihre „Kunden“ von ihrem „Produkt“ überzeugen. Ihr habt zusätzlich noch Produkte, die Ihr verkaufen möchtet. Dazu müsst Ihr stärker überzeugen, besser kommunizieren, seid offener, seid ehrlicher, seid fair und nachsichtig, nervt und trollt nicht rum, seid besser als „not evil“.
03.02.2011 um 23:55 Uhr
@Julius:
Die großen Brands werden nach dieser Aktion wegen Angst um selbige sehr vorsichtig agieren und den Linkaufbau evtl. ganz an den Nagel hängen. Dann musst du dich nicht mehr mit lästigen Werbern im Suchindex rumschlagen. Dann hast du es mit ganz normalen Spammern zu tun. Die haben keine Angst vor Markenschädigung (obwohl das bisschen Netzgezwitscher kaum als solche gelten kann.) und spammen munter drauf los.
Ohne Geld gäbe es das Internet in dieser Form nicht… und wer ein bisschen Medienkompetenz hat, einen Adblocker installieren kann und nicht alles kauft, was verlinkt ist, der kommt auch gut klar.
Das Internet stürzt mittlerweile Diktaturen und bringt die gesamte Menschheit näher zusammen. Wenn alles open source und ohne Werbung wäre, würden wir heute immer noch schön im BTX rumhängen.
Just saying…
04.02.2011 um 13:24 Uhr
Hallo,
Das Hauptproblem ist bei den Unternehmen mangelndes Fachwissen. In den Unternehmen sitzen wirklich selten Leute, die auch nur ansatzweise einen guten Plan darüber haben, was sich rechnet und was nicht. – Rein aus wirtschaftlicher Sicht bringt der Einkauf von Links wesentlich weniger „Aufmerksamkeit“ als klassische PR oder gut durchdachtes Marketing.
Zudem bringt ein gut aufgebautes „Affiliate-Business“ den Unternehmen wesentlich effektivere Links als der bloße Ankauf von Verlinkungen. – Aber wenn man schon selbst kein Know-how in der eigenen Firma ansiedelt, kann da auch nichts Gescheites bei rumkommen.
LG Daniel
04.02.2011 um 20:49 Uhr
Hammer! Super Job, Robert, Danke. Wie ich immer sage: Kommunikation erzeugt Bewusstsein, erzeugt Wirklichkeit. Genau das hatte ich in einem Kommentar auf meinem Blogpost geschrieben. Dass es die Legitimation solchen Verhaltens geht. Und dass jeder gesagt hat „och nicht so schlimm“, hat das jetzt eben legitimiert. Schade eigentlich. Aber so funktioniert das eben.
05.02.2011 um 00:28 Uhr
@Frank
„Die großen Brands werden nach dieser Aktion wegen Angst um selbige sehr vorsichtig agieren und den Linkaufbau evtl. ganz an den Nagel hängen.“
Das glaube ich dann erst, wenn ich es sehe.
„Dann hast du es mit ganz normalen Spammern zu tun.“
Die gibt es eh. So oder so. Ich glaube jedoch nicht, daß jemand mit einer ordentlichen Marke und ordentlichen Produkten gerne im gleichen Atemzug genannnt wird.
„Ohne Geld gäbe es das Internet in dieser Form nicht… und wer ein bisschen Medienkompetenz hat, einen Adblocker installieren kann und nicht alles kauft, was verlinkt ist, der kommt auch gut klar.“
Daß man nicht „klarkommen kann“ wollte ich auch nicht behaupten.
„Das Internet stürzt mittlerweile Diktaturen und bringt die gesamte Menschheit näher zusammen.“
Und der ein oder andere Konzern schaltet auch gerne mal das Netz ab, wenn es der Diktator so will. Oder profitiert von den hübschen Gewinnmargen, die z.B. eine Produktion in diesen Ländern ermöglicht. Aber das ist ein anderes Thema.
„Wenn alles open source und ohne Werbung wäre, würden wir heute immer noch schön im BTX rumhängen.“
BTX war weder werbefrei noch open source. Ohne open source und offene Schnittstellen gäbe es viel weniger bezahlbare Server und Speicherplatz, viel weniger Möglichkeiten der Teilhabe, ohne Menschen, die sich auch neben ihrer sonstigen Arbeit beteiligen, forschen, schreiben, produktiv sind etc. – das Internet wäre die gelben Seiten. Wahrscheinlich hätten sich die Konzerne bis heute nicht darauf geeinigt, auf welchen proprietären Protokollen und Sprachen es laufen würde. „Hast Du schon das neue M$-Internet?“ „Ne, das ist mir zu teuer, ich benutze das, was bei meinem Laptop dabei war“
o0(und ja, ich kann mir auch denken, daß die Wahrheit irgendwo zwischen Deiner und meiner Meinung/Ideologie(?) liegt) ;)
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