Das aktuelle Jagd-Szenario Wikileaks zeigt erneut deutlich auf, wie verwundbar das Internet per se ist. Wenige Hebel reichen aus, um den Informationsfluss vehement zu stören. Das liegt in der Natur der technischen Infrastruktur, Informationspakete zu übermitteln („TCPIP“), Adressbücher zu verwenden („DNS/Routing-Server“) und Informationen zu speichern („Hosting“). Alle Punkte der Infrastruktur bieten Angriffsflächen.
Am Beispiel von Burma konnten wir beobachten, dass es Landesbehörden möglich ist, die gesamte Kommunikation via „Internet“ lahmzulegen, wenn die Telco-Organisationen in staatlicher Hand bzw. unter staatlicher Kontrolle sind. Um zu verhindern, dass Informationen via Netz außer Landes geraten. Sichere Verbindungen waren sinnlos, da die Übermittlung vom Sender zum Empfänger über sichere Wege schon beim Sender unterbunden wurde. Selbst Handy/Satellitenverbindungen wurden zu stören versucht, eine Alternativroute nebst herkömmlichen Übermittlungskanälen.
Bis dato existiert kein Übermittlungsverfahren, das derart stabil wäre, um sowohl die Übermittlung wie auch Speicherung von Informationen vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Diese Erkenntnis hört sich banal ist, ist jedoch teils auch überlebensnotwendig, wenn es um organisierten Widerstand geht. Kommunikation bedeutet Koordination und Information über die momentane Sachlage. Wer elektronische Kommunikation unterbindet, schwächt die Fähigkeiten zur strukturierten und koordinierten Vorgehensweise empfindlich. Gerade dort, wo es um asymetrischen Widerstand geht (militärisches Vorgehen mangels Stärke und Größe gegen den „Feind“ = keine Option), ist Informationsverbreitung vital. In Burma wurde via Informationsverbreitung der internationale Druck beinahe zu groß. Als diese unterbunden wurde, war der asymetrische Widerstand zusammengebrochen.
Mir sind auch keine Konzepte bekannt, bidirektionale Kommunikationssysteme mit globaler Transportleistung mit herkömmlich verfügbaren Kommunikationsgeräten auf die Beine zu stellen, die weder über Nadelöhre verfügen (damit extrem störanfällig sind) noch stabil vor Angriffen an den Punkten Übertragung und Speicherung wären. Möglicherweise wird das erst dann möglich sein, wenn p2p-Energiesysteme zur Verfügung stehen, so dass Informationen über eine zentral unabhängige Energieversorgung bzw. die Leitungen weitergereicht werden können. Zumindest auf lokaler und nationaler Ebene. Einen weiteren Ansatzpunkt wird uns mit Sicherheit die Physik bieten, wenn wir eines Tages wissen, – Achtung, mag sich bescheuert anhören – wie wir gezielt atomar basierende Übertragungstechniken nutzen können, um Informationspakete sozusagen zu „beamen“, ohne auf neuralgische Knotenpunkte angewiesen zu sein. Zudem benötigt man einen ständig wechselnden Adressierungsraum, um das Routing so gut wie unangreifbar zu machen.
03.12.2010 um 14:17 Uhr
ich halte das netz eigentlich für im vergleich recht robust.
aber btw: hab ich nur ein deja vu oder hast du so einen text schon einmal geschrieben? da kamen iirc in den kommentaren dann so ganz interessante sachen wie ax25 und ähnliches auf den tisch, worauf es dann hiess „das kann doch alles kein mensch, das sind doch tricks für nerds und nicht brauchbar“. bevor die diskussion wieder an diesen punkt kommt schon mal von mir vorweg: ich glaube es ist noch niemand in einem unrechtsregime zum erfolgreichen dissidenten geworden indem er einfach irgendwelche „gefällt mir (nicht)“-buttons geklickt hat.
03.12.2010 um 14:18 Uhr
Die Brieftaube früher war auch nicht geschützter und effektiver, die konnte man auch vom Himmel schiessen. Es wird immer so sein das der Staat, die Regierung am längeren Hebel sitzen wird, egal was für Technik in den nächsten Jahren erfunden wird, ein Leck wird jede Technik haben.
03.12.2010 um 14:20 Uhr
@Julius, richtig, damals anlässlich Burma
03.12.2010 um 14:44 Uhr
Das Internet an sich ist durchaus ein sehr robustes Informationsmedium. Es ist so konzipiert, dass jede Komponente mehr oder weniger einfach durch eine beliebige andere ersetzt werden kann. Werden Telefonverbindungen überwacht ließe sich die Datenübermittlung auch über andere Verfahren nutzen (beispielsweise CB-Funk, theoretisch auch per Post, Mobilfunk, etc.). Ist ein Service wie DNS unter fremder Kontrolle spricht nichts dagegen einen eigenen Service auf die Beine zu stellen, der die gleichen Funktionen erfüllt. Es existieren auch Verfahren, die die Kommunikation nicht nachvollziehbar verschleiern und die Datenspeicherung auf viele Peers zu verteilen anstatt auf einen Server zu konzentrieren. Woran es scheitert? An der Bequemlichkeit der Nutzer, die den technischen/finanziellen Aufwand scheuen, auch wenn er äußerst gering ist. Das Internet ist vielleicht sogar das robusteste weltweite Kommunikationsmedium, das wir haben, aber man muss es auch als ein solches nutzen wollen.
04.12.2010 um 14:12 Uhr
„Das Internet betrachtet Zensur als Funktionsstörung und routet darum herum.“ Dafür gibt es jetztschon x Mirrors von Wikileaks und es werden mehr je mehr man sie jagt. (Und eventuell bildet sich dann doch noch einen p2p-DNS-Alternative …
Burma ist ein Sonderfall
04.12.2010 um 19:01 Uhr
Also, ich finde die Tatsache, dass DNS durch Tweets ersetzt wurde eigentlich ziemlich robust.
Auch „alte Konzepte“ wie Usenet sind recht robust – da die Daten schon vom Konzept her auf mehreren Servern gespiegelt werden. (Da gibt’s so ein Zitat von Linus Torvalds bzgl. Backups – das passt hier auch :)
Die Tatsache dass Wikileaks immer noch funktioniert zeigt, wie robust das Internet ist.
Klar: Es bleibt immer Raum für Verbesserungen.
05.12.2010 um 12:03 Uhr
@Stefan das war ja immer der Punkt im Miussverständnis von Twitter, Twitter ist kein Tool sondern ein protokoll mit dem man fast soviel machen kann wie mit dem Konzept Wiki, Oder e-Mail oder …