Im Artikel auf der Seite „Die Bank“ geht es um „social banking“.
Zitat:
Die Finanzkrise hat Kunden zum Nachdenken darüber gebracht, was Banken mit ihren Einlagen eigentlich anstellen. Entsprechend geht es nicht immer um banktechnische Innovationen, stets aber um Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe.
Im Web-2.0-Kosmos übernimmt der Kunde die Regie, und durch die Interaktivität entsteht ein sozialer Raum von räumlich separierten Teilnehmern
Stichworte wie digitale Kommunikation fallen unmittelbar zusammen mit Transparenz und Offenheit, argumentiert aus den Eindrücken der Finanzkrise. Das ist gut und richtig. Doch, trifft es wirklich den Kern dessen, in welche Richtung Banken im Netz expandieren müssen bzw. überhaupt weitere Schritte nebst dem längst etablierten Online Banking gehen sollten?
Betrachten wir hierzu das klassische Filialbankgeschäft: Vor Ort finde ich Ansprechpartner, um meine Bankgeschäfte beratend einzuleiten und über Folgegeschäfte meinen physischen Anlaufpunkt aufsuchen zu können, wenn es notwendig sein sollte. Simple Geschäfte und die Verwaltung einfacher Finanztransaktionen wickeln die Kunden heute mehrheitlich über Online Banking ab.
Warum gehen Menschen in die Filiale? Warum telefonieren sie nicht stattdessen? Das tun sie in Teilen. Jedoch, Filialbankgeschäft basiert im wesentlichen auf dem immens wichtigen Verhältnis Kunde-Bankberater. Trotz modernster Kommunikationsmöglichkeiten sind die Banken nicht in der Lage gewesen, das Filialbankgeschäft zu schließen und die daraus resultierenden Umsatzverluste aus dem Standortrückzug adäquat über alternative Kanäle zu kompensieren. Der deutsche Kunde ist die Filiale gewohnt. Und Deutschland zählt nach wie vor zu einen der Ländern mit dem dichtesten Filialbanknetz überhaupt, obgleich viele Filialen in den letzten 15 Jahren geschlossen wurden.
Es geht im Großen und Ganzen um die Frage der „Präsenz“, einer Vertrauens stiftenden Maßnahme, deren Vorteile im sensiblen Lebensbereich des Kunden auf der Hand liegen. Bankgeschäft basiert nicht auf reinen Fakten und Daten, Vertrauen, Branding und Image sind in einem sehr dichten Wettbewerb immens wichtig und entscheiden über Kundenzugang wie auch Volumina.
Wo baut sich heute noch Präsenz auf? Auf der Kundenseite im Netz! Kunden nutzen vermehrt das Netz, um sich auf privater Ebene auszutauschen. Im Zuge der Nutzung erfahren und erlernen sie digitale Vertrauenssignale, einigen sich zunehmend auf vertrauensaufbauende Verhaltensweisen. Sie beziehen diesen Teil ihrer Aktivitäten in ihr Alltagsleben mit ein.
Auf der anderen Seite stehen wir einer Bankenlandschaft gegenüber, die nach einem jahrelangen Prozess Kosten, Filialen und Personal dramatisch abgebaut hat. Nach der Trimmung und Bereinigung stehen die Banken vor einer erneuten Herausforderung: Wie reagieren sie auf die sich ändernden Lebensweisen der Kunden, die wie soeben beschrieben das Netz zur Gestaltung ihres Alltags erlernen?
Können sich Banken der Frage der Präsenz weiterhin entziehen? Meine Antwort ist eindeutig: Wer sich als Bank diesem Präsenzdruck verweigert, wird einen Wettbewerbsnachteil auf Dauer erleiden. Sämtliche mit dem Filiallbankgeschäft einhergehenden Prozesse sind auf digitale Prozesse auszurichten. Angefangen von der „Beschilderung der Filiale“, Ansprechbarkeit des Kundenbetreuers via Netz, über jegliche Form von Beratungsleistung bis hin zu dauerhaften, vertrauensbildenden Maßnahmen.
Der Ruf nach einer virtuellen Filialbank ist zwar alt wie Bart und ging damals von einer „Virtual Reality“ aus. Dennoch ist der Druck nicht kleiner geworden, sondern dramatisch angestiegen. Das, was die deutsche Bankenlandschaft dahingehend gezeigt hat, zeigt deutlich die Probleme auf, mit der Banken zu kämpfen haben. Unternehmerisch denkendes und Verantwortung tragendes Personal hat sich in den langen Jahren der Existenzkämpfe über den Personalabbau („verliere ich meinen gut dotierten Entscheider-Job“) verflüchtigt. Nirgend sonst als im Banking haben Entscheider dazu beigetragen, dass Unternehmertum und Pioniergeist nahezu ausgemerzt wurden. Wer sich als Bank innovieren will, muss das Personal und deren Geist wiederbeleben. Leichter gesagt als getan.
Ich habe hierbei Einiges außen vor gelassen bei der Betrachtung, wie Banken Präsenz im Netz aufzeigen können. So habe ich nicht mit einem Wort großartige Themen wie etwa an die Netzbedürfnisse- und lebensweisen angepasste Finanzinstrumente (beim Handel mit virtuellen Gütern verschlafen Banken ein gigantischen Trend, der von Jahr zu Jahr exponentiell geradazu explodiert.. manchmal stelle ich mir Banken wie die Musikindustrie oder aber Verlagsbranche vor), die Einbindung der Kunden in die Produktkonzeption oder aber neuartige Personalanforderungsprofile ebensowenig wie 24/7 Kommunikationsstrukturen und der Neustrukturierung innerbetrieblicher Aufgabenverantwortlichkeiten gesprochen. Allesamt weitere, mit dem gesamten Gebiet der Bank-Innovation einhergehende Herausforderungen.
19.08.2010 um 14:16 Uhr
Hallo Herr Basic,
interessante Kernmessage „ganze Bank auf digital ausrichten“ – trifft auch meinen Beitrag in der gleichen Zeitschrift mit der Botschaft: „Das Design ist dabei an jenem zu orientieren, das der Nutzer auch im Internet vorfindet“, siehe:
http://www.die-bank.de/it-und-kommunikation/die-kommunikative-filiale
Vielleicht interessiert Sie dazu mein Buch „Die Bank sind wir“ im Heise Verlag, in dem ich Licht- und Schattenseiten der neuen internetbasierten Bankansätze (zwonullig) recht ausführlich jenseits von Schwarz-Weiß-Malerei beleuchte, mehr dazu hier auf den Internetseiten des Verlags:
http://www.dpunkt.de/buecher/3270.html
– oder via aktuelle Themenupdates in meinem Weblog Social Banking 2.0: http://www.die-bank-sind-wir.de
Lothar Lochmaier
19.08.2010 um 17:40 Uhr
Hallo,
schöner und treffender Artikel. Ich stimme zu, dass Banken eine grundlegende an den Anforderungen der Digitalisierung orientierte Überarbeitung Ihrer Geschäftsmodelle anstreben müssen. Das gilt vor allem auch für die Filialbanken, die lernen müssen Vertrauen und Nähe über die ihnen noch weitgehend unbekannten Handlungs- und Kommunikationspraxen des Internets aufzubauen. Dabei müssen sie in beiden Welten leben können oder einfach das Denken in Kanälen und Disziplinen aus den Köpfen bekommen.
Betrachtet man die Kulturen und Strukturen der Banken, dann ist es aber in der Tat so, dass es wenig Bewegung, wenig Antrieb dafür aber viel Hierarchie und Stillstand gibt.
Nur wie soll man sich gänzlich neu erfinden, wenn das Alte noch gut zu funktionieren scheint und wenn niemand das Risiko des Scheiterns auf sich nehmen möchte und dieses Risiko gehört nunmal zu allen Innovationen dazu.
Ich befürchte, dass sich die meisten etablierten Banken nur schwer oder gar nicht ändern können, dazu braucht es schon neue Player wie die Fidorbank.
19.08.2010 um 18:20 Uhr
Banken sind das Paradebeispiel von Gewinnmaximierung. Kunden sollen nurmehr dann dem Berater zur Last fallen, wenn seitens der Bank daran zu verdienen ist. Zuerst wurden Millionen Menschen geschult ihre Kontoauszüge, Überweisungen usw. online oder zumindest am Automaten zu erledigen und jetzt sollen diese Menschen wieder zum Berater kommen? Nur weil dieser die für die Bank profitable Altersvorsorge oder Versicherung an den Mann bringen möchte. Das funktioniert so nicht. Entweder immer Service oder eben gar nicht!