Wenn man gedanklich das gesamte Internet abschaltet und sich vorstellt, es gäbe weder Chat, Mail, Blogs, Facebooks, Foren, IRC, nichts mehr, wie konnten die Menschen damals ohne das Netz und dessen Kommunikationstechniken überleben? Nun gut, es ist keine Überlebensfrage im unmittelbaren Sinne, dennoch werden sich die Menschen zunehmend fragen, was für komische Faltkarten aus Papier verwendet wurden, um sich zu orientieren. Wie man wohl Treffen vereinbart hat? Wie lange man gebraucht hat, um sich über das Tagesgeschehen vor Ort und global zu informieren? Wieso man in Läden ging, um einzukaufen? Wo hat man sich über die Vor- und Nachteile eines Produkts bzw. Qualität einer Firma erkundigt? Viele Kulturtechniken werden museumsreif erscheinen. Und man wird zunehmend Schwierigkeiten haben zu verstehen, warum das Wirtschafts- und Lebenstempo gefühlt zugenommen hat (es ist eben nicht nur der zunehmenden Mobilität von Menschen geschuldet, sondern und vaD dem informationstechnischen Austausch).
Ich bin gespannt, es müsste doch jetzt schon erste Webseiten geben, die aufzeigen, wie der Mensch ohne Internet gelebt hat und was dazu gehört hat. Kennt jemand welche? Oder fallen Euch erstaunliche Vergleiche ein, wie es früher war, was damals heute kaum denkbar ist?
Warum ich das so spannend finde? Einerseits macht man sich viele Dinge nicht bewusst, wie wichtig manches war und andererseits zeigt der Kontrast auf, wo und in welche Lebensbereiche das Internet vorgedrungen ist und welche Bedeutung es zunehmend gewinnt, aber auch welche Kulturtraditionen im alltäglichen Leben es verändert hat. Halten wir dies nicht fest, werden wir vergessen, wie es war und nachfolgende Generationen werden sich bestimmter Mechanismen nicht mehr klar. Das alleine den Geschichtsforschern zu überlassen ist zu wenig.
Siehe ähnliche Gedanken im 0xEFBBBF’s Blog „Die Freiheit und Zukunft des Internets“. Und Robert Lender verbringt seinen Tag, ohne dieses komische Internet.
04.10.2009 um 12:07 Uhr
Gute Idee eigentlich — vielleicht sollte man da mal eine Artikelserie anfangen.
(Ich frage mich inzwischen auch, wie ich vor der Erfindung des Mobiltelefons jemals erfolgreich jemanden getroffen habe…)
04.10.2009 um 12:13 Uhr
Eine sehr gut Frage!
Die werd ich gleich mal weitergeben an meine Elter.
Ich persönlich würde gerne mal wissen wie viel geld und nerven ich dadurch gespart habe dass ich schon vorher weiss welche macken und vorzüge mein neues wunschprodukt hat. Andererseits will ich nicht wissen wie viele nerven mich diese stunden, teils tagelange recherche gekostet hat (überangebot an informationen).
Mein fazit ist allerdings: ohne internet könnte ich viele dinge meines täglichen lebens gar nicht machen, und mir viele dinge gar nicht erst leisten (flug nach china für 290€ z.b., oder auch das superschnäppchen bei ebay).
Vielleicht versuche ich beim nächsten #ichverkaufmalwiederdingebeiebay-tag erst den guten alten zettel im supermarkt, aber bei nem objektiv für meine nikon ist die zielgruppenreichweite wohl fast bei null…
04.10.2009 um 12:26 Uhr
Es gab ähnliche Überlegungen, als jedes neue Medium durchsetzte.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die Engländer ihre Telegrafenetz von Indien über viele Zwischenstationen bis ins Heimatland gespannt.
In Indien war man darüber gar nicht so erfreut, weil Nachrichten (geschäftliche und militärische Anweisungen aus England und Neuigkeiten nach England) jetzt binnen 1 Woche beim Empfänger waren. Vorher dauerte das viele Monate mit dem Schiff. Man hatte vorher mehr Freiheiten, konnte mehr selbst bestimmen, weil aus der Heimat nur alle paar Monate Nachricht kam. Jetzt wurde man ständig überflutet und mußte laufend berichten…
04.10.2009 um 12:58 Uhr
Fällt halt auch unter den Punkt „Bewahrung des kulturellen Erbes“. Im Freilichtmuseum der Zukunft wird dann halt auch gezeigt werden, wie man ‚damals‘ eine Postkarte zum Briefkasten gebracht hat.
Leider hab ich den Link zu der interessanten Seite (Wiki?) verloren, das verschwundene Kulturtechniken sammelt (ein Auto ankurbeln, Kohlepapier in die Schreibmaschine spannen etc.) – wenn das jemand findet, bitte verlinken, thx.
04.10.2009 um 17:20 Uhr
Ich hab erst seit einem Jahr Zugang zum Netz und muss sagen das es auch ohne geht. Doch seit dem ich Internet habe gelange ich wesentlich schneller an Informationen. Früher musste ich doch noch in die Bibliothek oder ins Internetcafe.
Auf das Internet möchte ich nicht mehr verzichten, aber ich könnte es sehr gut. Würde man das Netz für einem Monat deaktivieren, hätte ich kein Problem damit.
04.10.2009 um 17:35 Uhr
Naja, also im Prinzip keine schwere Frage.
Was macht man ohne IRC, ICQ? Man telefoniert.
Was macht man ohne Mail? Man schreibt Briefe.
Was macht man ohne Foren? Da gibt es viele alternative Möglichkeiten wie z.B. Leserbriefe an Zeitungen. Oder man trifft sich einfach offline, um Probleme zu diskutieren.
Was macht man ohne Blogs? Da muss man sich wohl oder übel bei einem Printmagazin bewerben. Denn ansonsten sehe ich keine Möglichkeit, sich öffentlich mitzuteilen. Oder man schreibt wieder Leserbriefe an Zeitungen.
Das Leben funktioniert auch ohne Internet noch tadellos. Doch einfach viel langsamer (wie du schon angesprochen hattest). Heutzutage haben die Menschen einfach viel bessere Chancen, ihre Meinung öffentlich kund zu tun.
Man hat auch früher ohne Navigationsgerät zum Urlaubsort gefunden. Nur war die Prozedur halt einfach viel mühseliger. Wenn man mächtig in der Zeit zurück geht, musste man sich früher einen Atlas mitnehmen und zwischendurch immer mal das Ding aufklappen und gucken wo man ist und wie es weiter geht. Ein wenig später dann gab es Kartensoftware für den PC, mit denen man sich den Weg bis zum Zielort in kleinen Beschreibungen ausdrucken konnte. Noch ein bisschen später konnte man das auch online tun, ohne eine Software zu kaufen. Erst danach kamen die Navi’s in Mode (kosteten aber trotzdem noch 500 Euro aufwärts).
So schwer ist das Leben also nicht offline. Man musste nur ein bisschen mehr das Hirn anstrengen ;)
(was nicht heißt, dass ich die Onlinewelt nicht liebe, hab ja selber einen Blog und bin Digital Native)
04.10.2009 um 19:40 Uhr
finds auch intressant, wie es ohne handy war.
wenn man sich heute wo trifft, zB auf nem platz, ruft man an wo er genau steht und trifft sich wenns zu geht, was hat man früher gemacht als man nur zu hause telefonieren konnte? ^^
04.10.2009 um 20:14 Uhr
Ich sehe das Internet eingebettet in den technischen Fortschritt und die Modernisierung, die zumindest in den letzten grob 500 Jahren relativ stetig verlief – will heißen, es gibt eben immer mehr und immer bessere Techniken, die uns produktiver machen bzw. Zeit sparen. Das Internet ist eine dieser technischen Verbesserungen unter vielen. Kulturell änderen sich vor allem die Möglichkeiten, das Leben zu gestalten und damit auch der Anspruch an das Leben. Spannend finde ich dabei, dass die neuen Technologien uns einmal dabei helfen produktiver zu sein (also mehr Brötchen in der Stunde zu verdienen), auf der anderen Seite wieder Begehrlichkeiten wecken (ich will nicht nur Brötchen, sondern auch ein iphone).
Relativ gesehen – also das Erreichte im Verhältnis zum Erreichbaren – ist der durchschnittliche Mensch so wahrscheinlich kaum besser dran als vor 50 Jahren. ;)
05.10.2009 um 00:10 Uhr
Vielleicht ein wenig passend mein Blogartikel über eine heutige Welt ohne Internet – so als Gedankenspiel: http://www.robertlender.info/blog/archives/2838-Ein-Tag
05.10.2009 um 20:32 Uhr
Wir hatten Trends, die zum Kult wurden und dann zu Bewegungen, wir haben unsere Freunde und Bekannten besucht ohne vorher anzurufen, Schallplatten aufgelegt, uns an Bushaltestellen getroffen.
Wir hatten unseren Summer Of Love und triste stürmische Winter, in denen wir gemalt und gedichtet haben. Und wir haben Bücher gelesen, nächtelang in Kneipen diskutiert oder im Garten Tee getrunken.
Wir hatten die Mauer, je nach Wohnlage auch mal mehr als drei Fernsehsender und die Bild war noch unser erklärter Feind.
Wir haben Flugblätter, Fanzines und Bücher selbst gemacht, mit Schreibmaschine und Rubbelbuchstaben. Wir kannten viele Menschen in unser Stadt und kaum welche aus anderen Städen – und wenn, dann waren die nicht so weit entfernt.
06.10.2009 um 10:59 Uhr
Vielleicht auch ganz passend Herm @Niggemeier mit „Im Würgegriff des Internets“ http://www.stefan-niggemeier.de/blog/im-wuergegriff-des-internets/ Ist zwar nicht so sehr auf der personellen Ebene, beschreibt aber überlustig welche Bereich so aussterben mit netz.
08.10.2009 um 00:13 Uhr
Mir geht die Frage auch andauernd durch den Sinn. In alten Filmen, bei denen der große Chef das echte Cheftelefon auf dem Tisch hat. Oder bei Geschichten, in denen sich jemand irgendwo verlaufen hat. Oder wenn heimlich Liebende keine Möglichkeit gefunden haben, sich am Abend noch eine gute Nacht zu wünschen: Romeo und Julia mit Handy, was wäre das für eine Geschichte?
Der Communicator von Captain Kirk & Co war damals so was von Science-Fiction. Aber wer in den 80ern geboren wurde, kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie alleine schon so eine kurze „Telefon-Sequenz“ in dieser komischen Weltraumserie zu Inspirationen angeregt hat…
08.10.2009 um 15:54 Uhr
„Frueher“ hat man sich halt fuer einen festen Termin an einem festen Platz verabredet und war dann halt puenktlich zu dem Zeitpunkt an dem Platz. Was soll daran schwierig sein?
Heute kommt man halt wenn man Lust hat und ruft ein paar Minuten vorher an dass man es nicht schafft und ob man sich nicht in einer Stunde woanders treffen will. Ob das nun unbedingt so viel Fortschritt ist weiss ich nicht.
11.10.2009 um 20:38 Uhr
Ganz interessant finde ich diese kleinen Bücher, in denen Rechnungen drin stehen, in denen man beispielsweise 888*77 nachschlug, bevor es Taschenrechner und Google gab.
Auch interessant finde ich die Karteikarten in Büchereien, in denen drin stand, wer was wann wo ausgeliehen hat, und auch, welches Buch von welchem Autor wo steht. In Zeiten von Datenbanken und Suchfunktionen undenkbar, dass man noch etwas – tasächlich – nachschlägt.
12.10.2009 um 11:59 Uhr
Internet ist ja nur ein kleiner Teil des Wandels, der durch Technik beschleunigt wird.
Die Verbreitung des elektrischen Stroms, des Automobils, der preiswerten Bücher und anderer Medien, der Medizin, demokratischer Staatsformen hat insgesamt mehr verändert (und in vielen Teilen der Welt auch radikaler) als das Internet. Es gibt darüber Aufzeichnungen zur Alltagskultur und auch in „Heimat“-Museen findet man einiges dazu.
Das Lebensgefühl lässt sich jedoch kaum konservieren und an zukünftige Generationen übermitteln, uns fehlt die gemeinsame Sprache, da Wörter ja auch einem Wandel unterliegen. Wer seinen eigenen (oder anderer Leute) Kindern zuhört, wird das merken: sie leben in einer ganz anderen Welt, selbst wenn sie den (namentlich) gleichen Beruf ergreifen, in der (namentlich) gleichen Region leben usw. usf.
Wer älter ist, gerät schneller in die Falle, nicht richtig zuzuhören, weil vermeintlich altbekannte Wörter bestimmte Assoziationen auslösen, die aus der Erfahrung gespeist werden.
Die Lösung wäre also für mich, nicht den Wandel nur dokumentieren zu wollen, sondern ihn sich selbst bewusst zu machen durch aktives Zuhören. Die Geschichtsschreibung kehrt sich also um, die Älteren lernen von den Jüngeren, was war und wie es sich ändert.
16.10.2009 um 15:24 Uhr
Ich bin Baujahr 1984 und habe beides kennengelernt.
Und ich will das Internt nicht mehr missen. Sehr viele sachen sind doch daruch viel einfacher. Von der Komonikation bis hin zu Hilfestellung bietet das Internet doch schon eine ganze Bandbreite an.
Und da kommt noch viel mehr wir sind erst am Anfang!!!!!!
22.10.2009 um 10:56 Uhr
Hier auch noch der Cracked-Photoshop-Contest „If the Internet would dissapear tommorow“ http://www.cracked.com/photoshop_90_the-world-tomorrow-if-internet-disappeared-today/
30.10.2009 um 04:50 Uhr
Also ich stell mir das so vor…
Die sind früher in ihren Häuschen gesessen, haben gehofft, dass der Blitz und Donner und überhaupt der Sturm bald aufhört, weils das ganze Haus mitreißen könnt und nebenbei habens etwas Radio gehört im dunkeln, weil Strom hattens ja nur für das Radio, aber nicht fürs Licht.
Klingt logisch? lol :-)
31.10.2009 um 17:39 Uhr
Na ja, das Internet war zu Beginn auch noch nicht was es heute ist. Wenn ich an meine erste Versuche denke über Modem einzuloggen und bei manch tollen Seiten mit viel Grafik auch mal 1-3 Minuten zu warten bis sich die Startseite aufgebaut hat … Aber dank DSL sind die Zeiten zumindest für viele im Lande ja wohl auch vorbei und es werden viele Informationen, Dateien und Videos online präsentiert.
Weniger gut finde ich allerdings heutzutage das dank Twitter, Blogs und anderen interaktiven Medien wird sehr viel Blablabla und Halbwissen verbreitet. Die Qualität in dieser Informationsflut heraus zu filtern ist dadurch im Internet die heutige Herausforderung. Auf der Suche nach kompetenten und wertvollen Informationen verschwenden viele Surfer heutzutage wertvolle Freizeit die sie sinnvoller vergeuden könnten.
In vielen Bereichen ist eine Qualifikation erforderlich, nur im Internet darf jeder (fast) alles machen und sagen. Eigentlich auch ziemlich komisch und manchmal sogar bedenklich.
18.08.2010 um 06:32 Uhr
Ich kenne viele Leute, die heute noch bestens ohne Internet auskommen, meist die Generation meiner Eltern, Leute ab 50 aufwärts, Künstler, Handwerker, Ladeninhaber, etc.
Und mir wird vor Augen geführt, welch beschauliches Leben diese Leutchen haben, wieviel Zeit sie in der Natur verbringen und dies ganz ohne Informations-Overkill.
Man spart zwar viel Zeit und Geld mit dem Internet ein, aber vertrödelt oftmals auch mehr Zeit vor dem Monitor als einem lieb ist…