Vorwort zum Stichwort „Terrorwahn“:
Anlass und Reaktion

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Suleman ist Experte in „Viral Terror“ und „Social Terror“, Angehöriger zahlreicher Terrororganisationen und Träger zahlreicher Preise, angefangen bei „die goldene Panzerfaust“ bis hin zu „Flugschein-Fälscher des Jahres“.

Suleman, stelle Dich bitte unseren Lesern vor:
Ich lebe in den Bergen, bin begeisterter Internetnutzer, jüdischer Abstammung und homosexuell, damit das gleich mal geklärt ist. Außerdem bin ich Afrikaner mit humanistischer Ausbildung.

Suleman, followst Du Usama – dem Usama – auf Twitter?
Ja, aber ich weiß leider nicht, ob der Account echt ist, leider.

Wie wurdest Du zum Terroristen?
Ich habe ein Video auf YouTube gesehen, die darin geschilderten Karrierechancen und spannenden Tätigkeiten haben mich gereizt. Genauer gesagt bin ich Social Media Beauftragter der Vereinigten Terrorkommandos. Daher übrigens auch die oben vorgelebte Transparenz, die im Netz so wichtig ist.

Was heißt das genau?
Das weiß ich manchmal auch nicht so genau, was es heißt. Wir wissen nur, dass über unsere Marke im Netz sehr viel gesprochen wurde und wird. Experten haben uns gesagt, dass wir auf herkömmlichen Wegen die Kontrolle über unsere Marke auf Dauer verlieren werden. Daher haben wir uns entschlossen, Teil der Gespräche zu werden. Wir haben zuerst gut zugehört und sind dann erst aktiv eingestiegen. Es ist unerwartet zu einem Knochenjob geworden.

Warum?
Die Leute draußen scheren sich einen Dreck um unsere Organisation. So fragen sie mich beispielsweise am Sonntag Abend, warum ihre Rekrutierungsanfragen unbeantwortet bleiben. Ich hab da schon zig mal auf TerrorSatisfaction (eine eigene CopyCat von Getsatisfaction) hingewiesen, dass man sich bitte an die richtige Rekrutierungsadresse wenden möge. Nur, den Leuten ist das egal, weil sie sich lieber an mich wenden. Social Media heißt 24/7 rund um die Uhr Betreuung. Aber es macht ja auch Spaß. So haben wir auf unserer Terrornomics-Seite (Anm. der Redaktion: abgeleitet aus Wikinomics) eine Aktion am Laufen, die beste TerrorMob-Aktion des Jahres zu küren. Da kommen eine Unmenge an Videos zusammen. Die zu sichten und in der Jury zu besprechen ist richtiggehend klasse. Man ahnt ja gar nicht, wie kreativ die Leute sind. Wir versuchen das dabei fair zu bewerten, nach Leichen-Counts, Schreck-Baiting Potential und PR-Trächtigkeit.

Hört sich spannend an. Kamen Dir dabei schon mal Zweifel?
Ja sicher hatte ich Zweifel. Die habe ich andauernd. Als Social Media Beauftragter ist es nicht leicht, alle Interessen der Organisation unter einen Hut zu bringen. Zudem mischen sich manche Chefs zu sehr in meine Tätigkeit ein. Mal passt ihnen das nicht, mal jenes nicht. Sie haben immer Angst um ihren schlechten Ruf. Außerdem ist es schwierig, die Aktionen so zu steuern, dass sie im Netz Verbreitung finden. Wir fahren da auf einem hohen Level, Abweichungen beschädigen nur zu schnell unsere Brand Reputation.

Ah, ok, wie überwacht ihr das?
Wir haben einerseits ein gutes Terror-Monitoring auf die Beine gestellt. Sollte mal etwas aus dem Ruder laufen, z.B. ein uns fremder Wettbewerber den Anschlag für sich in Anspruch nehmen, damit eine Terrormarkenverletzung begehen, treten unsere Terrujisten auf den Plan und erledigen das schnell. Zudem haben wir einen TOI aufgestellt, der uns sagt, wie gut wir sind.

TOI?
Terror of Invest, ganz einfach. Wir messen die Anzahl der Reaktionen. Darunter fallen Verschärfungen der Sicherheitskontrollen, Gesetzesänderungen und TV Auftritte in den wichtigsten Exportländern (EU und USA vorneweg). Wir sind heute in der Lage, unsere Maßnahmen dank Social Media viel besser zu stützen als zuvor. Zudem hören wir auf das Feedback genauer hin, laden die Anhänger und Fans zum Dialog ein, binden sie bei den Planungen viel früher ein und setzen auch mittlerweile auf terror generated content. Wir sind im Moment dabei, den TOI um den TWI zu erweitern, der etwas besser unseren Strategien Rechnung trägt. Steht für „Terror Wahn Index“.

Suleman, das hört sich richtig … hm.. interessant an, danke für das Gespräch!

Lachen tötet die Furcht und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben. Wer keine Furcht mehr vor dem Teufel hat, braucht keinen Gott mehr… dann können wir auch über Gott lachen.“ – aus „Der Name der Rose“ von Umberto Eco / Wikiquote

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