Die Werbung kennen fast alle Deutschen. Kein Wunder. Und so manch einer denkt sich „WTF, schon wieder, ich kann es nicht mehr hören“. Carglass repariiiiert, Carglass tauuuuscht aus :))

Das war auch schon der Anlass, einfach nachzufragen, ob man sich nicht vorstellen könne, Blogger hinter die Kulissen des Slogans bzw. der Firma schauen zu lassen. Konnte man. Und so fanden wir uns vor Ort in einer Servicestelle in Düsseldorf ein. Premiere! Wie, Premiere? Na, Carglass hatte noch nie Besuch von Bloggern. So waren wir – Jens Wilde, Bjoern Habegger, Marco Stoehr (zwei weitere fielen wegen Krankheit aus) – sozusagen die Icebreaker!

Die Fotos dazu findet Ihr im Carglass-Album.

carglass
Ihr seht uns mitten in der Werkstatt, wie uns der Chef-Ausbilder in die Tiefen der Scheibenwelt eintauchen lässt. Der kommt grundsympathisch rüber übrigens. Obwohl er Chef-Ausbilder ist und man eigentlich einen Schleifer erwarten würde. Ihn lernen alle neuen Mitarbeiter kennen. Auch interne Mitarbeiter, die nicht in den Werkstätten an der Front arbeiten. Alle durchlaufen einen fünfwöchigen Lehrgang. Eine Woche in der Zentrale, vier Wochen vor Ort in je zwei unterschiedlichen Werrkstätten.

Carglass
Was wir vor Ort beim Besuch gemacht haben? Zugesehen, wie Scheiben zu Bruch gehen :) Hierzu musste der Geschäftswagen vom Ausbilder als Demonstrationsobjekt herhalten. Er nahm sich des Bruchs selbst an und demolierte zunächst die Scheibe an zwei Stellen. Und genau das, was Ihr in der Werbung seht, passierte daraufhin. Das Säubern der Bruchstelle, das Aufsetzen „der Maschine“, das Reinpumpen des Harzes und das anschließende Feinarbeiten.

Was ich nicht wusste
Am Ende konnte man mit bloßen Auge die lädierte Stelle nicht mehr erkennen. Von innen schon eher, wenn man genau gegen das Licht sah. So ganz bekommt man den Bruch optisch eh nie weg. Da Harz eine andere Lichtbrechung als die Scheibe hat. Was ich nicht wusste: Es dient primär zum Stabilisieren der Scheibe, damit das Teil nicht auseinanderbricht. Vorwiegend im Sommer, wenn die Folie – die in die Scheibe eingearbeitet ist – sich ausdehnt. Und dem Glas den Rest an Überspannung verleiht. Nicht etwa im Winter. Nope. Dachte ich nämlich.

Was ich auch nicht wusste. Diese Mistdinger gibt es in unzähligen Varianten. Auch pro Automodell. So kennt das eigene Wissenshandbuch der Carglasser über 24.000 verschiedene Scheiben (wenn ich mich richtig entsinne). Super eklig ist das Ausbauen der Seitenfenster. Da in modernen PKWs die Seitentüren mit Technik vollgeknallt sind. So ist es komplizierter, eine Seitenscheibe auszuwechseln denn die Frontscheibe!

Weltmeister bei Carglass
im zweiten Durchlauf musste ein Weltmeister ran. Ne, ehrlich. Die Carglasser sind in über 50 Ländern vertreten und lassen je Land die Besten zu einer Weltmeisterschaft ran. In unserer Servicewerkstatt war der Weltmeister von 2006 da. Nix mehrmalig, da kein Champion wieder antreten darf. Ich schlug prompt vor, man möge doch eine Champions League starten. Wie auch immer, der Kerle arbeitet in einem aberwitzigen Tempo. Was aber nicht so faszinierend war wie seine Bewegungen dabei. Ihr habt das sicher schon mal erlebt, wenn jemand Meister seines Fachs ist? Die Bewegungen sehen alle irgendwie fließend und traumwandlerisch sicher aus. Egal, ob der Kerle die vorbereitenden Werkzeuge aufs Auto legte, die Elektronik innen ausbaute oder die Scheibe im Handumdrehen via Drahtschneider entfernte. Absolut faszinierend, wenn man für sowas einen Blick hat!

Die Werbung
Vorher – bevor wir am glasigen Objekt mitschauen durften – hatte uns wunschgemäß ein Marketing-Mitarbeiter in die Geheimnisse der Carglass-Werbung eingeweiht. Eigentlich simpel: In allen Ländern läuft die nahezu gleiche Werbung. Im TV, im Radio und im Internet. Kein Print. Keine Print-Werbung? Kein Print! Die Darsteller – die sich an die Scheiben ranmachen – sind stets Mitarbeiter von Carglass. Ohne Ausnahme. Neuerdings experimentiert man mit regionalen Dialekten. Was Carglass eine noch größere Wahrnehmung beschert (so z.B. in Bayern). Oder man wandelt die TV-Werbung für USA leicht gegenüber den Franzosen ab: Während der Franzose als Kunde ganz zart auf die Scheibe „haut“, knallt der Amerikaner mit voller Wucht die Faust aufs Glas.

Bekanntheit
Der Slogan selbst hat schon historischen Wert, so alt ist das Sprüchlein. Seit 2008 ist Carglass im Radio zu hören und seit 2009 im TV zu sehen. Die Bekanntheit und auch die Quote der Kunden, die im Schadensfall zuerst an Carglass denken, ist erstaunlich hoch. Das war nicht immer so. Nur via Radiowerbung kennt der Kunde zwar Carglass, aber er denkt nicht unbedingt zuerst an Carglass, wenn es soweit ist. Das hat sich erst mittels der TV Werbung angeglichen. Der Grund, warum Carglass ständig wirbt? Der Kunde braucht den Dienst eben nur dann, wenn es mal soweit ist. Sonst eben nie. Irre einfache Logik, oder? Eben, simpel ist die Welt.

So gehört Carglass neben den eigentlichen Konzerngiganten mit einem dazu vergleichsweise schlappen Werbebudget von 68 Mio Euro zu den bekanntesten Unternehmen Deutschlands. Und man ist sich dessen bewusst, dass die Werbung zwar penetrant ist, aber auch zugleich penetriert. Und damit den Geschäftserfolg gegenüber den Konkurrenten überhaupt erklärt.

Wenn man nicht auf Werbefuzzis hört
Ungewöhnlich war und ist – wovon zu Beginn alle Experten und Werbeagenturen vehement abrieten – diese ewig vielen Informationen in der Werbung in 60 Sekunden einzupacken. Erstaunlicherweise hatten die Experten Unrecht und Carglass setzte den Dickkopf durch. Damals natürlich, bevor es mit der Werbung losging. Die Werbung war ein voller Erfolg. Die Kunden behalten sich weitaus mehr, als angenommen nur „one message one spot“.

Die Art von Carglass
Was mir am meisten auffiel? Carglass war herzerfrischend bodenständig. Sowohl die Pressevertreterin, der Marketingmitarbeiter, die Social Media Mitarbeiterin, der Ausbilder, die Werkstatt- und Servicemitarbeiter. Keine Buzzwords, kein Getue, kein Gehabe, stattdessen mittelständische Bodenständigkeit. Fragen nach „wissen sie nicht, dass mich ihre Werbung nervt“ wurden ebenso direkt beantwortet, wie auch auf die Penetranz der Werbung eingegangen wurde oder Fragen rund um die höheren Margen (das drolligste war: Es gab nicht nur einen Kunden , der sich über die Werbung im Radio beschwerte. „Er“ meinte, dass er das seit Wochen nun schon täglich hört. Doch, doch! Aber? Die Werbung pausierte schon seit drei Monaten!).

Kritik an Carglass
Ebenso nahm man die Kritik der Autobild relativ entspannt auf. Wir kamen drauf, weil Bjoern nachhakte, was da eigentlich los sei. Obwohl man sich darüber ärgerte, dass so vieles im Argen im Artikel liegen würde, erklärten die uns ohne Weiteres, was Sache ist. Komisch war: Kein einziger Autobild-Journalist hatte bei Carglass angerufen. Weder vorher noch nachher. Um sich mal schlau zu machen, wie es wirklich aus Sicht von Carglass aussieht.

Aber wie ist es nun wirklich? Zunächst einmal hat Autobild dieses Bild als Argumentationsgrundlage gewählt. Es zeigt mittels der gelben Fläche – böse! – den Bereich an, der zu einem gesetzlich auferlegten Austausch der Frontscheibe führt. Wie man sieht, ein sehr großer Bereich. Ergo? Austausch immer, Reparatur nimmer! Den Kunden werde in der Werbung vorgegaukelt, dass Carglass alles reparieren würde, was nicht niet und nagelfest sei. Bei einem Austausch muss der Kunde aber den Selbstbehalt der Teil/Vollkasko latzen. Bei einer Reparatur muss er nüscht blechen. Doch halten wir mal das Bild von Carglass entgegen
Autobild vs Carglass
Der rosane Bereich ist hier der böse Bereich. Ungleich kleiner als bei Autobild. Wer hat nun was verzerrt? Bjoern ist dabei, die Bilder genauer zu vergleichen, Ihr werdet mehr dazu von ihm hören.

Was meint Carglass per se dazu? Sie sagen, dass sie mit den Versicherern klare Absprachen getroffen haben, damit die Versicherungen nicht mehr als nötig für die Glasschäden an Carglass zahlen müssen. Und zum eigenen Leidwesen für den Finanzchef sind die Mitarbeiter überaus pingelig, was den Austausch angeht. Wenn man es reparieren kann, macht man es eben. Was den Umsatz und die Marge senkt. Wenn es nicht geht (Kunde will es so, Gesetz will es so, Risiko zu groß), tauscht man eben aus. So Carglass. Zudem sei man durchaus stolz auf den hohen Net Promoter Score („Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen/Marke X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“). Wer Kunden regelmäßig schröpft und hinters Licht führt, hat einen hohen NPS? Kaum hinzubekommen ;)

Fazit
Soweit so gut. Mir hat der Besuch Laune gemacht. Klasse entspannte Atmo, lockere Mitarbeiter, völlig unverkrampft. Böse und nervig sieht anders aus. Meine Empfehlung ist ganz klar: Liebe Blogger, besucht mal die Carglasser! Frau Mehlitz von der PR hat nichts dagegen (das war die Dame, die ich kontaktiert hatte, um ein Treffen auszumachen).

So, und nun liest Bjoerns Beitrag, der sich mit der Kritik an Carglass genauer auseinandersetzt. Mich selbst hat das wenig gejuckt, sondern ich war interessiert an der Firma hinter dem Slogan und was die Firma ausmacht. Bjoern ist und war btw einer derer, dem die Werbung voll auf den Senkel geht ;) Ob sie ihm jetzt nach dem Besuch immer noch auf die Nerven geht? Mir selbst gefiel die Werbung schon immer. War aber von uns Vier der Einzige bei einer Spontanumfrage:))

Und anbei auch der Beitrag von Marco Stoehr:
Carglass – Gratwanderung zwischen Top-Service und nervender Werbung