Ich nehme die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zum Anlass, um auf die Frage einzugehen, warum eigentlich Ausländer in Deutschland kein Wahlrecht haben? Wie sieht es zur Zeit in Deutschland mit dem Ausländerwahlrecht aus?

Betrachtet man die Wahlergebnisse zu Gunsten der Grünen, fragt man sich, ob das Wahlrecht die Klugheit und Voraussicht des Wählers berücksichtigt, nämlich inwiefern sie in der Lage sind, kurzfristige Ereignisse vor der Wahl – hier Japan – ins langfristige Kalkül zu ziehen. Dies ist der Anlass, warum ich mich mit dem Ausländerwahlrecht beschäftige. Denn es gibt kein Ausländerwahlrecht, da bestimmte Grundhaltungen dafür verantwortlich sind. Die man ebenso auf das Ergebnis der jetzigen Landtagswahlen gedanklich übertragen könnte, warum Menschen das Wahlrecht per se vorenthalten wird.

Ein Blick in das Gesetz besagt, dass laut Artikel 38 des Grundgesetzes und laut §13 des Bundeswahlgesetzes die Staatszugehörigkeit Deutsch und das Mindestalter 18 nebst weiteren Bedingungen notwendig sind, um das Wahlrecht auf Bundesebene zu genießen. Ähnlich verhält es sich mit dem Wahlrecht auf Landes- und Kommunalebene. So zum Beispiel im Landeswahlgesetz „§2 Wahlrecht„. Auch hier gilt, das „Ausländer“ nicht mitwählen dürfen.

Alle Ausländer dürfen nicht wählen? Falsch, seit 1992 ist im Vertrag von Maastricht das Kommunalwahlrecht für alle EU-Bürger verankert. Durch die Einführung der Unionsbürgerschaft wurde u.a. das passive und aktive Wahlrecht auf Kommunalebene verankert. Sprich, „Ausländer“ dürfen sich tatsächlich wählen lassen und wählen. Was war eigentlich der Grund? Im gesamten Kontext ging es um den Integrationsgedanken. Der in dem Falle natürlich auf zwischenstaatlicher Ebene vereinbart wurde.

Wie sieht es aber mit dem generellen Wahlrecht für alle Ausländer aus? Interessant ist hierbei ein Artikel der konservativen Friedrich Ebert Stiftung. Überschrift: „Das kommunale Ausländerwahlrecht im europäischen Vergleich“ (2008, Bonn – im Rahmen der Konferenz „Politische Partizipation von Einwanderern“). Ich zitiere:

Die mangelnde Möglichkeit der politischen Partizipation eines immer größeren Bevölkerungsteils stellt auf die Dauer einvernst zu nehmendes Problem für die Demokratie dar. Der dauerhafte Ausschluss eines Teils der Gesellschaft vom politischenvEntscheidungsprozess verletzt das demokratische Prinzip des quod omnes tangit, ab vomnibus approbetur („Was alle betrifft, bedarf der Zustimmung aller”) und hat nicht nur negative Konsequenzen für jenen Teil der Bevölkerung, der von der politischen Partizipation ausgeschlossen bleibt, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes.

In vielen Städten und Gemeinden hat der Ausschluss der Migranten von der politischen Partizipation und Repräsentation mittlerweile ein für die politische Legitimität der Bezirksund Gemeindevertretungen bedrohliches Ausmaß erreicht.

Ich schließe mich dem Autor vom Grundgedanken an. Wer als Teil einer demokratischen Gesellschaft Rechte und Pflichten (so z.B. die Pflicht auf Abgabe von Steuern- und Sozialabgaben zur Aufrechterhaltung des gesamten Staates) hat, jedoch in einem wesentlichen Teil – seinem nicht existenten Bürgerrecht, eben dem Wahlrecht – beschnitten wird, wird stets als Bürger zweiter Klasse wahrgenommen und behandelt. Man darf mitleben, seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten, aber nicht politisch mitbestimmen, noch wird er politisch hinreichend vertreten. Der Grundsatz „quod omnes tangit, ab vomnibus approbetur“ ist entscheidend für mich. Eine Integration und zunehmende, partizipative Ausgestaltung befruchten sich gegenseitig. Ich möchte aus diesem Grunde gar nicht so sehr auf weitere Argumente Pro/Contra eingehen. Der Grundsatz „was alle betrifft, erfordert die Zustimmung aller“ ist für mich wesentlich.

Zitat:

Auch wenn auf politischer Ebene vielfach die Ansicht vertreten wird, dass eine erfolgreiche Integration v.a. von der „Integrationsbereitschaft“ der Zuwanderer abhänge, herrscht unter den Experten weitgehende Übereinstimmung darüber, dass die Einführung von gezielten Maßnahmen zur besseren Integration zu den zentralen Aufgaben der jeweiligen Aufnahmeländer gehört. Sie sind es, die die entsprechenden Rahmenbedingungen und Partizipationsmöglichkeiten schaffen müssen, während die Zuwanderer im Integrationsprozess in erster Linie individuelle Anstrengungen zu leisten haben.

Kommen wir zur Frage, wie viele Ausländer in Deutschland leben und wie lange sie sich in Deutschland aufhalten? Hierzu eine Statistik vom Bundesinnenministerium (Stand 31.12.2007). In Deutschland leben rund 6,7 Mio Ausländer, davon 2,3 aus EU-Staaten, 4,4 Mio aus Non-EU Ländern. Rund 64% leben seit über 10 Jahren in Deutschland, 35% seit über 20 Jahren.

Ergo? Legt man diese Daten zu Grunde, sind 4,4 Mio Ausländer vom Wahlrecht ausgenommen, leben abseits des politischen, demokratischen Systems, im Sinne der mitbestimmenden Partizipation. Und fast 3 Mio halten sich schon seit über 10 Jahren in Deutschland auf.

Zahlen alleine besagen bei der Grundhaltung „Ausländerwahlrecht“ zunächst einmal nichts. Letztlich aber doch. Im Grunde genommen steht der Gedanke dahinter, ob fremde Kulturkreise das Ausgestaltungsrecht der Deutschen spürbar negativ beeinflussen würden. Gesteht man ihnen das Wahlrecht zu. Ob nun auf niedrigster oder höchster Ebene (Bund). Hierzu möchte ich auf den o.g. Aufsatz der Friedrich Ebert Stiftung verweisen, der auf Beispiele in Holland und skandinavischen Ländern etwas ausführlicher eingeht. Diese Angst ist in meinen Augen unbegründet. Und schadet der Integrationsfrage mehr, denn dass sie nutzt. Auch – und das hatte ich ganz oben angedeutet – würden besondere Interessen dieser ausländischen Kulturkreise nicht zu unvorhergesehenen Wahlergebnissen führen? Offensichtlich akzeptieren Demokraten unvorhergesehene Ereignisse dergestalt (hier: Japan und die Grünen), ohne auch nur ansatzweise das Wahlrecht der deutschen Bürger in Frage zu stellen. Warum wird dieses Haltung dann aber nicht auf Ausländer übertragen?

Ergo? Wer Ausländern das Wahlrecht nicht zugesteht, kann nicht hinreichend über Integrationsfragen sinnieren, solange man diese Bevölkerungsgruppe bewusst zu politischen Bürgern zweiter Klasse degradiert. Vergleicht man das heutige Wahlrecht mit dem alten Dreiklassenwahlrechts Preussens, sehe ich keine großen Unterschiede in der Rückständigkeit der Wahlrechte.