nachdem ich aberdutzende von Beiträgen zu dem Thema Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass ich keinen einzigen Beitrag in der klassischen Presse vorgefunden habe, der des Themas würdig genug wäre. Alle Beiträge – ob Spon, Golem, Zeit, etcpp – behandeln die Thematik mehr als nur oberflächlich. Teilweise wird auch Zeugs verfasst, das die Sachlage nicht richtig widerspiegelt.

Warum ich mir von der Presse mehr erwartet habe?
1. Sie verfügt – bei vorliegender Größe – über ein ausgezeichnetes Kontaktnetzwerk auch zu anerkannten Experten. Als potentieller Anker- und Orientierungspunkt eine wichtige Funktion!
2. Das viele Hin und Her zeugt von größter Unsicherheit der zahlreichen Netzpublizisten (Blogger, Forenbetreiber, Leser, Aktivisten jeglicher Coleur). Genau an dieser Stelle wäre ein etabliertes Presseorgan geeignet, die verschiedenen Sachlagen und Diskussionspunkte aufzuzeigen.
3. Thematisch bietet so ein zunächst furztrocken anumutendes Thema wie JMStV genug inhaltlichen Breitenstoff. Angefangen von der Herkunft der Novelle (Gewaltthema) über Jugenderziehung und regulativen Auswirkungen auf das Netzleben bis hin zu handwerklichen Problematiken der Legislative und der meinungsbedrohlichen Angst vor Abmahnanwälten. Gedanken der Staatssekretäre und Politiker einzuholen ist der Presse ein Leichteres denn Bloggern. Auch politische Grundhaltungen und Strömungen aufzuzeigen wurden an dieser Stelle imho völlig verfehlt. Wer sind die Entscheidungsträger, was ist en vogue, wer möchte was, wer paktiert mit wem, welche Rolle spielt die Wirtschaft?
4. Ein roll-on-publishing wäre für die Presse ein geeignetes Verfahren, das Thema nach und nach von verschiedensten Aspekten aus zu beleuchten. Auch in Zusammenarbeit mit Netzaktiven und Entscheidungsträgern. Das Thema selbst – Jugend und Jugendschutz – ist herrlich polarisierend und viefältig bis überkomplex, es sollte für jeden Chefredakteur demnach ein Zuckerschlecken sein.

Es zeigt sich deutlich, dass die Presse zu mehr als dem hektischen und sehr oberflächlichen Zusammenfassen von akuten Sachlagen zur Zeit nicht in der Lage ist, da sie
– sich weder Gedanken über modernes und effizientes digital publishing gemacht haben,
– noch verfügen sie über kollaborative Anlaufstellen, um die unterschiedlichsten Netzuser abzuholen und einzubinden,
– auch um der knappen, eigenen Personalressourcen gerecht zu werden.
– Geschweige scheinen sie eine konkrete Vorstellung zu haben, wie man Themen nach und nach angeht und aufbereitet.

Btw, das heißt nicht, dass ich die alternativen Anlaufstellen im Netz alle über den Klee loben möchte. Erst die Übersicht und das Sichten der verschiedensten Quellen fügt sich zu einem Bild zusammen, dass die Presse locker abhängt. Leider ist das sehr mühselig. Die berichterstattende und informative Qualität der einzelnen Anlaufstellen reicht nicht aus, so bin ich beispielsweise von der Leistung des Blogs „Netzpolitik“ mehr als enttäuscht. Wenige Berichte, wenig informative Substanz, da wäre mehr möglich gewesen, zugleich eine Chance für Netzpolitik im informativen Ansehen zu steigen. Ausgeglichen wird das über die Gesamtmenge an Blog-Artikeln über alle Blogs hinweg.

Schade (bezogen auf die Presse). Da ginge mehr. Oder sehe ich das falsch?