Eine der häufigsten Frage, die mir gestellt wird ist: „Warum bloggst Du?„. Die zweithäufigste Frage ist übrigens „verdient man damit Geld„. Diese Frage bringt mich manchmal auf die Palme, je nach Laune und Stimmung. Aber das bespreche ich ein anderes mal. Also, warum?

Da gibt es nicht den einen Grund, es war auch nicht das gleiche Set an Gründen. Alles zu seiner Zeit. Zu Beginn war es die simple Neugier, ein System zu testen. Das war vor sieben Jahren. Mit Movable Type von Six Apart, dem damals populärsten Blog-System. Zu einer Zeit als es noch keine Publishing-Systeme gab, die in breiter Masse genutzt wurden, einfach zu installieren und bedienen waren, aber auch eine Menge an Addons und Templates mit sich brachten.

Wenn man sich zu einem Teil eines Systems macht, im Sinne eines Experiments, macht man naturgemäß eigene Erfahrungen. Die weit über belanglos anmutende Technik hinaus reichen.

Abstraktion
Die erste Erfahrung war? Ich konnte mich auf fachlicher Ebene – denn so war mein Blog-Inhalt ausgerichtet – mit anderen Fachleuten extrem gut auf einer zunehmend sehr persönlichen Ebene austauschen. Das Tempo der Annäherung war schneller als auf einem Forum. Das Blog diente wie eine Art Katalysator, Menschen zusammen zu bringen. Nun, das muss nicht verwundern, jeder der Fachleute hatte sein Blog-Layout individuell gestaltet, damit einen Ansatzpunkt geboten, das Individuum hinter dem Fachwissen persönlicher zu vermitteln. Wenn man es weiter denkt, erkennt man nichts anderes als die erstaunliche Flexibilität des menschlichen Hirns, Erfahrungen auf Neues zu übertragen. Wir sind in der Lage, uns eine Person abstrahiert aus der Summe des Layouts und der Inhalte vorzustellen.

Ein Blog ist demnach mehr als nur eine bloße Ansammlung von Texten, Formularen und Design-Bestandteilen. Sieht man dahingegen nur den bloßen Inhalt, kommt man nicht weit, das Abstrahierungsvermögen hebt nicht auf das Individuum ab. Ab dieser Stelle kann man einem Außenstehenden schon den Zauber der Bloggerei nicht mehr vermitteln, der über ein geringes Abstraktionsvermögen besitzt. Selbst dann, wenn man gut abstrahieren kann, ist es ohne eigenen Erfahrungen ungemein schwer zu verstehen. Wieso soll das Blog-Layout, die Anordnung der Elemente und der Inhalt zusammen Rückschlüsse auf die Person zulassen und warum wirkt es katalytisch?

Kulturfrage und Verhaltensnormen
Die zweite Erfahrung war, dass man ein Blog zu mehr als einem bloßem fachlichen Austausch nutzen kann. In meiner ersten Blog-Welt gab es eben das Fach-Blog-Universum. Allzu Persönliches blieb außen vor. Das änderte sich in meiner Gruppe der ca. 60 weltweit untereinander vernetzten Blogger. Es begann mit dem Bericht eines der Blogger, der den Tod seines krebskranken Kindes beschrieb. Persönlicher und zugleich öffentlicher ging es nicht. Sollte es demnach möglich sein, einen Teil seiner Persönlichkeit auf privater Ebene offen zu legen? Seine Erfahrungen, Ängste, Glücksmomente? Ja, ist das denn kulturell erlaubt? Darf man das, macht man das, ist das nicht verboten? Es ist faktisch gesehen eine Kulturfrage. Ist es in Deinem Kulturkreis OK, offen für die Öffentlichkeit über Dich zu sprechen? Nur, was ist Dein Kulturkreis? Es gibt mehrere davon. Einer davon ist wie bei mir mit am wichtigsten: Der Kreis, der Dir am nächsten steht. Die Personen, mit denen wir häufiger interagieren. Deren Verhalten und Normen und Vorstellungen uns beeinflussen. Wenn demnach im digitalen Umfeld ein neues Kulturphänomen aufkommt, dass man öffentlich über sich sprechen kann, nimmt man es an oder lässt es sein. Ich habe es angenommen.

Für mich entstanden viele Vorteile daraus: Die Anzahl der Personen, die mir heute nahe stehen, basiert im Wesentlichen auf meiner Blog-Aktivität. Neben den Personen, die man auf üblichen Wegen kennen lernt. Das ging in der Intensität jedoch nur, weil ich mich als Person über das rein Fachliche hinaus gezeigt habe. Bedingt durch die Inhalte und die Art, wie ich die Inhalte formuliere. Ich schreibe, wie ich bin, wie ich denke, was ich will, was ich mag und nicht mag. So haben meine Gegenüber mehr Möglichkeiten gehabt, sich meine Person vorzustellen und an dem anzuknüpfen, was man allgemein als Interesse und Freundschaftsaufbau bezeichnet. Wäre ich ohne Blog durch die Welt gewandert, hätte ich bis heute einen Personenkreis um mich, der hauptsächlich auf das Physisch-Regionale eingeschränkt ist.

Erneut fällt es schwer, Außenstehenden diese Möglichkeit zu vermitteln, da sie aus ihrer Erfahrungswelt heraus Schwierigkeiten haben abzuleiten, dass ein „Haufen Text“ und das bisserl „Links + Kommentare“ in echte zwischenmenschliche Beziehungen führen können. Sie blockieren bereits bei der Vorstellung, dass man via Blog Menschen erfahren kann (Abstraktion). Ganz zu schweigen von der Vorstellung, dass man öffentlich über sich schreibt (Kulturkreis). Nur, wenn man gedanklich blockiert, kann man sich den Schilderungen des Bloggers gegenüber nicht öffnen. Oftmals habe ich das Gefühl, ich komme wie ein Alien herüber. Davon erzählen auc viele andere Blogger, die es Dritten zu erklären versuchen. Man wird nicht verstanden. Wie auch. Immerhin bin ich höflich und versuche die Frage nach dem „Warum“ zu erklären.

Einfach so
Nimmt man beide Erfahrungen zusammen – Blogs zeigen Menschen und man kommt zusammen, wenn man sich öffnet – ist mir das mittlerweile dermaßen zu eigen, dass mir Fragen nach dem „Warum“ umgekehrt wie meine Erklärungen genauso unverständlich erscheinen. Es ist so als würde man mich fragen, warum ich atme oder esse. Ich mache es einfach, weil es ein Teil meines Lebens ist. Es erscheint mir menschlich konform. Tja, das war es schon, warum ich blogge. Es ist mehr ein „wie es dazu kam“ denn ein bloßes „was es mir gebracht hat“. Eine Erfahrung kam zur anderen und das Warum im Sinne eines Vorteils entsteht quasi automatisch daraus.

Zu guter Letzt, es ist uns zu eigen, Dinge eher abzulehnen, die wir nicht kennen. Und wenn wir etwas über sie erfahren, das mit unseren Vorstellungen nicht einhergeht – insbesonders dann wenn es unseren Kulturnormen widerspricht – kann ich die Frage nach dem „Warum“ nicht schlüssig erklären, weil mein Gegenüber komplett blockiert. We are carbon structured beings, sicher nicht das Maß der Schöpfung in der Galaxis. Also ab dafür, ist halb so wild.