ich kann mich weiß Gott nicht mehr an die zahlreichen Aushilfsjobs während meiner Schul- und Studienzeit erinnern, unmöglich das aufzuzählen. Aber an einige Erlebnisse erinnere ich mich gerne zurück.
i can sense it
something important
is about to happen
it’s coming up
So war ich während meinem BWL-Studium natürlich auf Praktikumsuche und war letztendlich bei der Colonia Versicherung und anschließend bei der Hessischen Landesbank („-Thüringen“ wäre etwas schwierig gewesen;) gelandet. Bei der Colonia hatte ich Glück und durfte im Bereich Feuer arbeiten. Der Abteilungsleiter war klasse und er hat mir einiges zu dem Thema beibringen können. Was nicht so dolle war und mir wie bei anderen Aushilfsjobs zuvor aufgefallen war, dass die Mitarbeiter (Sachbearbeiter) so gut wie nie bei der Arbeit lachen. Kein Wunder. Es ist ja Arbeit:) Auf jeden Fall, ich hatte eine Chefsekretärin beim Kopieren kennengelernt und es hatte leicht geknistert. Ich nannte sie Schneewittchen, denn ihr Lachen war über alle Maßen strahlend, fand ich. Wir trafen uns auch außerhalb hin und wieder, auch in der Kantine in der Colonia, was allerdings nicht so geschickt war. Das gefiel einigen Chefs nicht, dass ich statt ihnen mit ihrem Wunderfräulein zusammen saß. Nun muss man wissen, dass ich auch nie der Pünktlichste war und nie den Leuten das Gefühl gab, Sklave meiner Arbeit zu sein (nach dem Motto „its just a job“). So brauchte es lediglich zwei Wochen, bis sich einige Kollegen bei der Personalerien nacheinander über mich beschwerten und sie mich zu sich rief. Ich kann mir nur noch vage an das Gespräch erinnern, aber auf gut Deutsch hat sie mich zur Sau gemacht. Ich wäre hier nicht zum Spaß und blablabla. Also trennten sich unsere Wege. Colonia war von da an als furztrockener Laden von der Liste der potentiellen Arbeitgeber gestrichen.
it takes courage to enjoy it
the hardcore and the gentle
big time sensuality
Einige Zeit später saß ich meine vorgeschriebene Zeit bei der Hessischen Landesbank in der -wie hieß das?- Wertpapier- und Effektenabteilung ab. Ich kann mich nicht mehr so wirklich dran erinnern, was ich da gemacht hatte. Irgendwelche Zettel von A nach B sortiert, Wertpapiere gezählt (schon mal 10-20 Mio DEM runtergezählt? ;) und sonstigen Kram, der mich nicht sonderlich juckte. Aber meine Neugier trieb mich erneut zu dem Mensch hinter der Arbeitsmaske. Etwas, das mir bei allen Jobs die größte Laune gemacht hatte. Meinen liebevollsten Kontakt hatte ich mit einer alten Drachendame, die ihre Mitarbeiter im Kommandoton mehr oder minder dauerbeschrie. Sie fand immer, dass ich sie mit einer Art geistigem Mittelfinger ansah, hatte mich also ständig im Auge, um mich irgendwie wie die anderen zum Stiefellecker umzuerziehen und der oberste Chef musste immer schlichten (er konnte sie ja auch nicht leiden:).
we just met
and i know i’m a bit too intimate
but something is coming up
and we’re both included
An drei Begebenheiten erinnere ich mich bis heute:
1. Es gab einen Mitarbeiter, der packte in besonders stressigen Momenten seine Mundharmonika aus und spielte einige Töne. Leider nicht das Lied vom Tod, mehr Kirchliches. Stell Dir einfach ein Großraumbüro vor, wo rund 100-200 Menschen sitzen, getrennt durch Sichtschutzwände. Orangene Sitzmöbel und insgesamt so ein komischer 70er Jahre Stil. Alle schaffen wie die Bekloppten und irgendwann erschallt eine Mundharmonika. Das ist sooo geil, so surreal, dass ich das nie vergessen werde.
2. Mit einer Kollegin, die kurz vor ihrer Rente stand, verstand ich mich besonders gut. Klar, sie Glucke, ich Küken. Sie brachte mir regelmäßig zum Amüsement meiner mir gegenübersitzenden Kollegin aus Italien einen Kaffee vorbei. Morgens, mittags und nachmittags. Tja, eines Tages stieg ihre Abschiedsparty und ich hatte mir überlegt, wie ich mich wohl bedanken könnte. Also schnappte ich mir eine Kaffeetasse von meiner Mutter. Die wir nicht mehr benötigten, da sie einen Sprung hatte. Ich füllte die Tasse mit Kaffeebohnen bis zum Tassenrand auf, schrieb „für den besten Kaffee, danke“ drauf und umwickelte die Tasse mit Frischhaltefolie. Als ich der Kollegin die Tasse vor den Augen der versammelten Mannschaft übergab, betrachtete sie die Tasse eine Weile, Totenstille, die Augen füllten sich mit Tränen und sie brach in Weinen aus. Ich war das Riesenarschloch, während die Kolleginnen die erschütterte Dame zu trösten versuchten. Nur eine war schlau genug, um die Folie abzunehmen, die Bohnen zur Seite zu schieben und … den kleinen Kristallhasen zu erblicken, den ich in den Bohnen versteckt hatte. Danach war ich nicht mehr das Riesenarschloch, sondern das lieb Kind der anderen Glucken. Menschen sind crazy:)
3. Das Großraumbüro war von Neonröhren durchleutet, die somit eine Bunkermentalität schufen. Ich wunderte mich daher, warum man immer die Rollos runterließ. Aber war ja nicht meine Sache, mich darum zu kümmern. Bis eines Tages wie aus dem Nichts ein irakischer Kollege -der mir viel von seiner Religion beigebracht hatte- neben meinem Arbeitsplatz auftauchte. Er blickte mich durch seine dicken Brillengläser an, die von einer fast noch dickeren Plastikfassung gehalten wurden, -während seine Augen doppelt so groß erschienen- und trocken meinte „Rooobeerrrt, weißd Du, warum die das machen? Nichd? Die sind Wurmer, die in Scheiße lebbe. Scheißwurmer. Sie lebbe wie Scheißwurmer.“ Und ging mit einer Verachtung im Gesicht von dannen, die ich nie vergessen werde. Sein Gesicht und seine Worte haben sich warum auch immer in mir eingebrannt.
it takes courage to enjoy it
the hardcore and the gentle
big time sensuality
Warum es sich die Menschen bei der Arbeit häufig so schwer machen, kaum lachen, bissig und verbissen sind, alle mit so todernsten Gesichtern schaffen, weiß ich nicht. War mir immer ein Rätsel geblieben. Auch gestern durfte ich erneut diese Erfahrung machen, als das mit Buzzriders bisser rumging. Die meisten Reaktionen sind sowas von bierernst, man müsste meinen, ich würde den Atombombenkoffer mit mir herumschleppen und dabei dauernd den Finger über dem Knopf schweben haben. Ich hatte mal vor einem Jahr sinniert, ob es sich überhaupt lohnt, in Deutschland etwas aufzuziehen. Gerade weil die Menschen so häufig mit einem staatstrauerndem Gesicht herumlaufen. Dabei ist das Leben viel zu kurz, um Trübsal zu blasen. Tja, wenn ich es bisher geschafft habe, meinen Humor durch die rund 39 Jahre in D nicht zu verlieren, werde ich das wohl auch nicht jetzt und auch nicht bis zu dem fernen Zeitpunkt, wo mein Vorhang fällt. Die Sonne scheint, Barry Whites „Love Theme“ läuft gerade, Buzzriders ruckelt sich voran, was auch immer wird, es wird ein neues Abenteuer, es wird mir Laune machen:) *Genieß*
i don’t know my future after this weekend
and i don’t want to
it takes courage to enjoy it
the hardcore and the gentle
big time sensuality
18.02.2009 um 13:29 Uhr
Ich bin schon gespannt, wie ich mich in zwanzig Jahren zurückerinnere. Bin grad kurz vor meinem Diplom, hab schon bissl Praktika und Nebenbei-Arbeit hinter mir und bin gespannt, wie viele so-lala-Jobs ich machen werde, um meinem Traumjob (was auch immer das sein wird) Stück für Stück näher zu kommen. Wird bestimmt einige unspannende Zwischenstationen geben (die es auch schon gab) und Mitarbeiter, die fluchen oder der Scheiße, die mal wieder nicht funktioniert. Aber zumindest unfreundlich war es noch nirgends, wo ich bisher gearbeitet habe, die Kollegen sind meist in Ordnung und lachen geht auch ab und an. Ist auch verdammt wichtig, wie ich finde, dass man auch in den beschissensten Situationen noch ein wenig Humor bewahren kann.
Tut aber prinzipiell auch gut, zu lesen, wie andere verschiedene teils langweilige Sachen getan haben (zumindest klingt deine Sortiererei jetzt nicht soo spannend). Allerdings habe ich die Befürchtung, dass sich viele damit abfinden (bzw. abfinden müssen) und Tag für Tag den gleichen Job machen, auf den sie zwar keinen Bock haben, aber irgendwer muss ja. Naja, solang wenigstens das Umfeld stimmt, lässt es sich bestimmt damit leben. Aber ich bin noch jung, naiv und voller Hoffnung, dass ich mal einen Job finde, mit dem ich rund um glücklich bin. Drifte ich ab? Whatever. Netter Artikel ;)
18.02.2009 um 13:37 Uhr
Ach, Praktika und Aushilfsjobs müssen einem ja nicht unbedingt inhaltlich zusagen, ist an sich völlig egal, wenn man so will. Will man was Inhaltliches lernen, dann würde ich schon drauf achten. Worauf ich aber noch viel mehr achten würde, wie die Menschen in Gruppensituationen ticken und wie die Abläufe sind. Du lernst extrem viel dabei.
18.02.2009 um 14:10 Uhr
deine erfahrungen klingen wie aus der tv-serie stromberg.
ähnliches hatte ich auch in meiner zeitarbeits-zeit während des studiums. ob man sowas nur bemerkt, wenn man nicht „wirklich“ dazugehört, sondern das von innen als doch irgendwie aussenstehender betrachten kann?
würde mich mal interessieren, wie man meinen jetzigen job als aussenstehender beobachten würde, ohne dass ich das merkte…
18.02.2009 um 15:30 Uhr
Warum die Menschen oftmals kaum lachen willst du wissen? Existenzangst?
Was mir von meiner letzten Stelle in Erinnerung geblieben ist…Gelaber von „Trainern“, die mit ihrem Mund theoretisch alles konnten. Ätzende Typen, die theoretisieren wollen, wie etwas in der Realität ablaufen muss.
18.02.2009 um 16:10 Uhr
Ich weiß, warum ich es liebe in einer amerikanischen Firma zu arbeiten. Ich hatte auch mal die Gelegenheit mit einem deutschen Weltkonzern zu vergleichen – tja, das war einfach eine andere Welt …
18.02.2009 um 16:21 Uhr
völlig uninteressante Erinnerungen die aber sehr interessant beschrieben sind…
18.02.2009 um 18:13 Uhr
Und genau darum geht es. UM DEINE LAUNE. Und wenn du einen Blog über australische Krokodile machen würdest.. Solange es dir Spaß macht. Ist alles im Rahmen..
Deutschland analysiert halt zu gerne.. Ich bin ja schon auf die baldige Reaktion meines Projektes gespannt.. ;)
18.02.2009 um 19:29 Uhr
Schon erstaunlich, wie sich manche Momente im Leben, regelrecht einbrennen. Aber warum sehr viele Menschen bei der Arbeit nicht Lachen, eine gute Frage. Mein persönlicher Eindruck ist wirklich der, das viele (Vorgesetzte) es so sehen, das Lachen Spaß bedeutet, Spaß wiederum keine Arbeit usw… Diese Einstellung hat sich wohl gerade in Deutschland sehr bei den Menschen eingeprägt.
Ach ja zu Buzzriders habe ich bewusst noch nichts gesagt, mich aber über die vielen pessimistischen Stimmen durchaus gewundert. Ich will sowas in Aktion sehen, es ausprobieren, nutzen und mir dann ein Urteil bilden. Hast zwar schon ein paar Sachen dazu gesagt (Interview usw.), aber vorstellen kann ich mir es noch nicht. Ich bin gespannt, wie es sich „anfühlt“. Bis dahin, neugierig sein, was daraus wird. :-D
18.02.2009 um 22:09 Uhr
sehr gerne gelesen, nein verschlungen.
das erst, was mir einfiel war ebenso die Existenzangst, wie Caschy bereits erwähnt hatte. Ich erlebe in einem Konzern wie die älteren (ab 40) sich teilweise unsicher sind. Soll ich Abfindung nehmen oder geht der Spuck an mir vorbei? Die, die lachen, sind meistens selbstbewusster, kennen den eigenen Marktwert, haben auch manchmal mehr drauf. So meine Erfahrung.
18.02.2009 um 23:46 Uhr
Die Reaktionen auf Dein neues Projekt waren doch klar. Ist doch einfach typisch. Ich kann mir zwar auch noch nicht ganz vorstellen wie das ganze funktioniert und aussehen wird, das weißt Du ja selbst noch nicht so genau, aber hey, es versucht wenigstens jemand etwas neues.
Ich bin gespannt wie es nach dem der Vorhang auf ist aussehen wird.
Werf den Koffer einfach zu den bierernsten Nöglern rüber, ist doch bestimmt ein Zeitzünder dran ;)
19.02.2009 um 11:23 Uhr
„Man“ ist halt neidisch auf deine exponierte Stellung (und die damit verbundene Möglichkeit, deine Ideen schnell bekannt zu machen). Und wenn dann nicht etwas bahnbrechendes an Idee kommt, sondern stattdessen nur eine Verfeinerung von verschiedenen bestehenden Dingen, kann „man“ halt mal draufhauen – meint „man“.
Ich (selbständig mit 16, heute mit 27 immer noch) kann schon verstehen, was du an D zu kritisieren hast. Da sehne ich mich auch manchmal z.B. in die USA, wo (zwar sicherlich auch nicht alles Gold ist, was glänzt, aber) ich das Gefühl habe, dass man Menschen gratuliert, die „es“ geschafft haben. Und Menschen nicht von oben herab „ich hab’s ja gewusst“ behandelt, wenn sie MAL gescheitert sind. Und wo Humor (zumindest öfter) in den Arbeitsalltag gehört.
Man muss halt auch mal einfach probieren. Und wenn du dir die Freiheit dazu erarbeitet hast, dann tu es auch weiterhin! Lass dich nicht von den „Spießern“ und Neidern runterziehen, „umgib“ dich mit Leuten (jaja, ist schwer zu filtern hier in den weiten Röhren des Internet ;), die bei aller Ernsthaftigkeit das Lachen nicht vergessen haben.
19.02.2009 um 15:29 Uhr
hallo robert, du solltest eine autobiografie schreiben. nicht vor dem hintergrund des narzissmuses, sondern weil du eine nette sicht von außen hast. so kommt es mir jedenfalls vor ;-)
ich würde die biografie lesen und sogar dafür bezahlen!
gruß aus dem verschneiten berlin …
19.02.2009 um 19:56 Uhr
Robert, ein wunderbarer Beitrag!