Mirko Lange hat auf Facebook ein sehr gutes Werk verlinkt, das interessant genug ist, um es sich anzuschauen. Erst anschauen, dann weiterlesen.

Die Schönheit in uns, oder? Man steht auf, wächst, trotz und ob aller Widerstände. Ist dieser Junge nicht ein wahnsinnig super dupi Mensch mit Heiligenschein? Eben. Das Gute gewinnt, das Schlechte wird gezeigt, das Schlechte in anderen. Ne, nicht eben! Klar zeigen wir auch auf, was wir für tolle Menschen und Hechte sind, indem wir Gutes in uns anderen weitergeben. Aber öffentlich aufzeigen, dass wir mitunter und nicht selten durch Schlechtes waten und watscheln, bevor wir überhaupt wirklich wachsen können? Charakter gewinnt sich nicht dadurch, dass man immer nur nett und freundlich ist. Charakter formt sich durch alle Gegebenheiten aus. Auf Blogs? Die guten Erlebnisse zeigt man, die schlechten Erlebnisse auch, indem man altklug und vorwurfsvoll auf Dritte zeigt. Ich auch. Was ist aber mit den Dingen, die man nicht aufzeigt, weil man auf sich selbst zeigen müsste? Die blendet man lieber aus. Ich auch.

Was aber haben Dritte davon, die nicht nachvollziehen können? Wie zieht man aus Erlebnissen und Meinungen etwas heraus, wenn nur für die guten Dinge getrommelt wird, ohne aufzuzeigen, wo man eigentlich selbst herkommt? Glaubt wirklich jemand, dass wäre etwas anderes als die Werbung uns vormacht? Glänze und zeige Deine besten Seiten. Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, dass Du nicht ein heiliger Mensch bist;) Come on… ne, oder?

Jezus, ich sage ja nicht, dass man vor lauter Depri-Bloggerei glänzen soll, das hält keiner auf Dauer aus, so ein Trauerweiden-Blog regelmäßig aufzusuchen. Ich meine vielmehr, dass die komplette Schönheit darin ruht, die miesen und besten Seiten von Dir selbst aufzuzeigen. Lernen wir Menschen nicht auch durch platt gesagt Gut und Böse? Was ist richtiger, was ist falscher? Zeigen wir unseren Kindern immer nur die schönen Seiten des Lebens? Märchenbücher sind keine Realität, das lernen wir als Kinder nur zu schnell. Und lernen auch mit den miesen Seiten in uns und anderen umzugehen.

Wie ich das zu bloggen pflege? Eigentlich easy: Ich rotze es heraus. Wenn mir was auf der Leber liegt. Ich bin nicht nett, noch will ich gefallen, ich politisiere und diplomatisiere nicht auf Teufel komm raus. Ich will auch meine schlechte Seite aufzeigen. Erst dann gebe ich dem Leser die Gelegenheit, sich ein gefühlteres Bild zu machen. Ein Kompletteres. Was sich durchaus auch gegen mich richten wird. Ok, accepted. Wer auf Dauer nur Schönwetterbloggen will, bitteschön. Es wird sich auf Dauer wie ein nettes Dauerwerbeblog um Deine Person lesen. Tolle Gedanken, yeah, tolle Sätze, wow, superduper gesagt, was bist ein toller Hecht, yeah.

Das Video da oben, … glaubt Ihr, dass ich immer nur der nette, liebe tolle Schüler war? Klar habe ich Scheidungskinder in der Grundschule in die Mitte unseren „netten“ Gruppe gestellt, gehänselt, bis das Gegenüber geflennt hat. Klar habe ich es sogar mal geschafft, dass eine Schülerin nie wieder in unser ach so tolles humanistisches Gymnasium zurückkehrte, weil ich ein Mobbingspacko war. Klar komme ich nicht in den Himmel, was meinen Atomteilchen herzlich egal ist. Klar habe ich gelernt, wie deppert wir Menschen zueinander sein können.

Und dennoch können wir zugleich auch die besagten, netten Menschen sein. Ich werde die prägende Offenheit eines bloggenden Vaters nie vergessen, der die lebenserhaltenden Maschinen abstellen ließ, damit seine kleine Tochter nicht mehr leiden muss. Gelitten hatte sie, auch im Sterben. Wie fühlt man sich dann selbst als Vater? Wie kann er nur? Unbeschreiblich. Doch die Offenheit hatte mich umgehauen. Kein einziger, mitfühlender und mitlesender Blogger hatte es gewagt, mit dem Finger auf diesen Vater zu zeigen. Und wenn doch, letztlich muss es jeder mit sich selbst ausmachen, ob andere mit dem Finger auf einen zeigen oder nicht. Man nimmt es mit, es prägt, auch das Bloggen.

Doch eines habe ich gelernt: Man wächst, indem man den Mut und die Stärke entdeckt, auch eigene, unangenehme Seiten zu zeigen. Wem das zu wackelig ist, auch vielleicht, weil man doch nur ein beruflicher Schönwetterschlaublogger ist, der sollte die Finger davon lassen. Es gibt auch andere Wege, anstatt in der Öffentlichkeit seinen eigenen Pranger zu bauen. Wachsen kann man an diversen Stellen, nicht unbedingt übers Bloggen.

Insofern? Ich schmunzle gerne in meiner bösartig-ironischen Art, wenn es mal wieder heißt, wie hach so authentisch „die Blogger“ doch seien. Sind sie es nicht, werden sie auch nie sein. Solange wir glauben, dass Öffentlichkeit zum Glänzen geschaffen wurde, wird es ein Tabu bleiben, hach sooo „authentisch“ zu sein.

Genug Teufelei, nun wieder bisserl Liebe