Zwei Kinder vor mir in der Schlange bezahlen bei der Kassiererin ihre Süßigkeiten. Zwei 10 Cent Stücke sind jedoch so festgeklebt, dass mich die Kassiererin amüsiert anschaut und wir uns Gedanken machen, ob die beiden das absichtlich gemacht haben könnten. Dabei fiel mir ein, dass ich als Kind gerne 10 Pfennig Stücke unter die Straßenbahnschienen gelegt hatte. Die wurden richtig schön groß und platt wie eine Briefmarke :) Die Kassiererin musste lachen, sie hatte nämlich den gleichen Unsinn in ihrer Kindheit getrieben.
Kinder und Unsinn treiben. Wie lange ist das her? 30-40 Jahre ungefähr. Den meisten Unsinn habe ich in der Schule angestellt. So erinnere ich mich an eine herrliche Begebenheit während dem Unterricht. Zu der Zeit war uns bekannt, dass ein Promotion-Transporter mit Süßigkeiten in der Art von Balisto Schulen abfuhr. Unser „Glanz“ erblickte als erster den Promotransporter und man hörte nur ein aufgeregtes Schnauben. Ehe ich es überhaupt begreifen konnte, sprang Glanz auf, riss das Fenster auf – ja doch, im Erdgeschoss – und schwupps war er draußen, dem Wagen hinterherlaufend. Die Lehrerin schrie aus Leibeskräften „Glaaaaaanz“. Das sollte uns aber nicht schrecken, denn der Herdentrieb ist bei Jungs recht ausgeprägt, die Mädchen blieben sitzen, die Jungs sprangen allesamt durch das gleiche Fenster, im besten Stile eines Sondereinsatzkommandos. 15 Navy Seals ohne Bemalung, aber mit dem gleichen Willen gesegnet, Beute zu machen. Diese Meute hetzte zum Schuleingang, da stand die heiße Ware. Die Schreie der Lehrerin hallten wohl durch die ganze Schule, tangierten unser Hörorgan jedoch nicht weiter. Eine Promoterin stieg aus dem Wagen und öffnete eine große Tasche. Doch so nett und süß sie auch schaute, ihre Contenance hielt nicht lange an. Die Wolfsmeute riss ihr nicht nur die Süßigkeiten aus der Hand, sondern grabschte in wilder Gier in die Tasche. Das Gedrängel und Gezerre beunruhigte die Promoterin wohl so sehr, dass sie in sichtlich aufwallender Panik die Tasche fallen ließ, in den Wagen sprang und abdüste. Nachdem wir die Beute erlegt und aufgeteilt hatten, trabten wir gesättigt zum Unterricht zurück. Danach legte sich ein grauer Schleier über meine Erinnerungen.
Wir waren jedoch nicht nur Meister im blitzartigen Unterrichtsausfall, sondern auch im Errichten von Stuhltürmen. Wer auch immer auf die Idee kam, Stühle maximal zu stapeln, es endete stets im lauten Zusammenkrachen des Turms. Ich weiß, eigentlich eine recht sinnlose Tätigkeit außer dem visuellen Frohlocken, doch Kinder denken wenig über Sinn nach. Sinn ist, was Spaß macht. Bis sich wie aus dem Nichts eines Tages ein wutentbrannter Hausmeister vor einem unserer Stuhlturmmeister aufbaute und eine schallende Ohrfeige dem Wettbewerb ein unrühmliches Ende bereitete. Ein Sinneswandel durch äußeren Einfluss, der Spaß konterkariert. Der Begriff Märtyrer war uns schließlich fremd.
Ein gewisser Schalk sitzt mir bis heute im Nacken, der mich gerne an diesen Unsinn aus meiner Kindheit zurückdenken lässt. Der kam nicht nur während der Schulzeit zum Tragen, auch außerhalb der Schule. So kann ich mich noch gut an einen verzweifelten Aufzugtechniker erinnern, der bereits morgens am Aufzug werkelte. Nachmittags, nachdem ich von der Schule zurückkam, stand er immer noch dort und werkelte. Ich war fast geneigt, ihn zu erlösen, verkniff es mir letztlich. Nein, wenn er nicht gestorben nicht, dann.. das nicht. Als Verursacher des Problems kenne ich natürlich die Hintergründe. Mein Aufzug wurde über eine altertümliche Schaltung bedient. Mehrere fette Knöpfe, die man drücken musste. Die Besonderheit an den Knöpfen war der Aufbau. Man musste lediglich einen Wollfaden um das innere Gehäuse des Knopfes wickeln, den Knopf drücken, womit der Faden vom äußeren Knopfgehäuse innenseitig anliegend sozusagen hochgezogen wurde. Ergebnis? In einem Stromkreislauf kann nur dann Strom fließen, wenn der Kreislauf geschlossen ist. Es sei denn, man unterbricht den Kreislauf und lässt Menschen Knöpfe zwecks Überbrückung drücken. Der Überbrückungsvorgang wird vermutlich nicht klappen, wenn ein kleiner, unsichtbarer Wollfaden die Kontaktanbahnung geschickt „einfädelt“. Simpelste Physik. Die dem Aufzugtechniker fremd war, denn konnte er ahnen, dass ein dummer, kleiner Junge an Wollfäden denkt, wenn er Aufzugknöpfe sieht? Endergebnis? Wir hatten eine komplett neue Schaltkonsole bekommen, elektronisch geregelt, Anti-Wollfaden beschichtet :)
Kinder… nette Erinnerungen an Unsinn, und gar nicht mehr so nette Erinnerungen.
17.07.2011 um 10:26 Uhr
;-) Nice
17.07.2011 um 10:42 Uhr
Schöne Sonntags-Story, Robert :) An die Geschichte mit den Münzen und den Schienen kann ich mich auch noch dunkel in meiner eigenen Kindheit erinnern ^^
17.07.2011 um 10:43 Uhr
50er Pfennigstücke habe ich btw nie opfern wollen, das war mir zu teuer, 1er, 2er, 5er und 10er war max :)
17.07.2011 um 11:00 Uhr
Wir hatten zwar weit und breit keine Straßenbahn aber eine Bahn auf Schienen fährt ja fast überall. Hier war der „Kitzel“ etwas höher wenn wir erst die Böschung hoch mussten um die Münzen auf den Eisenbahnschienen zu plazieren.
Stühltürme… kann ich mich nicht erinnern. Jedoch bauten wir im Hof einen Tischturm, besser gesagt eine Pyramide. Allerdings war das zu einer Zeit in der man uns schon etwas mehr Reife zugestanden hatte. Naja, auch Lehrer lagen mal falsch. Dumm war nur dass einer der Erbauer oben eine Whiskyflasche deponierte welche ich holen musste und vor den Augen der Rektorin in den Gulli entleeren musste ;)
17.07.2011 um 11:57 Uhr
Das mit den Münzen kenne ich auch. Und meine Kindheit ist „nur“ ca. 20 Jahre her. Aber wir haben schlagartig damit aufgehört, als eine der Münzen beim Drüberfahren der alten Straßenbahn so weggefetzt ist, dass es bei einem meiner Freunde fast ins Auge gegangen wäre. Der Schreck hat dann dazu geführt, dass wir uns anderem Unsinn zugewendet haben.