Am 22.06.11 lief im ARD der WDR-Beitrag „Der Pakt mit dem Panda“. About?
Vor 50 Jahren wurde der WWF gegründet – am 11. September 1961. Heute ist der WWF die einflussreichste Lobbyorganisation für die Umwelt – weltweit. Dank bester Kontakte zur Politik und zur Industrie. Eine ständige Gratwanderung zwischen Engagement und Käuflichkeit. Ein ganzes Jahr arbeitete der Dokumentarfilmer Wilfried Huismann an einem Film, der das grüne Bild des WWF entzaubern wird. Hinter der Öko-Fassade entdeckte der Autor während seiner Dreharbeiten weltweit Geschichten voller Sprengkraft.
Ihr könnt Euch die Reportage z.B. hier anschauen.
Offensichtlich hat es bereits im Vorfeld heftige, rechtliche Auseinandersetzungen zwischen dem WDR und dem WWF gegeben. Die Süddeutsche schreibt:
Der Film hat die deutsche Sektion des WWF offensichtlich schon vor der Erstausstrahlung bewegt. Es wurde versucht, mit Abmahnungen durch Medienanwälte die Sendung zu beeinflussen und Interviews platzen zu lassen. Die ARD sendet den 45-minütigen Film spätabends – und wird damit immerhin dem Auftrag gerecht, Kinder und Jugendliche vor 23 Uhr vor verstörendem Programm zu verschonen
Verständlich, denn schon alleine die im WDR-Beitrag vermittelte Nähe des WWF zum Riesen Monsanto (einem US-Chemieriesen, der auch in Biogen unterwegs) ist, dürfte für WWF fatal sein.
WWF Deutschland hat im Netz bisher wie und wo reagiert?
1. Auf der WWF Facebook-Page: Keine Reaktion, weder vorab noch jetzt. Erregte Kommentare schlagen daher in beliebigen WWF-Beiträgen auf und kritisieren den Verein teilweise sehr heftig. Freunde des WWF versuchen etwas dagegen zu halten. Keine WWF-Reaktion. Nutzer verfassen auf der WWF Seite eigene Postings. Besonders erzürnte Postings werden gelöscht, einigermaßen kritische Einträge werden stehen gelassen. Update: WWF hatte auf Facebook auf die Einwürfe nach der Ausstrahlung reagiert und eine ausführliche Reaktion versprochen. Habe ich übersehen.
2. Auf Twitter hat WWF Deutschland eigens im Vorfeld einen Kanal „WWF Antwortet“ eingerichtet. Eine klassische PR-Maßnahme, Kritiken zu kanalisieren. Dort wird von einem Faktencheck des WWF gesprochen, der auf der deutschen WWF-Seite erscheinen soll.
3. Auf der eigenen WWF Deutschland Homepage ist nichts zu sehen, bisher.
Update: WWF hat wie erwartet die Arbeit erledigt. Feedback zum WDR-Beitrag ist da. ARD-Doku „Der Pakt mit dem Panda“: Vorwürfe nicht haltbar und Der WWF-Faktencheck im Detail. Man fährt die Tigerkrallen zwecks Spenden- und Imageerhalt aus. Völlig ok, jeder hat sein Recht auf Existenzbewahrung. Das ist nicht zu kritisieren, dass man es macht. Es entspricht eher meiner Vorhersage, dass sich WWF damit professionell anmutend beschäftigen wird. Leider weiß ich nicht, welche PR Agentur beratend unterwegs war.
Was lernt man bisher daraus?
WWF agiert so wie erwartet professionell, überstürzt nichts. Ich bin sicher, die Reaktion wird professionell und zeitig erscheinen. Erstes Anzeichen ist der eigens eingerichtete PR-Kanal auf Twitter. Immerhin ist der WWF durchprofessionalisiert, was die Denke in Branding, Marken, PR, Reach, Impact und dergleichen Denkmustern ökonomischer Betriebe zu eigen ist. Spricht man mit oder hört man einem WWF-Vertreter zu, stellt man keinen Unterschied zu einem gut geführten Wirtschaftsbetrieb fest. So war der „Social Media“-Vortrag des WWF zur Leitmarke „Tiger“ bezeichnend, dem ich einst lauschen durfte. Dieses Unternehmen ist weiter als zahlreiche andere Betriebe Deutschlands.
Und, wir lernen noch etwas: Was, wenn die Betroffenen – allgemein gesprochen und übertragen auf alle Betroffenen von Wetlhilfe/verbesserungsvereinen – ihre Stimme über die zunehmende Vernetzungsdichte einfacher in die Welt tragen können? Gerade das geht deutlich als Manko aus dem WDR-Beitrag hervor. Betroffene? Jede NGO-Tat wirkt sich auf Menschen aus. Was denn sonst? Betroffene eben. Es wird damit auch Kritiken én masse geben. Denn nicht alle Taten können nur das reine Gute wirken. Ihre Kritik – die der Betroffenen – an dem Tun der NGOs kann über die zunehmende Vernetzung der Menschheit präziser und wirksamer formuliert werden. Da, wo die Spenden fließen? Gerade weltweit agierende NGOs werden diese Entwicklung fürchten lernen. Und sie müssen sich fürchten, denn ihr Tun wirkt nicht nur Gutes. NGOs sind besonders empfindlich, denn sie leben von ihrem Gutmenschen-Ruf. Sinkt der NGO-Ruf oder wird er beschädigt, sinken die Spendeneinnahmen unmittelbar. Im Gegensatz zu einem Unternehmen, das mit Kritiken einfacher umgehen kann, weil die Wirkweise bis zum Umsatzeinbruch wesentlich gepufferter ist.
Meine Haltung zu Gutmenschen-Betrieben
Je aktiver und lauter ein Verein/Betrieb daran arbeitet, etwas Gutes zu tun, umso misstrauischer werde ich. Reine Erfahrung. „Gutmenschen“ gegenüber bin ich mindestens genauso misstrauisch wie gegenüber „Bösmenschen“. Beide bewirken Schlimmes, in ihrem Aktionsdrang. Letztlich einfach erklärbar: Die Welt ist nicht ein Sammelsurium von Einzelobjekten, sondern alles ist miteinander verzahnt. Dreht man einer Stelle, dreht man unweigerlich an weiteren dutzenden Schrauben. Je forscher umso unberechenbarer und schlimmer die Wirkungen. Greenpeace und viele andere Gutmenschen haben diese Erfahrungen machen dürfen. Ist man demnach bereit, an Schrauben zu drehen, muss man auch bereit sein, „Gutes“ und „Böses“ zugleich zu tun.
Aber ich bin ein Optimist und lehne Gutmenschen nicht per se ab, denn es gilt:
Das Bessere ist der Feind des Guten (Voltaire)
Was das bedeutet, sollte ich vielleicht entschlüsseln. Wenn NGOs aufgrund ihres Tatendrangs Dummheiten anrichten, wird es in einer vernetzten Welt eher zu Tage treten. Es ist dabei völlig unerheblich, ob ein oder dutzende NGOs daran zu Grunde gehen werden, es ist irrelevant. Relevant ist der sich ergebende Soll-Ist-Regelkreis. NGOs werden gesamtheitlich bewusster, vorsichtiger und überlegter an den Stellschrauben drehen. Das ist das, was ich mit Voltaires Zitat meinte. Eine vernetzte Welt verbessert den Informationsfluss, macht Wirkweisen klarer, verbessert die Chancen, sich zu verbessern. These, ja, aber schlüssig.
23.06.2011 um 11:24 Uhr
Vor 10 Jahren habe ich auf der Frankfurter Zeil einen einsamen amerikanischen Protestierer gesehen, der mit Plakaten und Broschüren gegen den WWF demonstrierte. Er bemängelte schon damals Korruption und die Enge zum Commonwealth.
23.06.2011 um 11:25 Uhr
male mir das gerade vor dem geistigen Auge aus. Daher bin ich als Mensch so dankbar, dass Menschen via Netz andere erreichen können, um ihre Meinung, ihre Stimme zu transportieren. Zum Guten und zum Schlechten zugleich
23.06.2011 um 11:45 Uhr
Es gibt ein Interview mit der Social Media Managerin des WWF beim Medienradio. Hat zwar nix mit den aktuellen Ereignissen zu tun, ist aber durchaus interessant. ;)
http://medienradio.org/mr/mr047-ngo-und-soziale-medien/
23.06.2011 um 11:53 Uhr
Grundsätzlich ist der WWF dadurch ja nicht per se schlecht. Aber die Vorwürfe wiegen natürlich ziemlich schwer. Solche NGOs leben ja zu einem großen Teil von ihrem Image als Weltverbesserer und einzig Aufrichtige im Kampf um die Umwelt. Mit solchen Aktionen gefährdet man viel.
23.06.2011 um 15:25 Uhr
Klasse Analyse soweit Rob. Danke. Bin gespannt ob und was da noch kommt vom WWF.
Der Beitrag sollte mit Untertiteln versehen werden, damit er auch internationale Reichweite erhält.
23.06.2011 um 22:31 Uhr
Der eigens eingerichtete Twitter-Kanal @WWF_antwortet ist seit dem Nachmittag übrigens nicht mehr erreichbar – und damit gibt es de facto einen wichtigen Kommunikationskanal weniger, der zur Verfügung steht. Gar nicht verstehen kann ich übrigens den Abbruch des Dialoges um 18 Uhr mit dem Hinweis, dass es morgen weitergehe. Damit einhergehend wurde die Kommentarfunktion deaktiviert.
Siehe auch: http://www.michaelfriedrichs.de/pakt-panda-pr-desaster-wwf/
24.06.2011 um 00:25 Uhr
Ich weiß nicht, vielleicht liegt das an meiner „bäuerlich-balkanesischen Mentalität“ :-) aber ich stand schon früher vielen NGOs und „Gutmenschen“ skeptisch gegenüber.
Vor allem seit dem ich weiß, woher viele der Organisationen einen Großteil Ihrer spenden und Gelder bekommen, u.a. von Regierungen, Konzernen und sehr reichen Menschen, nur ein Beispiel:
http://de.wikipedia.org/wiki/George_Soros#Philanthropisches_und_politisches_Engagement
deswegen überrascht mich die Sache mit WWF nicht. Erinnert sich noch jemand an die Geschichte mit UNICEF Deutschland und an Greenpeace & Lidl?
In dem Sinne zitiere ich mal den Volksmund:
„Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“
24.06.2011 um 18:45 Uhr
Goethe: Der Handelnde ist immer gewissenlos; es hat niemand Gewissen als der Betrachtende.
Fritz Reuter: Nimm dir nichts vor, dann schlägt dir nichts fehl.
Das sind schon beachtenswerte Lebensweisheiten. Wer sich etwas Gutes vornimmt, wird deshalb immer wieder scheitern, und wer versucht, nichts zu tun, was irgend jemandem schaden könnte, tut wohl am besten gar nichts. (Irgendwie hat das aber auch nicht immer die besten Folgen.)
Trotz dieser Vorüberlegungen meine Anfrage: Ist Amnesty International aktiv? Erhebt es häufig seine Stimme?
Was sind die bösen Folgen davon?
24.06.2011 um 21:58 Uhr
zu Deiner Einleitung: Guter Hinweis, der die Krux aufzeigt. Könnte man es nicht so erweitern, indem man sagt „tue Gutes und sprich über das Schlechte“ im Sinne der Eigenreflektion des Handelns und dessen Folgen. Könnte man dies auch von WWF – als Beispiel, um nicht im luftleeren Raum zu argumentieren – erwarten? Die selbstkritische Auseinandersetzung über diesen Anspruch zeichnet sich bei Beobachtung der WWF-Reaktionen nicht ab in meinen Augen.
AI: Ich habe mich mit AI nicht befasst, kann daher nur auf http://de.wikipedia.org/wiki/Amnesty_International#Kritik verweisen. Aber, AI kann das Prinzip des Gleichgewichts nicht durchbrechen, würde die Logik sagen. Ohne AI grundsätzlich in Frage zu stellen. Wie gesagt „tue gutes und sprich über das schlechte“
26.06.2011 um 08:56 Uhr
hier hat es eine kritische linkliste zu weiteren machenschaften des wwf:
http://tierschutznews.ch/2011/kunterbunt/trenn/medien/1659-der-pakt-mit-dem-panda-was-uns-der-wwf-verschweigt.html
27.06.2011 um 16:44 Uhr
Lieber Robert,
schöne These am Schluss. Zur Chronologie unserer Krisenkommunikation interessiert dich evtl. folgender Link:
http://on.fb.me/mtHFkZ
Viele Grüße, Paula
28.06.2011 um 07:47 Uhr
Sicher – wer handelt macht auch Fehler. Das ist banal. Aber es kann doch nicht wirklich Dein Ernst sein, positives und negatives Handeln einfach gleichzusetzen. (“Gutmenschen” gegenüber bin ich mindestens genauso misstrauisch wie gegenüber “Bösmenschen”. Beide bewirken Schlimmes, in ihrem Aktionsdrang.“).
Was soll das denn konkret heißen: Amnesty ist/macht/bewirkt eigentlich das gleiche wie Pol Pot? Greenpeace schädigt die Welt durch seine Aktivitäten z.B. gegen Einhüllentanker genau so stark wie BP/Shell/Exxon durch die diversen Tanker-Katastrophen?
Eine mehr als steile These. Aber zumindest sehr bequem. Da braucht man dann selbst gar nichts mehr machen (ist ja alles irgendwie gleich – Yin und Yang und so), lehnt sich entspannt zurück und beobachtet die „Gutmenschen“ (im übrigen ein politischer Kampfbegriff, der – ich traue mich ja kaum, es zu sagen – auf die Nazionalsozialisten zurück geht) die sich vergeblich abstrampeln und alles nur noch schlimmer machen.
Um nicht missverstanden zu werden: im Namen der „guten Sache“ (alternativ auch gern: „der Wahrheit“, „des Anstandes“ etc.) ist schon viel Unsinn gemacht worden und auch viel Schaden angerichtet – keine Frage. Und das Eintreten für ein heeres Ziel rechtfertigt nicht undurchdachten Aktionismus. Aber der Umkehrschluss „Odysseus ist ein Grieche – also sind alle Griechen Odysseus“ (weil im Namen des Guten auch Schlechtes passiert, stehen alle, die etwas Gutes vorhaben, erst einmal unter dem Generalverdacht (oder der Gewissheit), Schaden anzurichten) ist logisch Unfug und wäre ansonsten zu belegen.