im Rahmen der Guttenberg-Affäre muss ich die ganze Zeit über schmunzeln. Lassen wir mal Guttenberg als Amtsträger außen vor, das interessiert mich wenig an dieser Stelle. Befassen wir uns mit dem Erstellen einer wissenschaftlichen Arbeit. Ich möchte Euch aufzeigen, warum uns Akademikern Guttenberg eine mehr als doofe Story auftischt. Millionen von uns ist das klar, was hier läuft. Why?

Jeder Doktorand („Doktorarbeit“) oder Diplomand („Diplomarbeit“) wird zu Beginn seiner Arbeit mit den wissenschaftlichen Vorgaben konfrontiert. Das beinhaltet nicht nur die Struktur des Inhalts, sondern auch und vor allen Dingen das Zurückgreifen auf Quellen. So sind Quellen wie Wikipedia wenig bis gar nicht zitierfähig. Wenn, dann ist man als Akademiker bestrebt und angehalten, wo immer möglich und sinnvoll wie auch sinngemäß auf die Originalquelle zurückzugreifen. Das kann mitunter auch schon ein Zeitungsartikel sein. In der Regel handelt es sich um Fachzeitungen. All diese Vorgaben erlernt man nicht erst kurz vor seiner großen Arbeit, sondern schon die ganze Zeit über während seines Studiums. Update: Mein Neffe weist mich darauf hin, dass diese Vorgaben natürlich nicht nur für Diplom- und Doktorarbeiten gelten, sondern bei jeglichem Referat/Werk während des Studiums. Richtig.

Wie schaut es aber aus, wenn man sich an die Arbeit macht und Quellenangaben vergisst anzugeben? Das kann mitunter gerne passieren, denn man ist bestrebt und angehalten worden, auf bereits bestehende, wissenschaftliche Gedanken Dritter andauernd zurückzugreifen. Eine Diplom- bzw. Doktorarbeit hat den Anspruch, die Wissenschaft ein klitzekleines Stückchen nach vorne zu bringen. So gut wie kein Akademiker auf diesem Globus schafft ein Werk ohne Rückgriff auf bereits bestehende, wissenschaftliche Werke. Am Ende seiner Arbeit enthält das eigene Werk hunderte bis tausende Quellenverweise. Ergo, wie gesagt, es kann mal passieren, dass man hier und da tatsächlich etwas vergisst.

Wie schaut das in der Praxis demnach aus? Man macht mit seinem Professor den Inhalt seiner Arbeit aus. Häufig bespricht man das auch mit dessen Assistenten (eher Diplomanden denn Doktoranden). Es werden erste Ideen ausgetauscht, erste wissenschaftliche Quellen ausgemacht, daraus abgeleitet hangelt man sich immer tiefer von Quelle zu Quelle. Mit der Zeit gewinnt die Arbeit an inhaltlicher Struktur. Und jeder, der nicht irgendwie bescheuert und dämlich ist, hält kontinuierlich die Quellen per Fußnote fest. Kein Akademiker auf dieser Welt schreibt irgendeine Zeile, die auf einer fremden Quelle basiert und bappt erst Wochen später die Fußnote dazu. In der Fußnote wird nämlich die Quelle, auf die Bezug genommen wird, exakt und normiert festgehalten. Wer war der Autor, wann hat er das gesagt, wie lautet der Titel, wo erschien das? Das alles wird in der Fußnote festgehalten.

Würde man die Quellenverweise erst später festhalten wollen, nachdem man den Text geschrieben hat, ist es so gut wie unmöglich, die passende Quelle wiederzufinden. In der Realität vergisst man demnach wann die Quellenangabe? Wenn man einen Text findet, den man so großartig findet, dass man ihn entweder wörtlich oder umformuliert abschreibt. Die Fußnote lässt man bewusst einfach weg. Warum aber? Weil man vermeintlich besser abschneidet. Jeder Akademiker kommt während seiner Arbeit ins Straucheln, verzweifelt ob der schieren Masse an bereits vorliegenden, fremden Gedanken. Wie soll man dem Anspruch gerecht werden, irgendwas eigenes Schlaues zu formulieren? Der Rückgriff auf fremde Formulierungen erscheint dann nur zu verlockend. Je nach Restzeit und Resistenz kann das Ausmaß der fremden, nicht korrekt deklarierten Quellen einen hohen Anteil annehmen.

Letztlich aber ist eines entscheidend: Kein Akademiker vergisst. Ich kenne niemanden, der im Rahmen seiner Diplom/Doktorarbeit vergisst, dass er entgegen der Vorgaben wissenschaftlicher Arbeitsnormen gehandelt hat. Ob es nun zwei oder dutzende Fußnoten waren, die man bewusst nicht deklariert hat. Jeder von uns weiß exakt, ob er Quellen kopiert hat, Formulierungen direkt oder im Wortlaut leicht verändert übernommen hat. Heute und Jahre später.

So verwundern mich die Worte von Guttenberg, der sich zu Beginn der Affäre echauffiert hat, dass sein Werk selbstverständlich keine plagiatorischen Anteile enthalten würde. Nachdem aber immer mehr heraus kam, dass Guttenberg an zahlreichen Stellen Fußnoten „vergessen“ hat, kam dann die Erklärung, er habe sich am Wochenende intensiv mit seiner Arbeit beschäftigt. Und feststellen müssen, dass er handwerkliche Fehler begangen habe. Ihr könnt Euch seine Ausrede per Video zB auf der FTD anschauen. Oder seine Rede in Textform bestaunen.

Jeder Student würde darüber lachen, wenn ein anderer Student auf die Idee käme, mit so einem Unsinn daherzukommen. Man habe sich mit der eigenen Arbeit intensiv beschäftigt und handwerkliche Fehler begangen. Insistiert man weiter darauf, wird aus dem Lachen Irritation und anschließend fühlt man sich verarscht. Nochmals: Jeder Akademiker weiß um seine „Vergehen“. Da muss niemand dumm daher reden, man müsse sich intensiv mit seinem Werk nachträglich beschäftigen. Mal die eine oder Stelle kann man tatsächlich vergessen, korrekt zu zitieren. Aber kommt das gehäuft vor, ist klar, um was es geht. Man wollte sich mit fremden Federn schmücken. Und wird man erwischt, nutzen Ausreden wenig. Es machts nur noch schlimmer.

Die Krönung bei Guttenberg ist, dass er sogar in der Einleitung auf einen Zeitungsartikel zurückgreift, natürlich ohne Quellenangabe. Was schon mal gar nicht geht. Dass er damit durchkam, wundert mich noch mehr.

Für mich spielt Guttenberg den Gutmenschen, der zu seinen Fehlern zwar steht, jedoch die Art und Weise, wie er uns Akademikern diesen Fehler verkauft, grenzt an Verarschung. Wie gesagt, keiner von uns muss sich sein Werk intensiv anschauen, um vergessene Quellenangaben festzustellen. Guttenberg hätte sagen können „Ok, ich bin Euer Verteidigungsminister, mache meinen Job, habe meine Doktorarbeit verbasselt und bin erwischt worden“.

Letztlich ist es mir egal, ob Guttenberg Wege abgekürzt hat und Quellen bewusst nicht angegeben hat. Umgekehrt ist es mir nicht egal, wie er diese „Krise“ handhabt. Oben habe ich gesagt, dass sein Amt in der Betrachtung keine Rolle spielt. Von einem Kanzler in spe erwarte ich auch, dass er gut lügen kann und ebenso Situationen erkennt, wann es an der Zeit ist, Lügentheater zu unterlassen und den Weg nach vorne zu suchen. Mir hat Guttenberg gezeigt, dass er noch viel lernen muss und die Fähigkeit zum Krisenhandling noch nicht besitzt.

Liebe Akademiker, nehmt Euch an Guttenberg ein Beispiel. Er zeigt Euch auf, wie man es nicht macht, gar dämlich beim Umformulieren der Quellen war. Hier und da könnt Ihr aus Versehen eine Quellenangabe vergessen, übertreibt es aber nicht. Und wenn Ihr erwischt werdet, sagt an, was Sache ist. Alles andere ist Unsinn und schadet Euch, wenn Ihr Euch herauswinden möchtet. Professoren haben auch einen Geduldsfaden. Und liebe Diplomanden, denkt daran, dass Ihr eine eidesstattliche Erklärung abgeben müsst, die auch das Zurückgreifen auf Quellen umfasst. Das ist kein Spaß, wenn man Mist baut. Doktoranden müssen interessanterweise keine derartige Erklärung abgeben, meines Wissens. Beispiel: Uni Saarland, FB Psychologie, Abschnitt 7i