Wenn ich es schärfer ausdrücken müsste, dann würde ich es so sagen: Alle Anbieter auf dem deutschen Telco-Markt – angefangen bei den Primäranbietern Vodafone, Telekom, O2 und Base bis hin zu den sekundären Marktanbietern (die über keine eigenen Netze verfügen) – agieren auf eine Art und Weise in der Kundenkommunikation, die fast schon archaisch anmutet. Gerade in einer Zeit, in der es immer stärker um die Frage geht, wer neben Voice-Diensten auch gute Daten-Dienste und Services in diesem Bereich anbietet. Sich an dieser Stelle im Netz zu profilieren, wird elementar sein. Ausgerechnet die Anbieter, die mit Kommunikation per se zu tun haben, tun sich da schwer. Eigentlich Irrsinn! Wie sieht es denn mit der Übersetzung in diesem Bereich aus? Wo zeigen die Anbieter Flagge? An welchen Stellen kann ich als Datenkunde mit dem Unternehmen in Kontakt treten?
Kommunikationskanäle
Die primären = dominanten Kommunikationskanäle sind bis dato?
– Werbung offline und online
– geschliffene PR-Mitteilungen offline und online für die Presselandschaft
– Hotline ist telefonisch erreichbar
– POS (point of sale) über die zahlreichen Handyshops
Die sekundären Kommunikationskanäle sind?
– Twitter (Beispiele: Vodafone, Telekom)
– Facebook (Beispiele: Vodafone, Telekom)
– YouTube (Beispiele: Vodafone, Telekom)
– Blogs (Beispiele: Vodafone, Base)
Stückwerk, gewollt, nicht gekonnt
Betrachtet man die Homepages und addiert die einzelnen Kanäle, ergibt sich für den Daten-Kunden ein Bild wie seit jeher: „Ich weiß nicht, wo ich nachschauen soll“. Ist das ein Wunder? Der bisherige Ansatz der Telcos ist den Vertrieb vor Ort über Marketing-Maßnahmen insbesonders über das Fernsehen und dicke, fette Anzeigen im Print zu pushen.
Einen integrierten Auftritt, der aus einem Guss gerade für die Daten-Kunden eine extrem gute Anlaufstelle anbieten könnte, finde ich nirgends, höchstens Ansatzweise auf dieser etwas jüngeren Seite der Deutschen Telekom (siehe Bericht von Basic Thinking). Und Simyo hat mit dem Kunden-helfen-Kunden-Ansatz als einziger den Mut gehabt, das Netz etwas besser als alle anderen zu atmen. Und Telekom hat sich in Richtung Support auf Twitter gewagt.
So bleiben die Aktivitäten im Netz Stückwerk, mal hier mal da wird etwas geboten, doch ergeben die einzelnen Aktivitäten kein gutes Gesamtbild ab, das den Datenkunden sowohl einen gefühlten Connect zum Unternehmen anbietet, noch scheinen sie aus einem Guss zu sein. Es wirkt zu aufgesetzt, zu zart sind die Versuche der Unternehmen bisher. Was auch kein Wunder ist, schleppt man doch Jahre an Organisatoriken, etablierten Praktiken und Denkmustern mit. Wie soll man da etwas Neues schaffen, solange man in der „alten“ Welt fährt, die schließlich gutes Geld gebracht hat?
Neue Denkweisen: Kundenintegration
Was ist denn überhaupt „aus einem Guss“, warum reite ich so sehr darauf herum? Es ist kein Leichtes, einen integrierten Ansatz aufzuzeigen, da es sich aus einer Vielzahl von Elementen zusammensetzt. Doch so schwer ist das gar nicht. Man muss lediglich ein Beispiel aus der Praxis finden. Ja, gibts das denn? Und ob!
Da ich kein Beispiel auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt finden kann, muss ich Anleihen aus der Finanzbranche nutzen. Aus der Finanzbranche? Die sind doch in noch klassischeren Denkmustern gefangen als die Telcos! Weit gefehlt. Es gibt Anbieter, die einen völlig neuen Weg beschreiten, der auf die Möglichkeiten des Internets setzt und mit dem Unternehmen komplett verzahnt wurde.
So empfinde ich den Auftritt der Bank namens „Fidor“ als absolut wegweisend! Die Bank kommuniziert mit den Kunden nicht nur direkt via Netz, sondern bindet die Kunden bei der Produktentwicklung voll ein! Auch die Chefs verstecken sich nicht, der Bankchef steht Rede und Antwort, regelmäßig via Videoreport. Er beherrscht die Kunst, nicht als Bänker daher zukommen, dennoch vertrauenswürdig und kompetent zu erscheinen. Schaut Euch den Inhalt unbedingt an, einfach exzellent, die Kunden derartig einzubinden, auch und gerade im Bereich „Neue Produkte“:
Selbst ein klagender Lehrer ist progressiver als ein sich nicht bewertend lassender Bänker
Anbei ein Video, das den Ansatz erklärt:
Telco-Anbieter, die diesen Weg wählen würden – gerade Base und O2 sollten das imho tun -haben mit Abstand einen strategischen Vorteil, der über die Jahre gesehen Gold wert wäre und den Marktführern gewaltige Anteile abknüpfen könnte. Statt Stückwerk und auf einzelnen Web 2.0-Tools zu setzen, führt kein Weg an einem integrierten Ansatz vorbei. Und es ist kein Geheimnis, dass die Anbieter neidisch auf den Erfolg von Apple schielen, die den Vorteil hatten, Telekommunikation neu zu denken. Selbst Google gewinnt an Pace mit Android und dem Android Market. Da sollen die bisherigen Anbieter das Nachsehen haben? Der Handlunsgdruck ist gewaltig. Der Erfolg von Apple und Google lässt sich systemisch nicht imitieren, solange man als herkömmlicher Anbieter das Alte mitschleppt. Und sich intern nicht auf einen neuen Weg begibt noch einigen kann.
31.05.2010 um 14:31 Uhr
Bei Mybase kann ich noch nicht mal irgendetwas online regeln. Man muss den Kundendienst anrufen (!) Per E-Mail geht natürlich auch nicht, nur über Kontaktformular… Arggh!
Interessantes Beispiel mit der Bank. Hätte man von dieser Branche kaum erwartet!
01.06.2010 um 07:28 Uhr
Ein paar ungeordnete Gedanken:
Irgendwie hast Du ja recht. Aber irgendwie wählst Du eine m. E. ungünstige Perspektive, weil Du den Blick nicht weit genug öffnest. Es kommt doch nicht darauf an, integriert Social Media zu betreiben, sondern integrierte Kommunikation. In diesem Sinne kann die Nutzung einzelner Kanäle schon sinnvoll sein. Wenn es so gemeint ist, wie es hier augenscheinlich der Fall ist: Als Zeichen – „Hallo, wir verstehen Euch“. Und als Thema für andere Kommunikation, als PR-Thema.
Der nächste Schritt wäre nun, auch Meinungsbildnerarbeit zu betreiben. Das passiert aber vielfach – in Foren, Blogs etc. Nur wird darum nicht so ein Wind gemacht, sodass es nicht jeder mitbekommt. Auch das finde ich normal bis positiv.
Die Chance, sich durch Einbeziehung der Kunden zu profillieren, bestünde m. E. maximal für ein Unternehmen. Die Zahl der Kunden, die sich dadurch beeindrucken lässt, ist in meiner Wahrnehmung zu klein. Sobald das nächste iPhone kommt, ist der Social Media Zielgruppe doch wieder egal, wo es gute Social Media Arbeit gibt.