anlässlich des aktuellen Falls Euroweb vs. Nerdcore (Übernahme der Domain des Bloggers René Walter) werden mit Sicherheit zahlreiche Kritiken contra Euroweb laut. Nicht nur, um sich auf die Seite von René zu schlagen. Wie ich finde, übrigens zurecht, dazu aber später mehr am Ende. Nicht nur? Auch, um mit dem Argument aufzuwarten, dass Euroweb „böse“ sei. Weil sie angeblich Kunden über den Tisch ziehen und Kritiken im Netz über den rechtlichen Weg mundtot machen. Also, drei Dinge: Nerdcore, Kunden und Kritiker. Dies spielt hierbei alles eine Rolle. Der Reihe nach.

Dazu der Versuch einer sachlichen Schilderung mit Fokus auf das Geschäftsgebahren von Euroweb, Auslöser zahlreicher Gerichtsfälle und Abmahnungen, auch gegen Kritiker. Ich verfolge Euroweb nun schon so lange, dass ich vieles gehört, gelesen und vernommen habe. Natürlich bleibt es nicht aus, sich mit der Zeit ein ausgewogeneres Bild zu machen. Wo fangen wir an? Mit dem Geschäftsgebahren eben. Wie schaut das aus?

Geschäftliches Vorgehen von Euroweb
Bevor man überhaupt weiterliest, sollte man sich diesen Beitrag auf dem Linus Blog aufmerkam anschauen.

Gelesen? Dann weiter das Vertriebs-Verfahren wiederholend: Das Prinzip, wie angeblich Euroweb vorgeht? Euroweb ist eine Internetagentur. Kunden werden auch über den sogenannten Referenzansatz interessiert, aber nicht ausschließlich. Man erzählt dem Kunden, dass man ihn in der Region als Referenz ausgesucht habe. Um andere Kunden von dem Angebot der Firma Euroweb zu überzeugen. Hierzu komme man dem Kunden entgegen, indem man ihm einige Kostenblöcke erlassen möchte, da dies schließlich den Werbezwecken von Euroweb hilft. Eine klassische Win-Win Situatio? So ist es. Der Kunde spart einiges an Kosten (ob die nun gerechtfertigt sind oder nicht, egal). Der Vertrieb wird wortwörtlich instruiert, was er dem Kunden persönlich und am Telefon zwecks Terminvereinbarung zu sagen hat.

Bewertung:
Das Vorgehen von Euroweb im vertrieblichen Sinne ist tatsächlich Schema-F. Versicherungen, Banken, Agenturen jedweder Branche arbeiten seit langen nach strikten Mustern. Sowohl was das Training der Mitarbeiter angeht wie auch das Vorgehen vor Ort am Kunden direkt. Jede Firma mit einem starken Vertrieb hat seit jeher explizite Leitfäden, die Mitarbeiter förmlich fressen zu haben. Der Kunde wird in unserem Fall zusätzlich über die Referenzgeschichte gepimpt (hey, ich bin wer) und über die dargestellten Kosteneinsparungen überzeugt. Selbstverständlich setzt man hierbei auf den Giereffekt.

Da ich reihenweise Mails bekomme habe, von Kunden, die bei Euroweb abgeschlossen haben, kann ich für mich nur eines feststellen: Nach Vertragsabschluss surfen die Kunden im Netz. Und finden was über Euroweb, klar. Parallel denken sie über das Gespräch nach, schauen sich den Vertrag genauer an. Nur, um festzustellen, dass sie nicht die Kostenersparnis stört, sondern die zu zahlende Summe über die nächsten 24 Monate. Was sich so kostenfrei angehört hat, entpuppt sich bei Einschalten des Verstandes als gewohnte Abwägung zwischen Nutzen und Kosten. Dann ist es aber zu spät, wenn man nach Unterzeichnung kalkuliert.

Jetzt kann man sich zurecht fragen, ob man Kaufleuten das Einschalten des Verstandes abverlangen kann? Ich meine ja. Immerhin verkauft man selbst Tag für Tag eigenen Kunden etwas und lobt mit Sicherheit seine Angebote bzw. eigenen Leistungen. Man sollte das yadda yadda in einem Verkaufsgespräch kennen. Natürlich sind Kaufleute auch Menschen, die gerne der Gier anheimfallen, gefördert durch das Verkaufsgespräch. Natürlich fühlen sie sich gepimpt, wenn sie als Referenz ausgewählt werden. Natürlich? Alles nur menschlich? Wen soll man nun deswegen anklagen? Den Kunden oder den aggressiven Vertrieb?

Immerhin leben wir in einem Land, wo im Geschäft (b2b) der Vertrag zählt. Sollte demnach ein Kunde glauben, dass eine Leistung überteuert eingekauft wurde, kann er daraus lernen. Sollte er glauben, dass die Leistung nicht dem Preis gerecht wird, kann er sich einigen oder vor Gericht ziehen. Sollte er feststellen, dass er kein Geld in der Tasche hat, um die Leistung einzukaufen, dennoch unterschrieben hat, soll er beim nächsten Mal seinen Steuerberater oder Buchhalter zu Rate ziehen. Das Gesetz stellt bewusst und nicht umsonst den Konsumenten als Endverbraucher stärker unter Schutz denn Gewerbetreibende, denen man mehr zumutet, zu wissen, was man tut.

Was ich damit sagen will? Man kann Euroweb aufgrund der mir bekannten Abmahnfälle gegen Kritiker im Netz zu 100% kritisieren. Was man aber genau abwägen sollte, ist die Kritik am Geschäftsgebahren, denn dazu gehören zwei Parteien, nicht nur eine.

Soweit zum Geschäftlichen. Nun zur Seite „Kritiken gegen Euoweb“
Ich hatte oben gesagt, dass ich was zu Euroweb und Nerdcore schreiben wollte. Richtig. Wenn es stimmt, dass Rene sich laut eigenen Bekunden nicht rechtzeitig um die Abmahnung gekümmert hat, sein Blog aber seinen Lebensunterhalt mit finanziert, dann hat man es schon wieder. Zwei Parteien gehören zu einer Sache dazu, nicht nur eine. So oder so, Euroweb steht es gut zu Gesicht, die Sache zu überdenken und nicht übermäßig hart gegen die Beleidigung – Anlass des Rechtsstreits, namentlich „Arschgeige“ – so vorzugehen, das Blog von René zu übernehmen (Pfändung?).

Ob nun René geschludert hat und nicht genügend Barmittel hatte. Es spielt keine Rolle. Euroweb kann es sich leisten, auf das Blog zu verzichten und anderweitig eine Lösung zu finden. Darauf kommt es an. Sonst spricht dieses Verhalten für die Annahme, dass Euroweb wohl anscheinend den Kritikern recht gibt, wie sie sich im Geschäftlichen verhalten. Nämlich nicht nur angeblich übermäßig zu eigenen Vorteilen, Kunden geschickt überzeugend, sondern auch vermutlich zum Nachteil der Kunden.

Ein abschließendes Wort zu den Kritiken gegen Euroweb: Wenn Ihr kritisieren möchtet, informiert Euch. Überzieht nicht, da Euroweb schon gar keine Firma ist, die Beleidigungen auf sich beruhen ließe. Erkundigt Euch, wie Euroweb im Geschäft vorgeht, vergleicht es mit dem, was ihr sonst noch da draußen an üblichen Vorgehensweisen kennt.

An die Adresse von Euroweb: Vieles, was ich gehört habe, mag ich nicht an Euch. Ihr seid mir zu aggressiv, Erfolg hin, Erfolg her. Kulanz zeigt ihr auch nicht bei denen, die am Existenzrand stehen. Das kann ich überhaupt nicht gut heißen. Was ich noch weniger mag: Bevor Ihr die Rechtskeule auspackt, um gegen Kritiker im Netz vorzugehen, äußert Euch sachlich und menschlich. Selbst wenn Ihr weniger am Ende davon habt als der Kritiker. Unter dem Strich würdet Ihr damit weitaus mehr Größe zeigen und auch geschäftlich gesehen an Ansehen so gewinnen, dass der – ich muss es so spitz sagen – Porsche vor der Tür ohne ein schlechtes Gewissen gefahren werden kann. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Ihr TV-Reporter am Verlassen Eures Hauses hindert und sie um Herausgabe des Filmmaterials „bittet“? Ist diese Vorstellung so fern, so unvorstellbar? Habt Ihr das nötig? Ich glaube nicht, dass Ihr Chefs nachts gut schlafen könnt, egal was ihr an Härte an den Tag legt. Leichter träumen ist einfach. Mensch sein zählt am Ende.