= Ich denke, also bin ich

fansTäusche ich mich oder empfindet man – der User – die Zugehörigkeit zu einem Web-Service als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, gar als emotionale Verbindung zum Service?

Aufgefallen ist mir das an den Reaktionen rund um die G+Welle. Auch vorher schon sind mir Reaktionen von Usern aufgefallen, die sich quasi über Bekundungen nach dem Motto „ach, StudiVZ ist so low, so boring, so dead“ äußern. Ich hatte mir damals nichts dabei gedacht. Es eher als vergleichende Äußerung verstanden, dass ein Dienst nicht mehr als attraktiv empfunden wird, im Vergleich zu einem alternativen Dienst.

Diese befürwortenden oder negierenden Bekundungen gegenüber einem Web-Service (Xing, LinkedIn, VZ, WKW, G+, Facebook, Twitter, MySpace) kann man auch als soziale Gruppenabgrenzung interpretieren: „Meine Buddies sind dort, also bin ich auch dort, ich bin nicht wo anders“. Der Web-Service dient als Platzhalter für die eigene Gruppe. Spielt aber sonst keine weitere Rolle, wenn es um die Frage geht, ob die Zugehörigkeit zu einem Dienst nicht auch ein Ausdruck der Persönlichkeit ist.

Meine Interpretation kippte wie gesagt bei den Wanderungsbewegungen zu G+ und den damit einhergehenden Äußerungen. Die weit über den sachlichen Vergleich von Funktionen und Features gingen („G+ kann dies und das besser als Facebook und Twitter“). Als sei diesmal tatsächlich die Zugehörigkeit zu dem Dienst so etwas wie ein öffentliches Bekenntnis zum Anbieter bzw. dem Service. Zu emotional waren viele Aussagen, teils bildeten sich an Fanclubs erinnernde Gruppierungen und Verhaltensweisen, die sich gegen andere Web-Services skandierend abgrenzten.

Alles nur Einbildung? Alles nur Fehlinterpretation? Ich weiß nicht. Es kann gut sein, dass User aufgrund ihrer etwas längeren Erfahrungen mit Social Networks diese tatsächlich als einen Teil ihrer selbst, als Ausdruck ihrer selbst empfinden, letztlich gar als Freund. Ein Programm als Freund und Ausdruck der Persönlichkeit, indem man sich dazu bekennt? Es ist ein Unterschied, ob man sagt, „auf Facebook bin ich ich“ oder „G+ ist ein Teil von mir“. Ich kann es höchstens mit der Fan-Zugehörigkeit zu einem Fußballverein vergleichen. Man identifiziert sich mit dem Verein (BvB ist eine Religion, kein Verein), man identifiziert sich über den Verein gegenüber Dritten.

Social Networking-Zugehörigkeiten als Fangruppen analog zu Fußballvereinen? Für mich wäre das neu und wie gesagt, habe Probleme das so für mich nachzuvollziehen, einem Programm als Fan die Stange zu halten. Wäre mir sehr bizarr. Ich kann mich lediglich mit Hilfe eines Programms digital ausdrücken, aber nicht umgekehrt über die Nutzung des Programms in eine Schublade stecken lassen.

Kann mich gut an die Worte eines nicht unsmarten, nicht unbekannten Agentur-Chefs erinnern, der es ja beruflich beobachten und bewerten muss. Das Digitale wird wie der Besitz eines Marken-PKWs, des Eigenheims, der Bekleidung zum Ausdruck der Person, als Teil der eigenen Person empfunden, wer man ist und was man ist. Für Werber ebenso wie für den Rest der Wirtschaft natürlich ein netter Hebel.

Doch auf menschlicher Ebene muss ich mich mit dem Gedanken noch anfreunden, dass mich ein Programm in den Augen Dritter identifiziert und personalisiert, nur weil ich es benutze.

*Bild von tncountryfan / Flickr