Viele Menschen draußen fragen sich hin und wieder, ob das Internet überhaupt reale Auswirkungen habe. Ob all die profanen YouTube Videoschnipsel, banalen Chats und die Sammlerei von Freundschaftskontakten tatsächlich etwas bedeutet. Ich denke, es wirkt sich sehr konkret auf unser Verhalten aus. Wir beziehen es in unsere realen Handlungen und Gefühlswelt mittlerweile an zahlreichen Stellen mit ein, ganz bewusst. Realer könnte das nicht sein. Dazu einige Beispiele aus dem partnerschaftlichen Digitalbereich. Gerade dort geht es sehr emotional zu und die Menschen beweisen am laufenden Band, dass sie digitale Aktivitäten sehr ernst nehmen.
Ich habe vor kurzer Zeit zum ersten Mal am eigenen Leib verspürt, wie es ist, wenn man über Facebook den Freundschaftskontakt auflöst. Ich bekam einen Anruf und derjenige fragte mich ganz irritiert, warum seine Partnerin nicht mehr als bestehender Freundschaftskontakt angezeigt wird. „Oben würde add as friend stehen“. Ich erläuterte ihm, dass man in Facebook Kontakte still wieder kappen kann, ohne dass es der andere direkt mitbekommen würde. Im Gegensatz zu Twitter, wo es einige Apps gibt, die Unfollower melden. Beide waren nicht über den „relationship status“ miteinander verbunden. Dazu gleich mehr. Derjenige war ganz aufgelöst und es klärte sich auf, man habe zuvor einen virtuellen Streit wegen Fremdkontakten auf Facebook am Telefon gehabt. Es handelte sich um das uralte Thema Eifersucht. Ergebnis war, dass diejenige wegen dieser Art -ich nenne es mal so- Stalking die Kontaktbande aufgelöst hatte. Der eine Grund war das besagte Verhindern des Nachspionierens (das bedingt natürlich genaue Privatsphären-Einstellungen, damit Dritte die Wall und weitere Infos nicht mehr einsehen können) und der zweite Grund war schlichtweg symbolisch zu sehen, nach dem Motto „ich wische dir jetzt einen aus“. Und auf eine gewisse Art sehr indirekt, daher noch viel treffender.
Schon an diesem Beispiel sehen wir, dass moderne Partnerschaften mit den Errungenschaften der Social Networks zu kämpfen haben. Wo man sich früher in Ruhe mit Dritten unterhalten und austauschen konnte, wird das heute in Teilen sichtbar und der Partner kann unter Umständen falsche Schlüsse ziehen.
Das führt dazu, dass meines Wissens manche Partner bestimmte Aktivitäten in Facebook sogar removen, um dem anderen keine „Verdachtsmomente“ zu geben. Sei es ein Kommentar, eine frische Freundschaft, ein kommentiertes Bild.
Auch das Kritteln einander kann man ultimativ über die Auflösung des „relationship status = in relationship with xyz“ in der eigenen Timeline öffentlich machen (gerade einige VIP-Vorfälle dienen wohl als Nachahmerbeispiel). Je nachdem, wie man es interpretiert, mal ist es eine Art Schmach-Effekt, mal eine Art von Rückhalt suchen. Hier kommt es immer wieder vor, dass manch einer den Status „single“ setzt und Kontakte fragen irritiert nach, was denn los sei. Antwort: „Ich war Single, habe es lediglich auf Facebook eingetragen“. Dabei wäre es von vornherein btw möglich, diese Änderung gar nicht erst anzuzeigen. Alles was man tun muss: In den Privatsphären-Einstellungen stellt man die Sichtbarkeit des relationship status auf „only me“ ein. Das hat aber einen Nachteil:
Ebenso kenne ich mittlerweile einige Fälle, wenn der eine oder andere partout eben nicht den „related with xyz“ eintragen möchte. Hier geht es darum, die Beziehung öffentlich zu machen. Ganz so als sei das bereits ein akzeptiertes Verhalten, zum Partner zu stehen, in dem Falle eben virtuell-öffentlich. Sieht der andere das nicht so, weil er dem keine Bedeutung beimisst, knallt es nicht selten.
Wir können das auch gerne weiterspinnen, wenn man sich trennt. Gerade in jungen Jahren wird man tendentiell eher wechselnde Beziehungen pflegen, die natürlich digital gespeichert werden. Was ist mit all den Liebesbeweisen nach der Trennung? Fotos und Videos in eigenen Alben, in Alben dritter, auf YouTube, Facebook, WKW, Blogs, Kommentaren, geknüpften und aufgelösten Beziehungsbanden (die Systeme wie Facebook sichtbar machen) und und und? Wie werden das die Bekannten einschätzen? Was wird die Nachfolger-Freundin sagen?
Weitere Effekte könnte man beliebig aufzählen, wie viele digitale Möglichkeiten es gibt, Freundschaften zu bekunden, Gruppenzugehörigkeiten über Ein/Ausschluss zu zementieren. Google Latitude? Wo warst Du (btw, gerade diese GPS-Systeme werden dazu führen, dass man beleidigt ist, wenn der Partner sich nicht regelmäßig einloggt, um dem anderen zu zeigen, dass man sich um den anderen kümmert)? Warum hast Du gesagt, Du wärst schlafen, kommentiertest aber fleißig da und dort in der Zeit? Was soll diese Umarmung auf der Party in der und der Bildergalerie? Etcpp usw usf. Es ist kompliziert geworden :))
Digtiale Neuzeit. Sie ist realer denn je. Wir lernen in unserer Rolle als Freunde und Partner partout dazu, bauen es in unser Verhalten ein, nutzen dazu die öffentlichen wie auch privaten Funktionen der Social Networks. Realer könnte das nicht sein. Das ist für mich besonders interessant, denn ich kenne die Freundschafts- und Partnerwelt vor dieser digitalen Zeit und ich lerne diese aktuelle Zeit nun kennen. Allerorten kann ich beobachten, wie sich das auf Beziehungen auswirkt. Es würde mich wundern, wenn nicht bald Bücher erscheinen, wie man auf digitialen Wegen Partnerschaften hegt, pflegt und wieder auflöst.
Sagte ich „es ist kompliziert“? Ja:)
08.08.2010 um 12:58 Uhr
Das ist wie im richtigen Leben: wer eifersüchtig ist, wird sich auch heimlich die SMS im Handy des Partners durchlesen (sind ja schon Promi-Beziehungen daran zerbrochen) und in Kommentaren und „Freundeslisten“ wühlen.
Vielleicht zwingt uns das Netz zu einer neuen Offenheit und einem neu definierten Selbstverständnis. Denn wenn ich im Netz mit einer Dame schäkere, heißt das doch nicht, das ich sie morgen gleich besteige …
08.08.2010 um 19:54 Uhr
Sehe ich ähnlich wie Ruprecht, würde es allerdings so ausdrücken: Das was man da online beobachten kann, spiegelt einfach genau das wieder, was im „richtigen Leben“ passiert. Ist ja auch klar, denn es sind die gleichen Menschen, die nur weitere/andere Kommunikationskanäle nutzen.
Beispiel: Ein Mann der nicht will, daß seine Freundin sieht, daß er ab und an mal bei einer Frau kommentiert, auf die die Gutste allergisch reagiert, löscht umgehend die Statusmeldung: „xx hat xy´s Link/Status kommentiert“. Und das sind dann die Pappenheimer, die im richtigen Leben auch hier und da mal schwindeln, damits zu Hause keine unschönen Szenen gibt.
Will damit nur sagen, daß so oder so die Menschen sind wie sie sind. Das Problem ist nur, daß man online leicht den Überblick verliert, wo man überall seine Spuren verwischen müßte, damits keinen Ärger gibt. Andererseits wird sich im richtigen Leben auch mehr oder weniger gewitzt angestellt, wenn es darum geht, daß „Notlügen“ nicht auffliegen. Raus kommt alles irgendwie… finde ich, deswegen sollte man so was lassen.
Weiteres Beispiel: Manche Menschen sind mit Leuten befreundet, die nicht zum vorhandenen Freundeskreis passen und verleugnen das unter Umständen, weil sie nicht dazu stehen. Passiert online ganz genauso wie offline.
Es geht wie immer um die Menschen und wie sie sind und wie sie mit verschiedenen Dingen umgehen. Und so richtig, kann eigentlich niemand verbergen, wer er ist. Das merkt man immer nach ner Weile, egal wie sich dargestellt wird. Das ist sehr beruhigend.
Das Positive für mich ist allerdings, wenn wir über neue Online-Kontakte sprechen: Ich hab das Gefühl, daß Leute, die die neuen Kanäle in erster Linie dafür nutzen um Information zu geben und zu bekommen, die offen und so sind wie sie sind, etwas anders sind als die, die sich einfach nur darstellen möchten und wenig Interesse für andere zeigen … (Was für ein bekloppter, komplizierter Satz! Bitte streichen!)
Ich will sagen: Sehr offene, interessierte Menschen, die anderen noch Achtung und Respekt entgegen bringen können, nutzen die Onlinekanäle sehr gern und deswegen lernt man viele solche tollen Menschen kennen. Und das find ich gut. Sehr gut!
Ach so… Und wer sich im richtigen Leben per SMS trennt ist einfach nur feige, genau wie der, der das über einen Online-Beziehungsstatus tut. So… :-)
Was issn das überhaupt für ein komischer laufender gestreifter Balken, den man bei Dir immer sieht?
08.08.2010 um 20:40 Uhr
@Kirstin, wie immer ein druckreifer Kommentar einen eigenen Artikel wert, Kompliment!
Frage: „komischer laufender gestreifter Balken“ = wo siehst Du das, kannst Du einen Screen machen bitte?
08.08.2010 um 20:46 Uhr
Robert: Danke. :-) Hab gerade festgestellt, daß der Balken nur im netvibes zu sehen ist, wo ich vorhin kommentiert habe. Bei Direktbesuch nicht. Sorry.
Hab ja grad neidisch festgestellt, daß Dein Facebook-Gefällt mir-Button schon diese Kommentarfunktion hat, die ich so cool finde. Bei mir geht das noch gar nicht…
lg
08.08.2010 um 20:54 Uhr
ah ok, dann aufgeklärt :) Facebook-Button mit Kommentar? Ist glaube ich der normale Button von Facebook. Hast Du was spezielles bei Dir eingebaut? PLugin?
08.08.2010 um 21:03 Uhr
Ich meinte das hier: http://www.facebookbiz.de/artikel/like-button-erhalt-eine-kommentarfunktion/
Hab aber gerade festgestellt, daß es bei Dir anders aussieht, als im dem Zappos-Beispiel. Bei Dir steht, wenn man über den Gefällt mir Button fährt: „Teile es zusammen mit einem Kommentar bei Facebook…“ (Also extra zur Teilen-Funktion ein Stückchen weiter oben) Vielleicht muß es ja so sein. Bei mir isses leider nicht so…
Fang grad schwer an, an mir zu zweifeln… Wirke ich leicht verwirrt? … sollte vielleicht ins Bett oder so. :-)
09.08.2010 um 08:34 Uhr
witzig, hatte erst kürzlich bei mir ein ähnliches Thema
09.08.2010 um 20:30 Uhr
Online macht vieles leichter und vor allen Dingen wesentlich transparenter.
Früher dauerte es eine Weile, bis sich gewisse Dinge rumgesprochen hatten, inzwischen geht das viel schneller.
Wer sich früher nicht traute, persönlich Schluss zu machen, der macht es eben heute genauso feige per Statusänderung bei FB.
Leute mit miesem Charakter gab’s schon immer.
10.08.2010 um 14:19 Uhr
Es ist schon komisch, was alles über das Internet geregelt wird. Der Mensch wird immer transparenter, aber grundsätzlich lasse ich auf Facebook meine Aktivitäten nicht anzeigen, weil die nur mich etwas angehen.
10.08.2010 um 14:21 Uhr
das kann auch zu einem Prob werden, weil ich Deinen Link als Spam schrotte, denn ich weiß nicht, warum Du auf diese Seite verlinkst „Ina“… Schrott das ist wenn man hidden leben & worken muss, nicht wahr?
19.02.2012 um 12:06 Uhr
War lustig zu lesen, danke :)