Der Hype um Blogs scheint gelaufen. Das steht für mich fest. Der Hype war nicht schlecht, im Gegenteil, es hat mitgeholfen, das Medium Blog als solches bekannt zu machen. Und damit das Bewusstsein zu schärfen, dass man einfacher denn je im Netz seine Gedanken und Aktivitäten an einer Stelle gesammelt platzieren kann. Damit bleibt das Blog als solches ein Dauerbrenner im Netz, für jeden, der sich Gedanken macht, ob und wie er etwas im Internet publizieren möchte. Auch das steht für mich fest.

Was aber bleibt nach diesem Hype über?

Zunächst einmal eine CMS-Technik („cms“= Content Management System), ein Sammelsurium an Werkzeugen (Plugins und Templates) wie auch Communities um die Blogs herum (z.B. WordPress.de) und natürlich eine große Zahl an Blog-Nutzern. Das sagt sich so leicht dahin, aber es bedeutet in der Tat viel. Es hat einen wahrgenommenen Standard geschaffen, Inhalte zu publizieren, wo es früher kaum Standards gab. Wo früher ohne Experten nichts ging, kann heute theoretisch jeder im Internet Inhalte produzieren. Großartig!

Dank dieses umfänglichen Blog-Biotops ist es zudem viel leichter möglich, die eigene Webseite so weit es geht zu individualisieren, ohne unbedingt auf Experten zurückgreifen zu müssen. Auch das trägt dazu bei, Menschen einen gefühlten Rahmen zu geben, sich besser ausdrücken zu können.

Ein Blog ohne Blogs? Say php nuke!
Ein kurzer Blick einige Jahre zurück, zu einer Zeit, in der Blogs nicht bekannt waren: Wer sich noch daran erinnert, wird wissen, wie schwer es war, ein geeignetes CMS zu finden, das einigermaßen einfach war, aber auch gepflegt und gewartet wurde. Untereinander vernetzt waren diese Seiten im dialogischen Sinne seltenst bzw. nicht in dem gefühlten Ausmaß wie es erst im Zuge der Blogs aufkam.

Bloggen = ein Naturgesetz der Kommunikation
Das bedeutet was? Kommunikation macht uns Menschen aus. Jede Technik, die uns das ermöglicht, hilft uns in jeglicher Ausrichtung, miteinander in Verbindung zu treten. Was wir daraus machen, obliegt der menschlichen Fantasie, und die ist zweifellos grenzenlos. Blogs helfen uns beim Kommunizieren, meistens öffentlich. Ebenso wie Telefone (eine nicht öffentliche Kommunikation) oder andere Techniken. Ich vermag jedoch nicht zu sagen, ob diese Kommunikationstechnik zu ähnlichen Auswirkungen führen wird, wie damals die Einführung der Telefonie und die damit einhergehende Explosion der Nutzungsmuster (Handel, Notrufe, private Nähe und stetiger Austausch, Militär). Was ich damit sagen will? Dass man Telefonie ebenso wenig wie Blogs als bloße Technik abtun sollte. Sagen wir es mal so: Der Hype war Blogs nicht abkömmlich, die Blogs dem Hype schon. Blogs haben nämlich den Hype überlebt:)

Blogs als Vorläufer vernetzter Kommunikation
Gerade die Vernetzungssystematik ist eines der herausragendsten Kulturmerkmale der Blogs. Manch einer spricht davon, dass Blogs nur eine Technik seien, ein simples CMS, doch verkennt und vergisst man dabei nur zu schnell um die innewohnenden Kulturtechniken, die sich mit der technologischen Weiterentwicklung der Blogs (ausgehend von den ersten Blog-Systemen) entwickelt haben. Bessere Mensch-Vernetzungs-Maschinerien wird man draußen im Netz kaum finden, nicht einmal Social Networks sind dazu in der Lage, mit dieser Intensität zu wirken?

Blogs und ihre Medienwirkung
So mag es nicht verwundern, dass es einigen Bloggern immer wieder gelungen ist, die Phalanx der Medienschaffenden und ihre Deutungshoheit der Wirklichkeit zu durchbrechen (@netzfeuilleton spricht von Spill-Over Effekten). Sie schaffen per se neue Deutungen und neue Wahrnehmungen im Kleinen und Dauerhaften, im Großen -über die Spill-Over Effekte- wäre das ohne die oben angesprochene Vernetzungssystematik nicht denkbar. Im Großen? Nicht in der Regelmäßigkeit wie die Presse und nicht ohne die Presse selbst, was ihre mediale Wirkung angeht, aber immerhin. Ergänzend der Hinweis von Tobbi, dass sich langsam aber sicher eine alltägliche Koexistenz zwischen Bloggern und Presse eingestellt hat.

Das war vor dem Hype so nicht zu verzeichnen gewesen, während dem Hype schon, nach dem Hype ist es ein Faktum. Jedoch, nur wenige Blogs haben es geschafft, eine ähnliche Wirkung wie etablierte Medienorgane zu entfalten, als Dauerbrenner. Dazu kann man ohne Weiteres Huffington Post oder aber Techcrunch zählen.

Hat uns der Hype nicht hoffen lassen, dass Blogs klassischen Medien das Wasser reichen können? Wenn dem so gewesen sein sollte, was ist ausgehend von dieser Extrembetrachtung übrig geblieben? In Deutschland würde ich sagen, dass es kein Blog gibt, das auf gleicher Augenhöhe wie ein bekanntes Organ spielt.

Dazu fehlt es noch an Kontinuität (gut möglich, dass einige Blogs nach einem Zeitrahmen von rund 10 Jahren im Großteil der von ihnen angesprochenen peer-groups extrem gut verankert sind und hohe, vertrauenswürdige Anlaufstellen darstellen). Kontinuität kann ohne Weiteres durch Häufigkeit und Teamstärke (Gruppenblogs) kompensiert werden. Doch mal ehrlich, wer hat schon die Zeit und die notwendige Kapitaldecke, um dieses Risiko zu gehen? Ohne Zielausrichtung Wirtschaftlichkeit wird es bei der one-Man/Woman-Show bleiben, damit auch bei der non-medialen Bedeutung auf gleicher Augenhöhe mit bekannten Medien.

Übertreibung als Vorausahnung
Dennoch würde ich gerne einen Punkt dabei festhalten, wenn es um die Außenbetrachtung seitens der Einnorder, eben der Medien geht: Wir hatten ähnliche Effekte in der New Economy beobachten können. Vieles wurde übertrieben dargestellt, was machbar wäre. Doch nachträglich betrachtet stellen wir fest, dass das meiste gar untertrieben war. So lachen wir über den Hype von Second Life? Ja und, jeder, der auch nur ein bisschen Fantasie hat, weiß, dass Second Life übermorgen eine weitaus größere Realität sein wird als es heute vorstellbar ist. Was wurde nicht gemutmaßt, gerätselt, latent befürchtet, was Blogs angeht? Speerspitze und Träger einer neuen Medienöffentlichkeit?

Heute können wir darüber lächeln, es ist zu früh. Nur wir ahnen, was es bedeutet, wenn sich Menschen zunehmend vernetzen, informieren, organisieren und austauschen. Wir ahnen und übertreiben gerne. Doch am Ende haben wir meistens recht, selbst wenn wir es „damals“ nicht rational begründen konnten. Wir werden lernen, damit umzugehen. Und diese Kulturtechnik in eine nachvollziehbare, erlernbare Struktur pressen. Blogs im Sinne eines digitalen Publizierens steht demnach ihre Blütezeit erst noch bevor? Anzunehmen, aber in Form des heute so genannten „Bloggens“ als vernetzte Kommunikationsform?

A-Blogs und ihre Rolle
Eines kann man mit Sicherheit ebenso feststellen: Man kann sich auf der einen Seite über die sogenannten A-Blogs in Deutschland echauffieren, ob ihres A’s, manchmal zurecht, manchmal unsinnig. Jedoch haben sie die mögliche Klammerfunktion, unbekannteren Blogs zu helfen, ihre Anliegen bekannter zu machen, nie wirklich als langfristige Chance und stete Verpflichtung begriffen. Eine Chance und Verpflichtung, die der deutschen Blogosphäre mehr Profil und Zusammenhalt verliehen hätte. So bleibt von außen betrachtet das Bild einer zwar hoch individuellen, andererseits egoistischen Blogosphäre übrig. Was wenig bis zero dazu beitrug, damit sich nachrückende, gerade ambitionierte Blogger ein Stück weit wohler fühlen und es ein wenig leichter haben. So wurde diese Klammerfunktion mit Innen- und Außenwirkung vernachlässigt.

Wirtschaftlichkeit von Blogs: Self Made Web
Nach dem Hype heißt also, dass Blogs, sagen wir mal, nicht mehr so wichtig sind? Weil nur ganz wenige bis gar keine Blogs wirtschaftlich sind, weil es kein Blog mit der FAZ aufnehmen kann?

Interessanterweise hat man Blogs immer wieder über ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einzunorden versucht (siehe dazu Kommentarhinweis von Markus, Blogs eben nicht nur über das Schema Geld einzunorden). Nach dem Motto: Wenn sich damit nicht vernünftig Geld auf einigermaßen etablierte Art und Weise („40 Stunden Woche“ wohl als gedankliche Basis) für jedermann verdienen läßt, können Blogs keine allzu große Bedeutung spielen. Eine sicherlich erlaubtes Gedankenkonstrukt im Sinne von Konkurrenzausschluss. Dabei sollte man nicht vergessen, dass diese Einnordungsversuche häufig seitens der Medienschaffenden kamen, die im Muster „Wirtschaftlichkeit und Massenwirkung“ denken.

Ein irgendwie komischer Vergleich, als würden alle Blogger nur nach Wirtschaftlichkeit und Massenwirkung streben. Wirtschaftlich bieten Blogs imho ebenso gute und schlechte Chancen wie alle anderen Tätigkeitsgebiete auch, wenn man sich selbständig machen würde. Wenige schaffen es soweit, dass sie spürbar mehr als der Durchschnitt verdienen. Wir bräuchten zwar mehr Beispiele wie turi2 in Deutschland, um wirtschaftlich motivierten Bloggern Mut zu machen, aber noch ist nicht die Zeit für eine Endabrechnung gekommen. Sobald die Wirtschaft aus der Finanzkrise spürbar herauskommt, wird es sich zeigen, ob in D tatsächlich nichts geht, wenn man von Blogs leben will. Der neue Trend lautet Social Media und Blogger werden wichtiger denn je für die Werbe- und PR-Ecke.

Ist das etwas Schlimmes, dass wenige von Blogs in unserem Land leben können? Ach was, die Technik Blog war ja nie darauf ausgerichtet wie etwa Druckmaschinen oder ein Radiomast, Inhalte bewusst in der Masse an den Mann zu bringen. Dazu bestand und besteht kein ökonomischer Zwang, da ein Blog per se weitaus günstiger als eine andere Publikationstechnik daherkommt. Sie entstand als Mittel, Links einfacher verwalten zu können und hat sich als Technik des „Kleinen Webmannes“ etabliert. Frank Rösch meint dazu auf Twitter: „Aus Blogs sind, Newseiten, Magazine, private Websites hervorgegangen, ein Mitbegründer des selfmade webs?

Fiasko Unternehmensblogs
Self made? Was ist mit den Unternehmen? Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich Cluetrain Manifesto in Zusammenhang mit Corporate Blogs gehört habe. Eine Art Chance auf authentische Kommunikation seien Corporate Blogs. Ein Bessermacher, Heilemacher, ich weiß nicht, was noch alles. Was ist draus geworden? Zwei mittelständische Betriebe -Kelterei Walthers / Saftblog und Frosta / Frosta-Blog– haben der gesamten Wirtschaftselite Deutschlands die Zähne gezeigt, wie man das Medium nutzt.

An Peinlichkeit kaum zu überbieten, wenn es darum ginge aufzuzeigen, wie zahlreich und innovativ gerade Top-Unternehmen in Deutschland sind, moderne Kommunikationswege zu explorieren, zu erfahren und umzusetzen. Woran es lag und liegt? Das überlasse ich liebend gerne den Social Media Beratern, das wenn überhaupt möglich zu reparieren. Heerscharen von Kunden wandern ins Netz ab, während PR und Werbeagenturen fieberhaft an digitalen Strategien arbeiten, sich überhaupt erst einmal intern aufzustellen („oh, das Web ist da, damn, huch“) und solange schnarcht Wirtschaftselite dahin. Schulterzuck. Variabilität, Experimentierbereitschaft und Vielfalt wird von den Privatbloggern vorgelebt. Beharrlichkeit und Langweiligkeit in der Kommunikation von Großunternehmen.

Was aber erfreut, sind die zahlreichen Blogs von Selbständigen, Freischaffenden und kleinen Mittelständlern. Hier hat man ohne Administrations- und Abstimmungsarien Anlaufstellen geschaffen, Blogs als Chance erkannt und aufgegriffen. Natürlich reden wir nicht von Millionen von Blogs (bei 3 Millionen Gewerbetreibenden in D), aber es zeigt auf, dass es geht. Und sei es nur, um erhebliche Kosten im Bereich SEO zu sparen, wenn es nur das sein soll. Jeder Cent zählt, wer will da mosern? Nirgendwo steht, dass Blogs nicht für SEO-Zwecke genutzt werden dürfen.

Themenvielfalt in der Nische bleibt ein Dauerbrenner
Gerade die Variabilität von Blogs ist faszinierend! Wir können wohl davon ausgehen, dass es mittlerweile keine Ecke mehr gibt, die von Blogs nicht inhaltlich abgedeckt wird. In jeglicher Form, in jeglicher Tiefe und Breite. Ob es nun Blogs sind, die einzelne Personen betreiben oder auch Gruppenblogs, von mehreren Personen befeuert (siehe @meselfandi). Das ist etwas, was im Zuge der relativen Einfachheit bei der Bedienung einer Blogtechnik einhergeht. Und diese Variabilität wird auch nach der Hype-Phase so bleiben. Hans beschreibt das im Kommentar recht treffend imho.

Blog-Motivation nach dem Hype
Eines fällt aber nach der Hype-Phase gefühlt subjektiv auf: Einige Blogger haben ihre Postingfrequenz heruntergeschraubt, andere haben es ganz sein lassen. Es mag daran liegen, dass sich im Hype Menschen mit Blogs beschäftigt haben, ohne einen tatsächlichen, inneren Antrieb aus sich heraus dafür verspürt zu haben. Sie sind einer Art Modeerscheinung gefolgt. Nachdem die Mode durch ist, trägt man diese Mode nicht mehr. Passend dazu der Kommentar von Mawin.

So spricht @Zielpublikum von „geboren um ein Trend zu sein vs. von der Schnellebigkeit überrannt„. Andere Gründe liegen auf der Hand: Blogger stellen relativ schnell fest, dass es kein Leichtes ist, Leser zu finden, Feedback zu bekommen (sozialer Anreiz), gar spürbare Einnahmen (monetärer Anreiz) zu generieren. Was relativ schnell zu Frust führen kann oder aber eine wesentlich geringere Bereitschaft nach sich zieht, sein eigenes Blog überhaupt noch zum Publizieren zu nutzen. Das Thema „Content-Klau“ und Spam (siehe @hasumifrabu Tweet 1 und Tweet 2 dazu) tun ihr Übriges dazu beitragen, dass es nervt.

Blog-Nachfolgesysteme
Es gibt mittlerweile andere Nutzungssysteme, die ein noch einfacheres Publizieren (momentan Posterous.com und Twitter.com) und ein noch schnelleres Feedback (momentan Twitter.com) ermöglichen. Und damit Nachteile von Blogs in Teilen aufwiegen. Für die schnelle Zwischendurch-Kommunikation und das schnelle Zwischendurch-Publizieren sind das in meinen Augen überlegene Systeme, deren Nutzungshürden niedriger sind als bei herkömmlichen Blog-Systemen. Was nicht heißt, dass diese Lösungen nicht auch Nachteile hätten.

Klar, natürlich war es der vernetzten Blog-Kommunikation auf den ersten Blick nicht zuträglich, dass zahlreiche Linkverweise von Blogs-zu-Blogs gen Twitter ausgelagert wurden. Aber so wild ist das im Grunde genommen nicht, ich empfinde das als Vorteil, dass wir in D einen zentralen Verteiler-Knotenpunkt schaffen, der uns bisher im Sinne von „Social Recommendations“ stets gefehlt hat (betrachtet man Beispiele wie Digg.com, StumbleUpon und andere, die US-Bloggern immens geholfen haben).

Auf der anderen Seite, Technik ist lediglich Ausdruck einer Kultur. Und wer hat gesagt, dass eine Technik auf ewig stehen bleibt oder aber nicht weitere Techniken nach sich zieht? Posterous ist ein Vertreter aus der Gattung der weiter entwickelten Systeme des gedachten, einfachen Publizierens. „Status Updates“ finden sich mittlerweile nicht nur auf Twitter, sondern auch auf Facebook, Xing und Konsorten.

Ausblick in die Kristallkugel
So bleibt die Grundidee des Bloggens sicherlich noch lange Zeit bestehen. Mehr noch, sie wird weiter entwickelt, im Zuge der Mobilisierung des Internets einen dramatischen Zulauf gewinnen (subsummiert man gedanklich darunter auch Twitter und Co.), sie wird noch verdrahteter und vernetzter sein, nicht nur Menschen werden vernetzt, auch Dinge und Orte. So ist das, was wir heute sehen (als Ergebnis der letzten 10 Jahre) lediglich ein Vorläufer in meinen Augen, dass sich Menschen zu jeder Zeit und an jedem erdenklichen Ort in der Digitale Ausdruck verschaffen.

Wenn man so will, war der Hype dem Bloggen nie gerecht worden, selbst der Hype hat dieses Thema weit unterschätzt.