Anfang September hatte ich das Vergnügen, Dresden wiederzusehen. Beim Check-in im Hotel wurde ich an etwas erinnert, das ich so nicht mehr auf dem Schirm hatte, zumal das medial null hochgespielt wird (nicht mehr). Ich hatte mir bei der Ankunft eigens einen Spaziergang vom Bahnhof zum Hotel durch die Innenstadt gegönnt. Es regnete zwar und war schon knapp vor Mittternacht, aber das war mir egal. Leere Straßen haben was Stilles an sich, um sich in Ruhe umschauen zu können. So kam ich letztlich relativ patschnass in der Hotellobby an.

Ich zum Rezeptionisten: „Dresden mag ich. Schöne Stadt!
Er so: „Na ja, ich weiß nicht.
Ich: „Wieso, was ist?
Er: „Ach, da gibt es doch diese Treffen.
Ich nur Bahnhof verstehend: „Was denn für Treffen???
Er: „Diese Demos, die auch im TV zu sehen sind!
Ich: „Pegida? Den Scheiss gibts immer noch? Ach Mist, ich hätte mir einen Bart wachsen lassen sollen:) Mach dir keinen Kopf. Die Stadt wird noch lange weiterbestehen, Menschen kommen und gehen. In 50 Jahren demonstriert ihr gegen Roboter.

Wie dem auch sei, wegen lokaler Politik war ich nicht in Dresden. Aber eine interessante Begrüßung von einem Einheimischen und deren Eigenbild:)

Nächsten Morgen ging es dann rüber zur Gläsernen Manufaktur von VW, die ihren Gebäudekomplex für die Veranstaltung – was mein eigentlicher Reiseanlass war – zur Verfügung gestellt hatten. Gläserne was? Volkswagen lässt dort seit April 2017 den e-Golf zusammenbauen. Weitere e-Modelle sind im Plan, wie Autokenner wissen. Die Veranstaltung – das Ziel meiner Reise – nennt sich „bsen – das Onliner-Event“ und fand zum zweiten Mal nach 2016 statt, zum ersten Mal bei VW in deren Manufaktur. Der Hauptorganisator und Vorantreiber ist Peter Stawowy (zusammen mit der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, kurz SLM), der zugleich das Magazin Flurfunk herausgibt. Der Mann mit dem Mikro:

Peter Stawowy

Mitte: Peter Stawowy

Was ist das BSEN?

Zitat: „Bei #bsen treffen Blogger und Onliner auf Vertreter von Agenturen, Medienschaffende und Verantwortungsträger aus Politik und Wirtschaft. Die Ziele sind Vernetzung und ein Sichtbarmachen der Szene. Über den Tag werden wir in den Kategorien Bloggen, Medien, Marketing und eSociety über die Veränderung durch die Digitalisierung sprechen.

Die Veranstaltung basiert auf einer Reihe von Vorträgen sowie dreiminütigen Kurzvorstellungsrunden der Blogger selbst (was mir ausgesprochen gut gefallen hat, diese Idee!). Ich kenne ja eigentlich im Grunde nur sehr wenige Bloggerinnen und Blogger aus Sachsen. Eine davon hatte sich eigens die Zeit genommen, worüber ich mich sehr gefreut hatte:

Kirstin Walther

Na, wer kennt sie? Logo, die Safttante! Einst die mit Abstand berühmteste Bloggerin Deutschlands, deren Blog-Projekt auf allen möglichen Internetkonferenzen als Vorzeigemodell für erfolgreiche Unternehmenskommunikation genannt wurde. Noch vor den Bemühungen großer Konzerne, die sich mit riesigen Etats und Beraterscharen bis heute schwer tun, eine natürliche Anspracheform zu finden, die nicht gekünstelt wirkt. Eine „kleine“ Inhaber geführte Saftkelterei aus Sachsen (die diversen Saftsorten sind obermegalecker!!!) machte es vor.

Zurück zum Thema. Ich habe Peter gebeten, etwas zu der lokalen Szene zu schreiben. Denn er kennt sich nun einmal viel besser als ich aus:

Zur Bloggerszene in Sachsen und erweitert Mitteldeutschland: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits ist es so, dass ich sehr viele Projekte auf dem Schirm habe und mitbekomme (bestimmt nicht alles!), was es da alles gibt und welche neuen Publikationsformen und auch Medien sich da herausbilden. Das ist eine Entwicklung, die m.E. unbedingt von der (Medien-)Politik wahrgenommen werden sollte.

Andererseits bin ich nicht so „blind“, um zu sehen, dass da noch reichlich Luft nach oben ist – gerade was die Qualität und die Relevanz vieler Angebote betrifft.

Aus meiner Sicht sehr spannend: Es gibt eine durchaus vorhandene Szene von Lokal-Bloggern, die über ihr Kiez oder ihre Stadt oder auch Region schreiben. Manche sind dabei im journalistischen Sinne unterwegs, andere sehr subjektiv, in den seltensten Fällen kann man aber von einer Alternative zu bestehenden Medien sprechen. Andererseits: Ein Blogger braucht bekanntlich nur die eine Geschichte, um viel Aufmerksamkeit zu erzeugen und die politische Agenda und das Stadtgespräch vorübergehend zu bestimmen. Hier entsteht m.E. gerade eine publizistische Größe, die in meinen Augen eher noch in den Kinderschuhen steckt, die aber schlicht da ist. Die sichtbar zu machen und zu vernetzen ist eines der Ansinnen unserer Veranstaltung gewesen.

Darüberhinaus gibt es übrigens noch eine große (größere) Zahl anderer Projekte, die ebenfalls publizistisch (nicht zwingend: journalistisch) unterwegs sind, die m.E. mehr Aufmerksamkeit verdient haben: Ob das Lifestyle, Näh-, Mutti- oder Foodblogs sind, ob das Leute sind, die Infotainment oder pure Unterhaltung bieten – mein Eindruck ist, dass diese Leute viel zu oft unter dem Radar fliegen. Dabei sind dabei eine ganze Reihe von Perlen dabei!

Schließlich gibt es auch in Mitteldeutschland eine Zahl von sogenannten Influencern und auf der anderen Seite: Agenturen, die sich mit dieser Form der Kommunikation (neudeutsch: Influencer-Marketing) beschäftigen.

Sprich: Wir haben hier eine Szene, die ausbaufähig ist, die aber in meinen Augen deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Innerhalb dieser Szene, das hat unsere Konferenz auch gezeigt, gibt es ein großes Interesse, weiter in Kontakt mit Gleichgesinnten zu kommen und sich zu vernetzen.

Ohne uns hier selbst zuviel loben zu wollen: Ich habe mich sehr über das Feedback gefreut, dass es endlich mal eine Veranstaltung aus dem Medienbereich war, bei der nicht die ganz Zeit der Niedergang der Branche und der bisherigen Geschäftsmodelle beklagt wurde. Sondern bei der es eine gewissen Aufbruchstimmung und ein Wollen gab. Insofern haben wir mit #bsen2 vielleicht auch – statt „nur“ die Szene zu zeigen und zu vernetzen – dazu beigetragen, dass eine Weiterentwicklung in Gang kommt. Obwohl: Die wäre wohl so oder so nicht aufzuhalten.

Was bringt das überhaupt, diese Vernetzung?

Das was Peter sagt, entsprach in ungefähr meinem groben Eindruck, den ich über den Konferenztag hinweg gewonnen hatte. Eine Bloggerin bzw. Unternehmerin fiel mir dabei besonders auf. Ihre Geschichte in Kurzform: Mama von zwei Kindern langweilte sich (das Leben besteht eben nicht nur im Mutti-Dasein) und ärgerte sich zugleich über die gigantischen Windelberge. Auf Basis ihrer nachhaltigen Lebenseinstellung, ihrer guten Vernetzung via Bloggerei und Instagram mit anderen Müttern entstand ein erfolgreiches Unternehmensprojekt mit mehreren MitarbeiterInnen (mittlerweile +10 Angestellte): Die WindelManufaktur von Stephanie Oppitz. Ohne das Netzwerk, das mit anderen Müttern bestand, wäre das womöglich in der Form nicht passiert. Gerade die Interaktion mit den Müttern, welche waschbare Windel wo zwackt, wie man es besser machen kann oder ob das Muster in Ordnung ist, machte und macht es aus. Erinnert mich irgendwie an die Geschichte der Safttante, die auf ihre herzlich offene Art viele Kundenherzen eroberte.

Das nächste BSEN?

Mir hat es großen Spaß gemacht, mich in die Szene reinzuwuseln, zuzuhören, was sich da alles bewegt. Ich gehe davon aus, dass es auch 2018 ein BSEN3 geben wird. Ich kann es nur wärmstens empfehlen!