W&V über Winnenden: Medien-Terror in Winnenden: Die Sensationskarawane zieht weiter
Das alles müssen die Medien auch nicht berichten. Aber sie müssen nicht tagelang vermelden, welch armes Opfer der Täter war. Wieso sollen sich ausgerechnet die echten Opfer, die, die überlebt haben, schuldig fühlen? Das ist unsensibel. Das ist nicht fair. Das ist pietätlos und verherrlicht letztendlich den Mörder. So werden heute schon Nachahmer geboren.
Vermutlich wäre es am besten, Medien würden überhaupt nicht über einen Massenmord an Schulen berichten. Als 1980 im ZDF der Sechsteiler „Tod eines Schülers“ lief, brachten sich Massen von jungen Menschen um. Seither haben sich Medien darauf verständigt, nicht mehr über Selbstmorde zu schreiben. Das macht den Selbstmord ziemlich unattraktiv.
Auch ein Massenmord oder ein Amoklauf ist dann für minderwertigkeitsgetriebene Selbstverherrlicher nicht mehr so interessant, wenn nicht – oder nur minimalst – darüber berichtet werden würde. Oder wollen wir Medien solche Ereignisse? Wollen wir so etwas für die Quoten und Auflagen? Die Kioskbesitzerin am Winnender Marktplatz könnte darauf verzichten.
Ein nachdenklicher Medienmensch, Jochen Kalka, der in Winnenden wohnen muss, um nachdenklich zu werden. Was nachdenklich und dennoch optimistisch stimmt.
Mark_Henckel auf Twitter: Wahrscheinlich der wichtigste Artikel zum Thema Medien-Terror #winnden #amok ausgerechnet von „Werben & Verkaufen“
14.03.2009 um 00:57 Uhr
„der in Winnenden wohnen muss, um nachdenklich zu werden“
Kennst Du den Redakteur? War er vorher einer, der alles plattschreibt? Spricht sein Arbeitsgebiet Werben und Verkaufen per se gegen ihn?
Die Nähe zum Geschehen und das Geschriebene machen ihn weder notwendigerweise zum Paulus noch muss er vorher ein Saulus gewesen sein.
Vielleicht einfach nur unglücklich formuliert …
Wer das Mediengeschehen hautnah erlebt und als Einheimischer daneben die andere Seite mitbekommt, sieht auch die Widersprüche aus erster Hand. Das kann nur nachdenklich machen. Und über diese Widersprüche müssen wir alle nachdenken! Gut, dass einer davon erzählt.
14.03.2009 um 01:25 Uhr
Ich Stimme zu das die Berichterstattung teilweise unerträglich Sensations erheischend war.Hier jetzt aber alle zu Bashen die die Frage nach den Hintergründen des Täters und den gesellschaftlichen Ursachen dieser Tat stellen finde ich gelinde gesagt unverschämt. Diese Frage ist legitim und wichtig wenn man dieses Phänomen verstehen und bekämpfen will. Es ist nun einmal so das der Druck un dieser Gesellschaft zunimmt, nicht umsonst Steigen Psychische Erkrankungen in dieser Republik massiv. Möglicher weise ein Baustein um dies alles zu begreifen.
14.03.2009 um 02:18 Uhr
Dem Artikel kann ich nur zustimme. Medien haben zwar eine wichtige Funktion, aber manchmal ist schweigen besser. Mal davon abgesehen, dass man einen solchen Amoklauf wohl nicht erklären kann, gehe ich davon aus das die intensive Berichterstattung, solche Taten wie schon im Artikel beschrieben attraktiver macht. Der große Abgang des „Unscheinbaren“ mit einem großen Knall. Die Opferzahl muss auch hoch genug sein, damit es interessant ist, wie man wohl daran sieht das der Amoklauf in den USA ja überhaupt nicht mehr erwähnt wird, obwohl es für die Opfer sicher nicht weniger tragisch ist. Aber ein noch flüchtiger Täter eines Schulmassakers ist wohl interessanter.
Meiner Meinung nach würde eine kurze Meldung in den Abendnachrichten durchaus reichen. Um ehrlich zu sein, wäre sogar eine Meldung in den Lokalzeitungen absolut ausreichend um die Bevölkerung der Umgebung von dem Vorfall zu informieren, da diese ja direkt oder indirekt davon Betroffen ist. Warum muss darüber Tagelang berichtet werden? Man ist doch gar nicht betroffen und relevant ist die Information für den Normalbürger auch nicht. Es wird ja auch nicht über jeden an Krebs gestorbenen einzeln berichtet. Diese Berichterstattung die eher was mit einem Unterhaltungssendung zu tun hat als mit einer sachlichen Nachrichtensendung macht so eine Tat in meinen Augen erst interessant. Was ist der Sinn von einem Amoklauf, wenn ihn niemand sieht? Allein schon die riesige Anzahl an Polizei und Rettungskräfen die dem Täter beachtung schenkt.
Gleiches gilt übrigens auch bei Terroranschlägen. Ein Anschlag ist für die direk Betroffenen und deren Angehörigen ein tragisches Unglück und dazu völlig Sinnlos. Das Ziel eines solchen Anschlages scheint mir aber nicht das sinnlose Umbringen von unschuldigen Opfern zu sein, sondern Angst und Schrecken zu verbreiten um irgend ein dubioses politisches oder religöes Ziel zu erreichen. Durch die Berichterstattung, Reaktionen und Aktionen von Poltikern wird das Ziel ja erst erreicht und sei es nur das es mehr Überwachung gibt und somit wieder ein wenig Freiheit genommen wird.
Es gilt halt die übliche Regel die aber irgendwie sehr schwer zu beachten ist. „Einfach nicht reagieren.“ bzw. „Don’t feed the trolls.“
So eine Nichtberichterstattung ist in Zeiten des Internets wohl nicht mehr möglich, andererseits wiederum der Preis für freie und ungefilterte Informationen.
Davon mal ganz abgesehen denke ich, dass die Bewohnern von Winnenden und die Betroffenen sicher liebend gerne auf den ganzen Medienrummel verzichten würden und mit ihrer Trauer ohne großes Medienspektakel fertig werden möchten. Ich stelle es mir auf jeden Fall nicht schön vor, dass an jeder Ecke Sensationsjournalisten lauern die einem irgendwelche belangslosen Statements entlocken möchten.
14.03.2009 um 06:32 Uhr
@Henning:
„Diese Frage ist legitim und wichtig wenn man dieses Phänomen verstehen und bekämpfen will.“
Richtig, aber muß das in den Medien passieren? Ursache und Wirkung. Was ist, wenn hier die Medien ein Teil der Ursache sind, in dem sie tagelang, groß aufgezogen das Leben des Täters durchleuchten und damit unbewusst kommunizieren, wenn Du nichts erreichst, mach wenigstens noch einen großen Abgang und ganz Deutschland kennt dich.
14.03.2009 um 11:00 Uhr
Kann deine Meinung nicht nachvollziehen. Stell dir vor deinen Sohn passiert das mal an seiner Schule. Er hätte ein starkes Redebedürfnis und andere ein Zuhörbedürfniss, wie Angehörige. Du schreibtst über Twitter andere kümmern sich lieber um die Psychologie eines Amokläufers.
14.03.2009 um 13:02 Uhr
Diese ganze Medienkritik hat doch eine unglaubliche Doppelmoral. Natürlich interessieren wir uns für den Fall, und natürlich sind wir schockiert. Das Phänomen des Amoklaufs ist so selten, hat aber jedesmal so starke Konsequenzen, und ist gleichzeitig so unerforscht (leider sind die Forschungsobjekte ja meist tot), dass wir es mit der Angst bekommen.
Und jeder, der in seinem Blog über Winnenden schreibt, gleichzeitig aber den medialen Wahn kritisiert, spricht mit gespaltener Zunge.
14.03.2009 um 15:10 Uhr
Ja das stimmt. Ich bin ja an sich gegen die ausführliche und ausuffernde Berichterstattung trotzdem war das erste was ich gemacht hab n-tv anzuschalten und CNN zu beobachten. Dazu dann noch twitter live verfolgt. Ist wohl irgendwie die natürliche Menschliche Neu -und Sensationsgier. Wenn man es schon als Zuschauer so schwer hat dem zu wiederstehen ist es für die Journalisten sicher noch viel schwerer, so dass man eigentlich auch keien Vorwürfe machen kann.
Wobei ich schon einen Unterschied in den textlichen Berichterstattung in Blogs und Zeitungen zu der Liveberichterstattung im TV sehe. Es macht schon einen Unterschied ob in der Zeitung steht das Polizei und Rettungskräfte im Einsatz waren oder ob im TV unmengen Uniformierte Polizisten durchs Bild laufen und die ganze Umgebung mit Rettungswagen zugestellt ist.
16.03.2009 um 18:53 Uhr
Als Bewohner von Winnenden, kann ich dem Geschriebenen nur zustimmen!
17.03.2009 um 23:41 Uhr
Amok läuft keiner, weil das so hipp ist. Amok läuft einer der so oder so bereits psychisch beschädigt ist und Zugang zu automatischen Waffen hat.
Sollte je Amok so alltäglich wie Roadrage werden, wird der Medienrummel verblassen. Ich sehe keine Gefahr, dass der Medienrummel die Gefahr vergrößert. Insbesondere nicht, wenn man als Amokläufer nicht mehr ist als ein Opfer der Umwelt und psychischen Gestörtheit.
Wer will schon ein Opfer sein?
Wird dürfen dankbar sein, dass der Täter als armes Opfer dargestellt wird und nicht als brutaler Täter.
25.03.2009 um 01:09 Uhr
Mein Fernseher blieb aus, Online-Nachrichten zu dem Thema verfolgte ich nicht aber totzdem bin ich über die beiden W&V-Artikel gestolpert. Tja ja. Mensch sein. Übrigens, Tim K. ist immer noch ein Massenmörder, trotz all der Schönrederei und Alibi-Ursachenforschung.